Hörspiel "28 Tage lang":Misstrauen

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Für den Autor David Safier ist die Shoa auch Familiengeschichte - seine Großmutter starb im Ghetto von Łódź. (Foto: Oscar Gonzalez/imago/ZUMA Press)

Werktreu: Die Hörspielfassung von David Safiers Bestseller über das Warschauer Ghetto.

Von Stefan Fischer

Es ist der Frühling 1943. Trotz des Hungers und der ständigen Lebensgefahr durch die Deutschen ist für viele Juden im Warschauer Ghetto das Schlimmste, weil Entmutigendste: das gegenseitige Misstrauen und die mangelnde Solidarität untereinander. So schilderte es der Autor David Safier in seinem Bestseller-Roman 28 Tage lang, den Ulrich Lampen als Hörspiel-Dreiteiler für Radio Bremen inszeniert hat.

Mira, die Hauptfigur, schmuggelt Lebensmittel vom Warschauer Markt ins Ghetto, wo sie sie einem Händler verkauft, der dazu neigt, sie übers Ohr zu hauen. Als sie sich der Schmugglerorganisation von Schmul Ascher anschließen will, demütigt dieser die junge Frau sexuell. Schließlich wird Mira mit einem Messer attackiert, weil sie zufällig eine illegale Druckerei im Ghetto entdeckt. Auch hier traut man ihr nicht.

Safier, dessen Großeltern im Holocaust starben, schildert eingängig den schwierigen, lebensbedrohlichen Alltag der durch das nationalsozialistische Regime im Warschauer Ghetto inhaftierten und von der Deportation bedrohten Juden. Der Titel, 28 Tage lang, bezieht sich auf die Dauer des Aufstands im Ghetto im Frühling 1943, auch wenn sich die Handlung über einen längeren Zeitraum erstreckt.

Es ist eine auch in der Hörspielfassung recht konventionell erzählte Geschichte, die den Großteil ihrer Helden davonkommen lässt und ihnen so viel Lebensglück zugesteht, dass sie tatsächlich die Wahlfreiheit haben, was für ein Mensch sie sein wollen. 28 Tage lang zielt auf ein großes Publikum. Der Roman war extrem erfolgreich, er wird an Schulen als Lehrmaterial zum Thema Holocaust eingesetzt. Nicht nur mit 28 Tage lang, sondern auch mit Büchern wie Mieses Karma und Jesus liebt dich erreicht Safier eine Millionenauflage.

Eigentlich ist es unerfreulich, wenn Hörspiele nur Vorlagen reproduzieren, die sich ohnehin bereits durchgesetzt haben. In diesem Fall verhilft die Produktion aber einem wichtigen Thema zu neuerlicher Aufmerksamkeit. Auch spricht das erstklassige Ensemble für die Inszenierung: Angela Winkler ist als Erzählerin zu hören, Elisa Schlott, Patrick Güldenberg, Ulrike Krumbiegel und Ole Lagerpusch spielen die Hauptrollen. Und selbst Nebenfiguren sind mit Leuten wie Bernd Stegemann, Paul Herwig und Peter Jordan hervorragend besetzt.

28 Tage lang, Bremen Zwei, 25. April, 18 Uhr, Teil 2: 1. Mai, 19 Uhr, Teil 3: 9. Mai, 18 Uhr. Von 22. April an in der ARD-Audiothek .

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