Jim Walton verlässt CNN:Immer abwärts

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CNN-USA, der amerikanische Heimatkanal des selbst ernannten "Worldwide Leader in News", steckt im Quoten-Kampf und riskiert, mit seichten bis halbseriösen Inszenierungen die eigene Identität zu ruinieren. Nun gibt Präsident Jim Walton auf - man weiß nicht weiter.

Christian Wernicke

Es geschah Ende Mai. Soeben hatte CNN, per Branchenbericht über miserable Einschaltquoten, neuen Schaden genommen. Da sorgte ausgerechnet Donald Trump, Multi-Millionär und Egoman, für den Spott: Wolf Blitzer, nachmittäglicher Star-Moderator des Kabelsenders, hatte Trump am Telefon, um "The Donald" zu dessen so alten wie absurden Behauptungen zu befragen, Barack Obama habe seine Geburtsurkunde gefälscht und sei ein illegitimer US-Präsident.

Jim Walton, Präsident von CNN Worldwide, verlässt den Sender. (Foto: AP)

"Viele Menschen glauben nicht, dass es authentisch ist", schwadronierte Trump, "und ehrlich gesagt: Wenn Ihr das präzise berichten würdet, hätte Ihr wahrscheinlich bessere Ratings." Das Live-Gespräch wurde hitzig, Trump und der ansonsten chronisch unterkühlte Blitzer hielten sich gegenseitig vor, "lächerlich" zu wirken. Da trat Trump nach: Der wahre Grund, warum CNN seine Vorwürfe aufgreife, sei doch, "weil ihr spürt, dass es wahrscheinlich ein paar mehr Leute dazu bringt, Euren Sender einzuschalten."

Das tat weh. Weil es stimmt: CNN-USA, der amerikanische Heimatkanal des selbst ernannten "Worldwide Leader in News" produzierte im Mai die schlechtesten Ratings seit zwanzig Jahren - und riskiert im Quoten-Kampf, sich mit seichten bis halbseriösen Inszenierungen die eigene Identität zu ruinieren. An einem durchschnittlichen TV-Abend wollen nur noch 395.000 Amerikaner CNN sehen; Fox-News, der stramm rechte Konkurrent, lockt fünfmal so viele Zuschauer; MSNBC, das linke Pendant, hat längst doppelt so viel Resonanz.

Niemand im Hauptquartier in Atlanta weiß ein Konzept gegen diese Abwärtsspirale - weshalb Jim Walton, seit fast zehn Jahren der Präsident von CNN Worldwide, nun zum Jahresende aufgibt. "CNN braucht neues Denken", schrieb Walton seinen weltweit 4000 Mitarbeitern per E-Mail. Ein neuer Chef müsse her, "mit einer anderen Perspektive, anderer Erfahrung und einem neuen Plan."

Zerrieben von Fox und MSNBC

Walton, der vor 30 Jahren bei CNN anheuerte, stand für die traditionelle Schule: Verlässliche News, rund um die Uhr kompetent, schnell und möglichst exklusiv aufbereitet. Dank gestiegener Kabelgebühren und großen Zulaufs auf seiner digitalen Plattform macht der Konzern noch guten Profit, dieses Jahr wohl 600 Millionen Dollar. Doch CNNs Stärke, die News, ist zugleich der Fluch: "Die Leute brauchen CNN für die Nachrichten nicht mehr", sagt Frank Sesno, ehemaliger CNN-Korrespondent, der schon vor Jahren auf den Lehrstuhl für Medienwissenschaften an der George Washington University enteilte. News gebe es online frei Haus - vorm Fernseher suchten die Kunden hernach meinungsstarke Personen, die per Einordnung ihre Weltsicht bestätigten.

Da sitzt CNN in der Klemme, zwischen beiden Polit-Lagern, zerrieben von Fox und MSNBC. Klare Meinung, strikt linientreu, bieten die beiden Radau-Kanäle. CNN versucht derweil schrilles "Sowohl-als-auch", indem es im Studio Demokraten und Republikaner aufeinander hetzt, die sich ständig dieselben Phrasen an den Kopf werfen. Zunehmend verzweifelt rekrutiert der Sender eitle Moderatoren wie Erin Burnett o der den selbstverliebten Briten Piers Morgan. Sie sollen zur Prime Time das Publikum binden. Keiner bewies Haftkraft. In Atlanta geht die Sorge um, ein neuer Chef werde CNN nun mehr Kampagnenjournalismus à la Fox oder MSNBC verordnen. Niemand kennt Namen, niemand ahnt, ob CNN nach rechts oder links driftet. Wahrscheinlich ist, dass es weiter abwärts geht.

© SZ vom 31.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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