Journalist in Israel vor Gericht:In Feindeshand

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Weil er aus geheimen Militärdokumenten zitiert hat, wird dem israelischen Reporter Uri Blau nun der Prozess gemacht. Kollegen sehen "eine rote Linie überschritten", der Jerusalemer Journalistenverband zweifelt, "ob Israel noch ein demokratischer Staat" sei. Einige Politiker äußern dagegen Genugtuung.

Peter Münch

Einem israelischen Reporter droht eine Gefängnisstrafe wegen des Besitzes und der Veröffentlichung geheimer Militärdokumente. Uri Blau von der linksliberalen Tageszeitung Haaretz hatte unter dem Titel "Lizenz zum Töten" enthüllt, dass Israels Armee entgegen eigenen Angaben gezielt militante Palästinenser getötet hatte, obwohl sie diese auch hätte festnehmen können.

Israelische Journalisten protestieren am 3. Juni gegen Generalstaatsanwalt Yehuda Weinstein, der hart gegen Uri Blau vorgehen will. (Foto: Getty Images)

Entsprechende Unterlagen dazu hatte ihm eine junge Soldatin namens Anat Kamm zugespielt, die während ihres Wehrdienstes im Büro eines Generals Tausende geheime Dokumente kopiert hatte. Die heute 22-Jährige Kamm wurde wegen Militärspionage bereits verurteilt und sitzt eine viereinhalbjährige Haftstrafe ab. Nun machte Generalstaatsanwalt Jehuda Weinstein auch den Weg frei für eine Anklage gegen Blau.

Der Fall beschäftigt die Ermittlungsbehörden bereits seit einigen Jahren. Blaus Artikel waren 2008 erschienen, sofort begann die intensive Suche nach der undichten Stelle im Militär. Unter Druck willigte der Reporter zunächst in einen Handel mit der Staatsanwaltschaft ein, die ihm Berichten zufolge Straffreiheit zusicherte, wenn er die brisanten Unterlagen aushändigte.

Israels Medien reagieren zumeist empört

Als jedoch Anat Kamm aufgeflogen war, stellte sich heraus, dass Blau offenbar nur einen kleinen Teil der erhaltenen Dokumente zurückgegeben und diese zuvor noch kopiert hatte. Er setzte sich daraufhin nach London ab und kehrte erst im Herbst 2010 zurück, um alle geforderten Unterlagen abzuliefern. Der Generalstaatsanwalt stützt die Anklage nun darauf, dass Blau dem Staat Israel schweren Schaden hätte zufügen können, wenn die brisanten Unterlagen in Feindeshand gelangt wären.

Israels Medien reagierten zumeist empört auf die Strafverfolgung des Kollegen. Haaretz sprach relativ zurückhaltend von einem "bedauerlichen" Beschluss, der "Auswirkungen auf die Pressefreiheit in Israel" haben werde. Sieben Militärkorrespondenten konkurrierender Medien warnten in einer Erklärung, hier werde "eine rote Linie überschritten". Der Jerusalemer Journalistenverband nannte die Entscheidung zur Anklage "enttäuschend und beschämend". Dies stelle in Frage, "ob Israel noch ein demokratischer Staat" sei. Am Sonntag rief die Vereinigung zu einer Protestveranstaltung vor dem Justizministerium auf.

Aus der Politik kamen jedoch auch deutliche Signale der Genugtuung. Eine Abgeordnete der regierenden Kadima-Partei urteilte, der Reporter Blau habe mit seinen Berichten "Israels Sicherheit gefährdet". Der rechtsnationalistische Parlamentarier Michael Ben-Ari erklärte, "es ist an der Zeit, dass Haaretz, eine Brutstätte für Landesverräter wie Blau, wegen Hochverrats der Prozess gemacht wird".

© SZ vom 02.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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