200. Todestag von Napoleon Bonaparte:Der Kaiser der Leinwand

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Zwischen Vernunft und Machtbesessenheit: Christian Clavier 2002 in "Napoleon". (Foto: G.M.T)

Zum 200. Todestag widmet Arte Napoleon einen Themenschwerpunkt. Zur Filmgeschichte gehört er eh.

Von Harald Eggebrecht

Es wäre wohl der größte und vielleicht eindringlichste Film über den korsischen Aufsteiger, ganz Europa imponierenden Kriegsstrategen und französischen Kaiser geworden, den niemand geringerer als Stanley Kubrick hatte drehen wollen. Kubrick, der in seinem Perfektionsdrang und seiner ästhetischen Unerbittlichkeit selbst etwas Napoleonisches in sich trug, hat auch formuliert, weshalb Napoleons Leben geradezu prädestiniert für das Kino sei: "Es hat alles, was eine gute Story braucht. Einen überragenden Helden. Starke Feinde. Bewaffnete Kämpfe. Eine tragische Liebesgeschichte. Treue und verräterische Freunde. Und viel Tapferkeit, Grausamkeit und Sex."

Dementsprechend gehören seit Beginn der Filmgeschichte Leben und Streben, Siegen und Scheitern, Herrschen und Lieben Napoleons zu den unverzichtbaren Kinostoffen. Außerdem ist die Rolle des Napoleon Bonaparte für jeden Darsteller attraktiv, und daher immer wieder anders. In dem aufwendigen TV-Vierteiler von 2002, der die Biografie opulent bebildert, bietet der wendige Christian Clavier Napoleon als Mischung aus Vernunft und machthungriger Ich-Besessenheit, Isabella Rossellini spielt Joséphine de Beauharnais, Gérard Depardieu pumpt den Polizeiminister Fouché mächtig auf, John Malkovich ist der bestmögliche Diplomat Talleyrand.

Jean Simmons und Marlon Brando in "Désirée" 1954. (Foto: imago images/Mary Evans)

Auch Episoden und Phasen in Napoleons Werdegang wurden verfilmt, etwa die Liebesgeschichte um die spätere schwedische Königin Désirée Clary. Sie hat mehrere Filme inspiriert, darunter Napoleons Braut von Sacha Guitry 1942 mit Jean-Louis Barrault als charmant-sentimentalem jungen Bonaparte; oder Désirée (1954) von Henry Koster mit Marlon Brando als gefährlich leisem, raubtierhaftem Kaiser, der die schöne Jean Simmons doch nicht bekommt. Die polnische Gräfin Maria Walewska ist eine andere Amour, die 1937 die "göttliche" Greta Garbo verkörperte und den elegant melancholischen Charles Boyer als Napoleon am Ende nicht zur Flucht nach Amerika überreden kann.

Die filmästhetisch wohl aufregendste und technisch innovativste Verfilmung von Napoleons Jugend bis zum siegreichen Italienfeldzug unternahm 1927 der Filmpionier Abel Gance. Der Komponist Arthur Honegger schrieb die Musik dazu. Bis heute fesselt Gances Einfallskraft in Napoleon: In der Schneeballschlacht der Kadettenschuljungen, die der kleine Bonaparte strategisch anführt, ließ Gance die Kamera schneeballgleich hin und herwerfen. Am Ende öffnen sich links und rechts der Mittelleinwand zwei weitere Bildflächen, die dann noch blau und rot eingefärbt werden zur überdimensionalen Trikolore. Das Pathos, das Gance monumental in Szene setzt, kennt fraglos nur einen Helden Napoleon, dem der hagere Albert Dieudonné die dunkel glühende Energie und unstillbare Tatkraft eines von sich selbst erfüllten visionären Genies verleiht.

