Medienkolumne Abspann:Verwirrt in Zeit und Raum

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Der deutsche Sänger Max Raabe ist in jeder Zeitreise zu Hause. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Der BR tut so, als wäre 1920 und bekommt trotz Max Raabe musikalische Orientierungsprobleme.

Von Stefan Fischer

Ob Max Raabe seine Tantiemen in Deutscher Mark ausgezahlt bekommt? Gleich vier Mal war der Retro-Sänger Dienstagmorgen zwischen 8 und 9 Uhr im Radioprogramm von Bayern 1 zu hören. Während dieser Stunde tat der Moderator Marcus Fahn, als lebte er 1920. Die Sendung war gedacht als Hommage an die erste Rundfunkübertragung in Deutschland: Am 22. Dezember 1920 strahlte die Reichspost via den Sender Königs Wusterhausen nahe Berlin über Langwelle ein Weihnachtskonzert aus. Postbeamte spielten auf ihren privaten Instrumenten.

Bayern 1 sollte nun noch einmal so klingen, als stünde alles auf Anfang, als würde Erfindergeist ein neues Medium erschaffen - nicht nur in Königs Wusterhausen. "Was die in Berlin können, können wir in München allemal", sagt der hörbar stolze Fahn. Bayerische Überlegenheitsfantasien, formuliert im Staatsrundfunk, pardon: im unabhängigen öffentlich-rechtlichen Radio.

In dem man schon damals wusste, was sich gehört: Fahn ruft für ein Telefon-Ratespiel eine willkürliche Nummer an. Wie es der Zufall will, landet er beim Metzgermeister Franz Josef Strauß sen., der weiß, wie viele Autos damals zugelassen sind und dafür eine Tasse gewinnt. Dem fünfjährigen Buben des Metzgermeisters wünscht der Moderator, dass etwas Vernünftiges aus ihm werde.

Ansonsten kündigt er "schmissige Stücke" und überhaupt "Erbauliches" wie auch "Blümerantes" an. "Potzblitz, was für ein Teufelskerl", entfährt es ihm nach der dritten Max-Raabe-Nummer, und er sagt dem Musiker eine glänzende Karriere voraus. Der ist musikalisch aber bereits um Jahrzehnte enteilt und singt Coverversionen von Super Trooper und Sex Bomb. "Gewiss, gewiss, man muss Englisch verstehen ...", stimmt Fahn die Hörer auf eine marschmusikfreie Zukunft ein. Da hat er sich längst in die Karikatur eines Moderators verwandelt, der geschichtsvergessen durch die Jahrzehnte irrt. Am Ende hat eine Zeitmaschine Erbarmen und holt ihn von wo auch immer zurück in die Gegenwart.

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