Finale von "Let's Dance":Albtraumfahrt auf der MS Remmidemmi

Lesezeit: 3 min

Strahlende Sieger: Hans Sarpei and Kathrin Menzinger. (Foto: Getty Images)

Tänzer strömen auf die Bühne, Disco-Beats, Lichtblitze, Glitzerkleidchen, Feuerwerk: "Let's Dance" - das ist wie Urlaub auf dem Clubschiff. Unerträglich. Wäre da nicht ein blinder Passagier namens Hans Sarpei.

Von Johanna Bruckner

Zum Start ein kleines Gedankenexperiment, und weil Freitagabend ist, dürfen Sie Ihrer Fantasie auf die Sprünge helfen - am besten nehmen Sie dazu ein alkoholisches Getränk, in das man ein kleines buntes Schirmchen stecken kann. Fertig? Ja, nehmen Sie ruhig noch einen Schluck, Sie sind schließlich im Urlaub. Das Clubschiff hat abgelegt, das All-inclusive-Bändchen sitzt, und dann geht sie auch schon los, die große Abendshow an Bord: Tänzer strömen auf die Bühne, Disco-Beats, Lichtblitze, Glitzerkleidchen, Feuerwerk. Bäm! Willkommen auf der MS Remmidemmi, willkommen bei Let's Dance. Vielleicht bestellen Sie sich gleich noch einen Drink.

"Dschungelcamp" mit Daniel Hartwich
:Moderations-Maschine

"Sympathisch", "lustig", "spontan": So wird RTL-Moderator Daniel Hartwich beschrieben. Bisher avancierte eher seine Hornbrille denn sein Moderationsstil zum Markenzeichen des 34-Jährigen. Nach Dirk Bachs Tod steht er nun am Dschungel-Mikrofon - und wird beweisen müssen, dass er mehr kann, als Bachs Erfolgsmasche zu imitieren.

Von Vanessa Steinmetz

Gut, das war jetzt ein bisschen unfair, schließlich ist der deutsche Ableger des Tanzwettbewerbs eine der erfolgreichsten Shows im deutschen Privatfernsehen. Bester Wert der aktuellen, achten Staffel: etwa 20 Prozent Marktanteil in der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen. Quotentechnisch liegt das Format damit vor Germany's Next Topmodel (ProSieben), erreicht für RTL ähnlich gute Werte wie DSDS oder Das Supertalent. Nur das Dschungelcamp ist weit weg - was aber sicher nicht an den Teilnehmern liegt.

Sylvie Meis kommt im schwarzen Federfummel

Die machen in der ersten Minute des Finales am Freitabend mehr Dampf als die diesjährigen Dschungelbewohner in 16 Tagen im australischen Busch. Mit tatkräftiger Unterstützung von Licht- und Pyrotechnikern. Und ja, auch die Musik fetzt, wie es im Clubschiff-Jargon heißen würde. "Steht das Studio noch?", fragt Moderator Daniel Hartwich nicht umsonst, als er das Parkett betritt. An seinem Arm Co-Moderatorin Sylvie Meis (vormals: van der Vaart) in einem - man ist fast geneigt zu sagen: augenschonenden - schwarzen Federfummel.

Ansonsten passt die gebürtige Niederländerin aber wunderbar ins Team der Clubschiff-Animateure. Sie kündigt das Programm des Abends an: Die drei Finalisten, Ex-Gewichtheber Matthias Steiner, Ex-Fußballspieler Hans Sarpei und Schauspielerin Minh-Khai Phan-Thi, absolvieren zunächst Jury-Tanz und Lieblingstanz - "und dann, der Hammer - brandneue Freestyles". Das könnte charmant-ironisch wie einst bei Rudi Carrell klingen, aber Sylvie Meis meint das durchaus ernst. Später lobt sie Steiner: "Die Hebungen sind weg!" - und meint: Hemmungen. Kicher, kicher.

