Magazin "Flow" von Gruner + Jahr:Bitte anfassen

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Mit "Flow" will Gruner + Jahr Frauen in der Rushhour des Lebens" erreichen. Nichts in dem Heft wirkt zufällig. (Foto: N/A)

Das Magazin "Flow" setzt auf Haptik. Es hat acht Papiersorten von 65 bis 300 Gramm, mal glänzend, mal rau, angepasst an den Inhalt. Nichts wirkt zufällig in dem Heft, das Menschen anspricht, die darüber nachdenken, in welcher Papierstärke sie Geschenke verpacken.

Von Claudia Fromme

Die Wissenschaft hat festgestellt, dass es sehr förderlich für das Erinnerungsvermögen ist, wenn man das, was man liest, auch anfasst. Die visuell und taktil erlebte Wahrnehmung der Information, erklären Neurowissenschaftler, führt dazu, dass Dinge, die man auf Papier gelesen hat, länger im Kopf bleiben als solche, die man am Bildschirm gesehen hat. Verfügt das Papier dann noch über eine besondere Textur, fühlt man sich dabei auch noch gut.

Man weiß nicht, ob derlei Forschung die Macher von Flow dazu bewogen hat, ein Heft für Papierliebhaber zu machen, in Erinnerung bleibt es aber auf jeden Fall. Gruner + Jahr, "das führende Haus der Inhalte, das in der digitalen Welt erfolgreich ist" (Eigenwerbung) setzt diesmal auf die Kraft des Haptischen. Acht Papiersorten von 65 bis 300 Gramm gibt es im Heft, mal glänzend, mal rau. Mal hartweiß in der Farbe, mal elfenbein, mal bleu. Bedruckt sind die Seiten mit Wörtern, Bildern, Illustrationen, Aufklebern, Briefpapierdekor.

Zufällig wirkt nichts in dem Heft, was nun mit einer Auflage von 100 000 Stück für 6,95 Euro in den Handel kommt. Stellt eine Buchhändlerin ihre Lieblingswerke vor, macht sie das auf griffigem Papier. Eine Geschichte über boheme Frauen aus dem Paris der 20er ist auf glänzendem Papier im Sinne des Art Déco gedruckt. Basteltipps und ein Essay über "Das Glück des Einfachen" sind auf robuster Ware erklärt, von der sich auch Kaffeeflecken abwischen lassen, wenn man die Nacht für seinen Shop bei Dawanda durchgemacht hat.

Der Kern ist das Papier

Von der Zielgruppe hat Chefredakteurin Sinja Schütte eine klare Vorstellung. "Frauen in der Rushhour des Lebens" wolle sie erreichen. Leserinnen, die eine Haltung hätten, die ihr Leben liebten. Denen es um "ein achtsames Leben" gehe, um das "Gefühl, Zeitgeist zu teilen". Es gibt eine Facebook-Seite, später Kanäle bei Instagram und Twitter, der Kern sei aber das Papier.

Flow ist ein Lizenzprodukt aus dem niederländischen Sanoma-Verlag. Vor drei Monaten nahm Publisher Matthias Frei die ersten Gespräche auf. Vielleicht bedingt die Kürze der Zeit, dass 80 Prozent des Muttermagazins übersetzt werden, eine kleine Schwäche ist es trotzdem. Niederländische Künstlerinnen oder Illustratorinnen sind interessant, aber doch sehr fern.

Ein Heft für Menschen, denen es Kopfzerbrechen bereitet, ob ein Geschenkpapier von nur 15 Gramm nicht ein Affront für den Beschenkten ist. Weniger ein Heft für Menschen, die überlegen, für den Winter Handschuhe mit Tastkuppen fürs Iphone zu bestellen.

© SZ vom 19.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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