Dunkel glühende Energie und unstillbare Tatkraft: Albert Dieudonné in "Napoleon" von 1927. (Foto: imago images/Mary Evans)

Zwei Jahre nach diesem Meisterwerk wollte Abel Gance auch das elende Ende seines Helden auf St. Helena verfilmen, doch stattdessen übernahm der deutsche Regisseur Lupu Pick und zeigte in Napoleon auf St. Helena mit Werner Krauß einen müden, der Monotonie der Verbannungsinsel ausgelieferten Ex-Kaiser. Krauß spielte Napoleon noch einmal 1935 in Hundert Tage, einer Koproduktion des faschistischen Italiens und NS-Deutschlands. Mussolini hatte am Drehbuch mitgeschrieben und gab Krauß sogar Hinweise, wie er den Franzosenkaiser zu spielen habe. Nicht zu vergessen ist Rod Steiger in Waterloo 1970 unter der Regie des sowjetischen Monumentalfilmspezialisten Sergei Bondartschuk. Steigers Napoleon ist unwiderstehlich in Bedrohlichkeit und Charisma. Demnächst will Ridley Scott einen Napoleon-Film drehen mit Joaquin Phoenix in der Kaiserrolle.

Vorerst zeigt Arte zur 200. Wiederkehr des Todestages am 5. Mai 1821 gleich zwei großformatige Dokus in der Regie von Mathieu Schwartz. Die erste, Napoleon. Der Tod hat sieben Leben, in der Mediathek abrufbar, handelt von Ereignissen, in denen er tatsächlich in Todesgefahr schwebte oder sich sogar bewusst hineinbegab. Das beginnt mit dem so tollkühnen wie hirnrissigen Versuch des jungen Italiengenerals Bonaparte, die Brücke von Arcole zu stürmen. Sein Freund wirft sich vor den General und rettet ihm so das Leben. Napoleon ließ diese keineswegs kriegswichtige Episode propagandistisch zur beispielhaft heroischen Geschichte aufblasen. Das von Napoleon bestellte Gemälde von Antoine-Jean Gros, das ihn mit der Fahne in der Hand als jungen Kriegsgott zeigt, zielt bereits auf die Mythisierung Napoleons.

Trotz aller Bemühungen um kritische Distanz beschwören beide Filme die Faszination Napoleons

Leider wirken in dieser Doku die filmischen Animationen der jeweils ausgewählten Ereignisse bis zum Tod auf St. Helena ziemlich flach, wie eine Art Papiertheater mit wenig Assoziationsraum. Da helfen auch die Erläuterungen der französischen Napoleon-Kenner und -historiker wenig. Diese talking heads stoppen den sowieso stockenden Fluss des Films sogar zusätzlich. Die klangdunkel gefärbte, andauernd dräuende Begleitmusik tut ein Übriges.

Papiertheater mit wenig Assoziationsraum: "Napoleon. Der Tod hat sieben Leben" auf Arte. (Foto: Tournez S'Il Vous Plaît Production)

Das zweite Dokudrama, Napoleon - Metternich: Der Anfang vom Ende, greift auf eine entscheidende Episode nach dem katastrophalen Russlandfeldzug der Grande Armée zurück: die Begegnung Napoleons mit Metternich in Dresden 1813. Mathieu Schwartz setzt auf Schauspieler, David Sighicellis energischer Napoleon ist hochnervös, denn er ahnt, dass sein Schicksal auf Messers Schneide balanciert. Pierre Kiwitts Metternich bleibt allzu blasiert, blass, ja brav und ist nicht der große diplomatische Fallensteller, der er hier ja sein muss mit seinem giftigen Angebot, der Franzosenkaiser solle sich zurückziehen in die "natürlichen Grenzen". Wenn nicht, werde Österreich zu den Gegnern wechseln. Auch hier versuchen deutsche und französische Expertinnen und Experten, das Verhalten beider Politiker zu erklären und in den historischen Kontext einzuordnen. Das klappt wesentlich überzeugender und entspannter als in der ersten Dokumentation.

Eines allerdings beschwören beide Filme ungewollt trotz aller Bemühungen um Unparteilichkeit, historische Richtigkeit und kritische Distanz: die fortwirkende Faszination des Mythos, den Napoleon selbst in der Verbannung schuf, um nachträglich seinem Wollen und Tun weltgeschichtlichen Sinn zu geben.

"Napoleon. Der Tod hat sieben Leben", Arte-Mediathek , "Napoleon - Metternich: Der Anfang vom Ende", Arte, 8. Mai, 20.15 Uhr.

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