Richtig harte Arbeit

Tatsächlich lustig wird es, wenn Juror Jorge González, der als Catwalk-Trainer der Klum-Klone bekannt wurde, den Mund aufmacht. Dann versteht man überhaupt nichts mehr. Aber mit einem Zug aus dem Schirmchen-Drink lässt sich das Kauderwelsch wunderbar als meditative Pause nutzen. Bis wieder eines der Tanzpaare ins Bild kommt, um in einem knalligen Kostüm zu knalliger Musik zu tanzen. Musikalischer Tiefpunkt: ein Andreas-Gabalier-Medley mit Techno-Crescendo. Und für das Salsa-Hemd von Matthias Steiner müsste ein eigener Farbton erfunden werden, "aggressiver Lachs", böte sich an. Wobei selbst der Terrorfisch untergeht im Lichtblitzgewitter.

Ständig zuckt und blinkt es auf dem Tanzparkett, die Konzentration auf die sportliche und künstlerische Leistung fällt schwer. Und die macht für Fans der Sendung wohl den Reiz aus: In vier Monaten, so zeigen es die Einspieler, wurden aus (mehr oder weniger) steifen Promis leichtfüßige Tänzer. Das ist natürlich richtig harte Arbeit, und so darf in der einen oder anderen Rückblende ordentlich geschimpft und gestöhnt werden. Und dekorativ aus den Augenwinkeln gedrückte Tränchen ob dieser lebensverändernden Metamorphose gehen auch immer. Es ist die alte Reality-TV-Parole: Quäl' dich, dann wird dich der Zuschauer lieben.

Ein anderes Paar bekommt die Höchstpunktzahl von der Jury

In der Live-Show wird daraus ungeplant Ernst. Matthias Steiners Tanzpartnerin Ekaterina Leonova knickt beim "Freestyle" zum erwähnten Gabalier-Medley um - bringt den Tanz aber zu Ende. Erst dann sinkt sie zu Boden, bleibt schmerzgekrümmt sitzen. Moderator Hartwich ist sichtlich überfordert, mehr als "Oh Gott!" und "Wuäääh, das wird aber dick!" fällt im nicht ein. Der Gewichtheber trägt seine verletzte Tanzpartnerin schließlich vom Parkett, am Ende werden die beiden Dritte.

Theatralik: ja, echte Emotion: wuäääh, nein. Folgerichtig müssten eigentlich Minkh-Khai Phan Thi und Massimo Sinató gewinnen. Die versammelte Jury - neben Jorge González die ehemaligen Profi-Tänzer Motsi Mabuse und Joachim Llambi - tut jedenfalls alles, damit der Abend genau so ausgeht. Gleich bei zwei Tänzen bekommt das Paar die Höchstpunktzahl. O-Ton Jorge González: "Du hast getanzt wie eine Gothin." Und auch Moderatin Sylvie Meis tut gar nicht erst so, als sei sie unparteiisch.

"Chuck Norris des Fußballs" als blinder Passagier

So hat der Zuschauer kaum Hoffnung, dass doch noch Hans Sarpei und Tanzpartnerin Kathrin Menzinger als Sieger hervorgehen. Der "Chuck Norris des Fußballs" ist bei Let's Dance eher so etwas ist wie der blinde Passagier. Beim Tanzen schlenkert er unwiderstehlich mit seinen Glieder und ist sich für eine Booty-Shake-Einlage nicht zu fein. Seine Tänze feiert er, bevor er überhaupt getanzt hat, und nach der Punktevergabe sagt er: "Ist mir egal."

Doch um kurz nach Mitternacht ist dann tatsächlich dieser Hans Sarpei "Dancing Star 2015". Und was tut er? Legt sich auf die Planken und zuckt wie ein Käfer auf LSD. Wie hatte kurz zuvor Sarpeis Freund Giovane Élber in einem Einspieler prophezeit: "Ich sehe schon überall in Deutschland: 'Tanzschule Hans Sarpei'."

Das wäre doch mal eine echte Alternative zu Albtraumfahrten auf der MS Remmidemmi.

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Anm. d. Red.: In der ersten Version dieses Artikels hieß es, das Zitat von Hans Sarpei sei vor der Punktevergabe gefallen - wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.

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