Podcast-Tipps:Das sind die Podcasts des Monats

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Illustration: Luis Murschetz

Autorinnen und Autoren erkunden das Fremde. Manchmal entdecken sie es in der eigenen Familie: unsere Empfehlungen für April.

Von SZ-Autoren

My Grand Story

mygrandstory.org

Das hätte ich dir gar nicht zugetraut! Solche Bemerkungen hat Mohanna Azarmandi in ihrer Karriere oft gehört. Sie kam als Siebenjährige mit ihrer Familie aus dem Iran nach Deutschland. Heute ist sie Chief Learning Officer bei Microsoft Deutschland. "Von Einwanderern erwarten wir, dass sie Gemüsehändler und Taxifahrer sind - oder im schlechtesten Fall Kriminelle", sagt der Redakteur des Podcasts, Jussof Breshna. Aber Abteilungsleiterin bei Microsoft? Eher nicht. Mit My Grand Story möchte Breshna, der selbst als Kind mit seinen Eltern aus Afghanistan floh und heute als Finanzinvestor arbeitet, eingefahrene Denkmuster durcheinanderbringen. In jeder Folge stellt er erfolgreiche Menschen mit ungewöhnlichen Werdegängen vor. So kratzt der Podcast angenehm an den eigenen Stereotypen, etwa wenn man Azarmandis exquisitem Deutsch lauscht. Und er wärmt das Herz, wenn man sich vom Erfolg des Havard-Absolventen und Kindes syrischer Einwanderer Ijad Madisch mitreißen lässt. Denn obwohl man ihm für sein Start-up-Unternehmen im Silicon Valley den Teppich ausrollte, wählte er Berlin, seine Heimat - und gibt heute der Kanzlerin Tipps zur Digitalisierung, hach! Nina von Hardenberg

Voice Versa

deutschlandfunkkultur.de/voiceversa

Die Amtssprache ist hierzulande Deutsch. Aber es ist beileibe nicht die einzige Sprache, die in diesem Land gesprochen wird. Auf den Straßen hört man etliche andere. In den Medien eher nicht. Deutschlandfunk Kultur und das Goethe-Institut setzen diesem Mangel einen Podcast entgegen: Autorinnen und Autoren mit einer Migrationsgeschichte erzählen, oft in Zweierteams, reale und fiktive Erlebnisse. Auf Deutsch und in einer zweiten Sprache. Arabisch, Bengalisch, Litauisch ... Es geht in diesen Geschichten um Identität, um einen Wechsel der Perspektiven. Die erste Folge beginnt mit zwei solcher Erzählungen, in den weiteren Episoden kommen neue hinzu, andere enden oder pausieren. Dominik Djialeu ist ein charmanter Gastgeber, der dafür sorgt, dass man den Überblick nicht verliert und auch die Erzählerinnen und Erfinder der Geschichten kennenlernt. Stefan Fischer

Taxi

residenztheater.de

Rosa Kaplan fasst einen Plan. Ihre zwei Söhne hat sie verloren, den einen, als der noch ein Baby war, den anderen im Krieg, der schon immer da war und noch immer da ist, dort, wo sie lebt. Rosa hat also ihre Kinder verloren, hört aber nicht auf, Mutter zu sein. Einen namenlosen jungen Mann, Kriegswaise, umgedrehter Spiegel ihrer eigenen Geschichte, wählt sie aus als Hauptdarsteller einer Erzählung, die sie sich selbst ausgedacht hat. Eine Erzählung von glücklicher Heimkehr, eine Erzählung im Stil einer Netflix-Serie, rasant, pointiert, in einem Nirgendwo verortet, das jeden Krieg meint. Aber halt, so weit sind wir noch nicht. Das Münchner Residenztheater lässt Cemile Sahins Roman "Taxi" im Podcast entstehen. Zwei Ensemblemitglieder, Robert Dölle und Cathrin Störmer, lesen den Text, jeden Tag kommt ein Kapitel hinzu. Noch werden Spuren zusammengetragen, winzige, exakt formulierte Details, über Folter, Gewalt, Krieg, über Herkunft und zerstörtes Leben. Im Kopf formt sich ein Bild, ein Panorama, kommt einem Dölles Stimme so nahe, als wäre diese Erzählung eine intime Beichte. Sahin, geboren 1990 in Wiesbaden, verstörte vor zwei Jahren mit ihrem Debüt die Literaturszene, mit ihrer aufgeregten Lakonie und ihrer Coolness. Gehört wirkt das noch besser als gelesen. Egbert Tholl

Sohn sucht Vater

br.de/mediathek/podcast

In diesem sechsteiligen Podcast erzählt der Bayern-1-Radiomoderator Thorsten Otto von der Suche nach seinem leiblichen Vater. Es entfaltet sich eine intime Familiengeschichte, der man gespannt zuhört, da jede Folge eine neue Frage aufwirft: Warum hat Ottos Mutter ihm erst im Alter von 13 Jahren erzählt, dass er adoptiert wurde? Wusste sein Vater damals von der Schwangerschaft? Ist Otto heute selbst ein besserer Vater? In Gesprächen mit seiner Familie sucht Thorsten Otto nach Antworten. Erinnerungen werden durch szenische Aufnahmen lebendig, insgesamt macht die Authentizität der Aufnahmen diesen Podcast besonders hörenswert. Vor allem die Begegnungen zwischen Vater und Sohn sind packend. Sie erzählen schonungslos ehrlich davon, wie sich erst nach langer Zeit eine enge Beziehung zwischen den beiden entwickeln konnte. Sabina Zollner

sz.de/podcast-tipps

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