Nachlese zum "Tatort" Stuttgart:Alle verstehen nur Bahnhof

Lesezeit: 3 min

Sie sehen: Kommissar Bootz, Staatsanwältin Álvarez und Gerichtsmediziner Dr. Vogt. Sie sehen nicht: die Leiche im Kofferraum. (Foto: SWR/Johannes Krieg)

Zwei Leichen, ein unglücklich verliebter Pathologe und das Reizthema schlechthin: Lannert und Bootz bekommen es mit Stuttgart 21 zu tun. Schwierigkeitsgrad dieses "Tatorts": hoch. Die Nachlese.

Von Johanna Bruckner

Darum geht's:

Um das Reizthema in Stuttgart der vergangenen Jahre: Stuttgart 21. Überraschend ist nicht, dass sich ein Tatort dessen annimmt, eher, dass es so lange gedauert hat. Aber jetzt, raffgierige Wirtschaft, korrupte Politik und ein nebulöser Investor in "Der Inder". Zwei Leichen gibt es auch in dieser Stuttgarter Episode: Eine liegt im Koffer, die andere im Kofferraum. Und es gibt weitere Unterscheidungsmerkmale. Der Tote aus dem Koffer ist beim Auffinden schon eine ziemlich unappetitliche Angelegenheit (Stichwort: Fliegen). Wohingegen der Tote aus dem Kofferraum den Kommissaren Lannert und Bootz qua Prominenz auf den Magen schlägt: Es handelt sich um einen Ex-Staatssekretär. Der wird kurz zuvor so professionell hingerichtet, dass der Mord besser nach Berlin oder Frankfurt passen würde. Wobei der Schwabe natürlich auch etwas übrig hat für Effizienz.

Lesen Sie hier die Rezension von SZ-Tatort-Kritiker Holger Gertz:

"Tatort" Stuttgart
:Was isch los

Wer macht sich eigentlich die Taschen voll mit Stuttgart 21? Darum geht es in diesem "Tatort" - unter anderem. Am Ende wird er sogar noch zum Liebesdrama.

Von Holger Gertz

Bezeichnender Monolog:

Kommissar Lannert besucht Busso von Mayer im Gefängnis. Mayer ist der verantwortliche Architekt des "Gleisdreiecks", eines geplatzten Millionen-Bauprojekts. Lannert will von ihm wissen, ob auch der frühere Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Rupert Heinerle, etwas mit dem sogenannten "Bombaygate-Skandal" zu tun hatte. Mayers Antwort:

"Glauben Sie wirklich, dass das so einfach ist? Die Wirtschaft besticht und die Politik lässt sich bestechen? Herr Lannert! Ich glaube, Sie haben ein vollkommen falsches Bild von der Politik. Menschen wie dem Heinerle, denen geht es um Macht. Nicht um Geld, nicht um Sex. Das kommt von alleine. Die wollen gestalten, die wollen die Welt verändern. Die wollen einen Eintrag in den Geschichtsbüchern: 'Ich Robert Heinerle, der Erneuerer Stuttgarts.' Und wenn das nicht klappt, weil es sich nicht rechnet, oder weil die Wirtschaft nicht mitspielt, oder weil sie an einen Inder kommen, der sich als Hochstapler entpuppt, dann werden sie wie trotzige Kinder. Dann stampfen sie mit dem Fuß auf den Boden und sagen: 'Du spielst nicht mehr mit.' So läuft das."

Die besten Zuschauerkommentare:

Plattform X

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von X Corp. angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von X Corp. angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Plattform X

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von X Corp. angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von X Corp. angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Plattform X

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von X Corp. angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von X Corp. angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Die beste Szene:

Ein Waldparkplatz bei Nacht, es regnet. Kommissar Bootz, Staatsanwältin Álvarez und Gerichtsmediziner Dr. Vogt stehen vor dem geöffneten Kofferraum eines Kombi. Drinnen liegt die Leiche von Jürgen Dillinger, früherer Staatssekretär im Baudezernat. Álvarez: "Wie ist er da rein gekommen?" Dr. Vogt: "Halb zog sie ihn, halb sank er hin." Álvarez: "Finden Sie das witzig?" Dr. Vogt: "Goethe." Álvarez: "Macht's doch nicht besser!" Schwere hat dieser Tatort zur Genüge. Da sind solche Momente Urlaub für das Konzentrationsvermögen.

Top:

Was passiert, wenn ein Millionen-Bauprojekt platzt, das über eine Landesbürgschaft abgesichert wurde? Wer hat Schuld? Der Investor? (In diesem Fall ein ominöser Inder namens Mantal, Ähnlichkeiten mit dem realen Milliardär Mittal beabsichtigt.) Der verantwortliche Architekt? Die beteiligten Politiker? Wie viel Aufklärung kann ein Untersuchungsausschuss bringen? "Der Inder" bricht ein komplexes politisches Thema herunter - soweit es eben geht. Allerdings ...

Flop:

... hätte es bei einer so anspruchsvollen Materie nicht auch noch dramaturgische Kinkerlitzchen gebraucht. Dass die Geschichte in Rückblenden erzählt wird, erhöht den Schwierigkeitsgrad der Episode unnötig. Außerdem hat der Plot ein Tempoproblem: vorne Längen, hinten überdreht. Und was die Tschechin Mira und ihr Vater in diesem Krimi verloren haben, wird wohl das Geheimnis von Drehbuchautor Niki Stein bleiben.

Bester Auftritt:

Gerichtsmediziner Dr. Vogt (Jürgen Hartmann) ist ein Bewunderer der schönen Künste - und der aparten Staatsanwältin Emilia Álvarez. Nur leider versteht die weder seinen Humor (siehe oben), noch seine Komplimente. Er: "Sie sehen ausgesprochen elegant aus, wenn ich mir erlauben darf." Sie: "Ich war gerade auf dem Weg zu einer Essenseinladung." Fortan leidet Dr. Vogt - schwäbisch-misslaunig.

Der Fun Fact

Oben bleiben? Unterirdisch werden? Daran werden sich in Stuttgart weiter die Geister scheiden - die große Erkenntnis kann und will dieser Tatort nicht liefern. Dafür gibt's zum Schluss einen Fun Fact vom auch popkulturell versierten Gerichtsmediziner Dr. Vogt: "Alle Gerichtsmediziner kennet Tarantino", erklärt er den Kommissaren. "Es gibt sogar einen eigenen Tarantino-Fanclub, auf dessen Homepage nur Gerichtsmediziner Zugang habet. Wusstet Sie des net? Wir versorgen ihn da mit Ideen."

Die Schlusspointe:

Am Ende bekommt der Stuttgarter Hauptbahnhof seinen großen Auftritt. Er endet blutig. Was der Schwabe dazu sagen würde? No net übertreiba.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

"Tatort"-Kommissare im Überblick
:Wer ermittelt wo mit welchen Tricks?

Zwei Mädels in Dresden, ein Pärchen in Weimar und die Münchner seit 25 Jahren. Alles, was Sie über die "Tatort"-Kommissare wissen müssen - in unserer interaktiven Grafik.

Von Carolin Gasteiger und Jessy Asmus

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: