Da sitzen also drei der wichtigen Meinungsführer Deutschlands und denken darüber nach, wie es heute aussieht mit der Meinungsführerschaft. Wer sie noch hat, vielleicht auch: wer wie viel Widerspruch aushalten muss. Der Journalist und Verleger Jakob Augstein ist in der Dokumentation Die empörte Republik unterwegs durch Deutschland und sucht die großen Debatten dieser Zeit. Man ahnt es schon: Er landet auch im Internet. Es wäre leicht, sich darüber lustig zu machen, aber man glaubt ihm sein ernsthaftes Interesse - und wird am Ende überrascht.
Augstein, 52, selbst Co-Autor des Films, sitzt nachdenklich in den Laptop guckend am Schreibtisch und nachdenklich in den Laptop guckend im ICE. Er besucht den Welt-Herausgeber Stefan Aust, 73, und den Kolumnisten Jan Fleischhauer, 57, mit beiden spricht er über die vermeintlich gute alte Zeit. In der hatten noch ein paar wenige die Diskurshoheit, konnten also entscheiden, worüber die Öffentlichkeit redet. Heute ist das nicht mehr so, weil: Internet. Theoretisch zumindest.
"Du bist doch selber ein Skandalisierungsbeschleuniger"
Womöglich finden online die Idioten besonders viel Gehör, fürchtet Augstein, der selbst 257 000 Twitter-Follower hat. Man empört sich dort demnach vor allem über das Thema Migration, die Empörung - obwohl eigentlich politisch wichtig - laufe aber ins Nichts. Man lässt sich in den Chesterfield-Ledersesseln des Springer-Hochhauses Heißgetränke servieren. Stefan Aust, 77 000 Follower, sagt, die Mehrheit der Medien sei im Prinzip einer Meinung. Auch deswegen gebe es weniger Debatte. Dann fährt Augstein zu seinem Freund Jan Fleischhauer, 123 000 Follower, der in Sakko und Einstecktuch am Esstisch empfängt, und schleudert ihm so schöne Sätze entgegen wie "Du bist doch selber ein Skandalisierungsbeschleuniger" und "Hast du denn gar keine Überzeugungen?".
Augstein schaut auch bei Google vorbei und fährt zur Ex-Europa-Abgeordneten Julia Reda, 32. Sie widerspricht seinem Eindruck, dass Rechte das Netz besser zu nutzen wüssten. Im Gegenteil: Für marginalisierte Gruppen sei es notwendig, um endlich überhaupt gehört zu werden. Man sollte diesen Film unbedingt bis ganz zum Ende sehen. Denn da hält er einen feinen Moment der Erkenntnis bereit: "Es sind vor allem ältere Leute, die da rumpöbeln", sagt Augstein im Film, "Leute in meinem Alter, die mit diesen technologischen Möglichkeiten nicht zurecht kommen." Vielleicht werde die Debatte ziviler und produktiver, wenn sie von Jüngeren geführt werde, die mit der Technik umzugehen wüssten. Und dann fügt er noch hinzu: "Muss aber nicht so sein."
Die empörte Republik . 3sat, Samstag, 19.20 Uhr.