Remake von "Haus des Geldes":Reichlich verklemmt

Lesezeit: 3 min

Neue Mannschaft, alte Geschichte: Die koreanische Version des Netflix-Hits "Haus des Geldes" mit (von links) Jeon Jong-seo als "Tokio", Lee Hyun-woo als "Rio" sowie Jang Yoon-ju, Park Hae-soo, Lee Won-jong, Kim Ji-hun. (Foto: Jung Jaegu/Netflix)

Was die koreanische Neuauflage der Serie "Haus des Geldes" vom spanischen Original unterscheidet.

Von Thomas Hahn

Das Geschäft mit den neuen Ideen wird nicht leichter im Film- und Serien-Gewerbe. Es gab schon so viele Geschichten, fast jede scheint mittlerweile erzählt worden zu sein. Die Genre-Unterhaltung nimmt Produzenten und Drehbuchautoren immerhin ein bisschen den Druck, immer wieder etwas ganz Neues zu erfinden. Heist-Movies, also Gaunerfilme, in den verschiedensten Varianten bewähren sich zum Beispiel beim Publikum. Aber die kreativen Kräfte stoßen auch hier an ihre Grenzen. Rettung verheißt das sogenannte Remake. Man dreht eine erfolgreiche Sendung einfach noch mal mit anderer Besetzung. Netflix legt gerade ein besonders anschauliches Beispiel für diese Art des Kreativrecyclings vor.

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Haus des Geldes: Korea, jetzt neu im Programm des US-Streaming-Dienstes, ist genau das, was der Titel sagt: Die koreanische Version des spanischen Heist-Movie-Hits Haus des Geldes um den Raubüberfall einer uniformierten Bande mit Mastermind im Hintergrund. Haus des Geldes war 2017 unter dem Titel La casa de papel (Das Schloss aus Papier) zunächst ein Flop im spanischen Fernsehen. Dann erwarb Netflix die Streaming-Rechte und machte daraus einen Welterfolg mit Emmy-Gewinn, drei zusätzlichen Staffeln und zwei PR-Dokumentationen. Im Dezember kam die letzte Episode heraus, trotzdem sah man noch kommerzielles Potential. Also übergab Netflix das Serien-Konzept zwei südkoreanischen Entertainment-Firmen, um daraus einen neuen Zuschauer-Magneten für den asiatischen Markt zu machen. Es funktioniert, zumindest bei einem ersten Blick auf die Zahlen: viele Spitzenplätze in diversen Netflix-Charts.

Aber inhaltlich? Na ja.

Es wurde Wert darauf gelegt, dass keine ganz neue Atmosphäre entsteht

Das südkoreanische Autoren-Team hat sich an die spanische Vorlage von Álex Pina gehalten: Ein feingliedriger Professor sammelt ein Team aus schrulligen Kriminellen für einen Überfall auf die nationale Münzanstalt, um sich ein Vermögen zu drucken. Es gibt Geiseldramen und Konflikte im Team. Tokio, Rio, Berlin, Nairobi, Denver, Oslo und Helsinki - die Spitznamen der Diebinnen und Diebe sind gleich, die Charaktere ähneln sich. Bei der Besetzung wurde Wert darauf gelegt, dass keine ganz neue Atmosphäre entsteht. Jeon Jong-seo bringt als Tokio zum Beispiel die gleiche finstere Weiblichkeit ein wie ihr Pendant Úrsula Corberó im Original. Park Hae-soo, bekannt aus der preisgekrönten Survival-Serie Squid Game, verleiht dem umstrittenen Anführer Berlin eine ähnlich herrenhafte Kühle wie vor ihm schon Pedro Alonso.

Originalserie von Álex Pina mit Úrsula Corberó als "Tokio" und Miguel Herrán als "Rio". (Foto: Netflix)

Immerhin, das koreanische Element der Neuauflage wird deutlich. Und zwar nicht nur, weil die Protagonisten mit Stäbchen essen und statt Salvador-Dalì-Masken traditionelle koreanische Hahoe-Masken tragen. Sondern auch, weil es im koreanischen Haus des Geldes eher verklemmt zugeht im Vergleich zur spanischen Version mit ihren anzüglichen Dialogen und zahlreichen Liebesakten; Südkorea ist noch recht konservativ beim Zwischenmenschlichen. Und: Die Serie beginnt 2025 auf der wiedervereinigten koreanischen Halbinsel. Nord- und Südkorea haben eine gemeinsame Wirtschaftszone gegründet, die Grenze ist offen. Tokio, eine K-Pop-begeisterte Ex-Soldatin aus Pjöngjang, schlägt sich mit Gewalt durch die Kälte des Seouler Kapitalismus, ehe der Professor sie rekrutiert. Aus der Nord-Süd-Konstellation ergeben sich insgesamt spannende Konflikte unter Gangstern und Geiseln.

In der Serie ist Korea wiedervereinigt - in Wirklichkeit ist die Chance dafür gleich null

Das nordkoreanische Denken bleibt trotzdem seltsam unterbelichtet. Was genau macht das Zusammenwachsen der beiden Koreas eigentlich so schwierig? Aber eine wirklich feinsinnige Erörterung dieser Frage kann man wohl auch nicht erwarten von einem Unterhaltungsprodukt, das möglichst schnell an die Erfolge anderer K-Dramen wie Squid Game anknüpfen soll. Zumal es im wirklichen Korea nach Stand der Dinge keine Chance auf Wiedervereinigung gibt. Wegen Corona ist die Parteidiktatur im Norden gerade so abgeschottet, dass niemand recherchieren kann, was die Menschen dort über die Landsleute auf der anderen Seite des streng bewachten, vier Kilometer tiefen Grenzstreifens denken.

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Netflix kriselt gerade ein bisschen, und Asien bietet noch Wachstumschancen. Also sucht Netflix sein Heil unter anderem in routinierter Action mit viel Pistolen-Geklicke und effektvollen Spannungswechseln. Wie in Haus des Geldes: Korea eben. Der Inhalt war den Machern hier nie sehr wichtig. Es ging darum, möglichst viele Zuschauer zu finden, die die aufgewärmte Ware nicht langweilt. Das sieht man der Serie an.

"Haus des Geldes, Korea", auf Netflix.

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