NDR-Medienmagazin "Zapp":Brav statt kantig

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Das TV-Magazin "Zapp" galt einmal als investigativ. Große Enthüllungen sind inzwischen rar geworden, die Personaldecke ist dünn, "weiche" Themen sollen eine größere Rolle spielen. Wie öffentlich-rechtliche Sender eine unbequeme Sendung kleinkriegen.

René Martens

In der Nutzertypologie der ARD-Medienforschung gibt es Gruppen wie die "jungen Wilden" oder die "aktiv Familienorientierten". Unter letzteren hat die zuständige Abteilung des NDR kürzlich Zuschauer entdeckt, die es für Zapp noch zu erobern gäbe.

Auch im Fernsehen gibt es gehaltvolle Selbstreflektionen. Das Medienmagazin "Zapp" gehörte bisher dazu. (Foto: DPA/DPAWEB)

Steffen Eßbach, Redaktionsleiter des Medienmagazins, scheint nicht unbeeindruckt von der hohen Kunst der Marktforschung: Er will die Ergebnisse in die Sendung integrieren und gelegentlich darüber berichten, "wie Medienkompetenz vermittelt wird". So lief kürzlich ein Film über die Kinderzeitschriften von Spiegel, Geo und Co. - kein ganz frisches Thema, von dem Eßbach vorher begeistert erzählte, das könne auch reizvoll für die "aktiv Familienorientierten" sein.

Wer an Zapp denkt, denkt normalerweise nicht an Servicethemen für Eltern, sondern an investigative Recherche, an Enthüllungen, die auch die ARD nicht schonten. Vor rund fünf Jahren recherchierte Zapp, dass die Bundesagentur für Arbeit und die Deutsche Rentenversicherung PR-Filme produziert hatten, die bei MDR, RBB und HR als redaktionelle Beiträge liefen. Später deckten die NDR-Leute auf, dass sich einige öffentlich-rechtliche Moderatoren Nebentätigkeiten für die Privatwirtschaft fürstlich honorieren ließen.

Weil die Sendung durch solche Scoops lange nicht mehr aufgefallen ist, gibt es seit Monaten interne Debatten über den Kurs. Viele Autoren argumentieren, die Sendung sei zu brav und habe ihr Alleinstellungsmerkmal als investigatives Medienmagazin verloren. Im Zentrum der Kritik steht Eßbach, der 2009 zu Zapp kam - als Leiter einer Mini-Abteilung, in der er auch die Humorsendung extra 3 verantwortete. Nachdem der NDR die Abteilung aufgelöst hat, ist der Thüringer nun nur noch Redaktionsleiter.

Eigentlich hört man über Eßbach fast nur Gutes. Redakteure wie Autoren loben seine Arbeit für die Verbrauchersendung Markt, für die er von 2007 bis 2009 verantwortlich war. Im Laufe der Zeit bei Zapp stellte sich aber offenbar heraus, dass Eßbach nicht alle von seinem Gespür für Medienthemen überzeugt hat. Kritiker lasten ihm an, dass er sich nicht für ARD-intern unbequeme Themen stark mache. Zapp berichtet zwar noch über Missstände im öffentlich-rechtlichen Milieu, hinkt aber hinterher. Ein Film über die MDR-Intendantenwahl war angemessen bissig.

Mit solchen Beiträgen fällt Zapp aber zu selten auf. Eßbach äußert sich zu den Konflikten nicht konkret. Er sagt, es gelte stets zu verhindern, dass Sendungen "altern". Er sei "im Zweifel immer dafür, etwas auszuprobieren". Die "Kantigkeit" von Zapp solle erhalten bleiben. 80 bis 90 Prozent der Sendung seien gut, am Rest gelte es weiter zu feilen. So kündigt Eßbach eine "stärkere Ausrichtung auf Internet und neue Medien" an. Das kann man auch als implizite Bestätigung dafür sehen, dass das Magazin die wichtigen Debatten erst mit einiger Verzögerung wahrgenommen hat.

"Journalisten filmt man nicht"

Auch soll es mehr sogenannte Medienreportagen geben, wobei auch mal "ganz andere Wahrheiten" heraus kämen, als wenn "ein Experte vor einer Bücherwand etwas einordnet". Da kann es passieren, dass man Journalisten trifft, die Medienbeobachtung für grundsätzlich degoutant halten. Ein Lokalchef der Märkischen Allgemeinen, der in Brandenburg mit vermeintlich allzu Rathaus-treuer Berichterstattung eine Bürgerinitiative auf den Plan gerufen hat, will dem NDR nichts sagen: "Ich habe während des Studiums mal gelernt, dass man sich unter Kollegen nicht gegenseitig filmt oder interviewt."

Die Stimmung bei Zapp wird auch dadurch getrübt, dass Eßbachs neuer Posten als Redaktionsleiter eine weitere Personalie zur Folge hat. Die Redaktion hat bisher Julia Stein geführt, der man nachsagt, von Eßbachs Innovationen wenig begeistert zu sein. Sie ist gerade in die Elternzeit gegangen - wenn sie zurückkehrt, sitzt ihr bisheriger Vorgesetzter auf ihrem Sessel. NDR-Chefredakteur Andreas Cichowicz sagt, er habe eine der Planstellenknappheit angemessene Lösung finden müssen.

Es war allemal eine dialektische: Eßbach könnte Zapp als Redaktionsleiter stärker prägen als zuvor, doch an Macht hat er eingebüßt, weil er nun einen Abteilungsleiter über sich hat: Innenpolitik-Chef Stephan Wels. Der ist auch zuständig für das Magazin Panorama, das ja immer noch für ein gewisses investigatives Streitfernsehen steht. Eßbach gibt sich cool: "Der Titel Abteilungsleiter ist mir wurscht, ich würde auch als Pförtner für den NDR arbeiten, wenn es ihm nützt."

© SZ vom 28.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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