Spielfilmtipps zum Wochenende:Attacke auf die Kleinhirne

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"Tenet" oder: Wenn schöne, umwerfend elegante Menschen (hier: Elizabeth Debicki und Kenneth Branagh) seltsame Dinge tun. Für die einen ist der Film voller sinnlicher Momente; für die anderen Humbug. Irgendwo in der Mitte wird ein typisch untypisches Christopher-Nolan-Abenteuer daraus. (Foto: Melinda Sue Gordon / Warner Bros./imago images/Cinema Publishers)

"Traffic", "Stirb langsam III", "Tenet" und "Dunkirk": die Fernsehtipps zum Wochenende.

Von Milan Pavlovic

Traffic

Drama, RBB, Samstag, 23.30 Uhr

Mit Chuzpe und Überzeugung ausgestattet, pendelt Steven Soderbergh in diesem kühnen, kühlen Kunststück zwischen drei Geschichten in total unterschiedlichen Milieus. Das, was Pusher und Politiker, Junkies und Cops verbindet, ist der Fluss der Drogen zwischen Mexiko und den USA. Im Jahr 2000, das Streaming-Zeitalter mit seinen Multierzählebenen hatte noch nicht begonnen, folgte man mit großen Augen den unzähligen Verästelungen und gut drei Dutzend wichtigen Charakteren, deren Wege sich berühren, manchmal kreuzen, aber nie in eine Richtung verlaufen. Das formidabel besetzte Drama war die Adaption der BBC-Miniserie Traffik (1989). Einzig die mexikanische Episode (mit Benicio del Toro) wurde neu erfunden - und ist kurioserweise die beste, weil vor den TV-Serien Breaking Bad (ab 2008) und Narcos (2015) alles unbekannt und unberechenbar wirkte.

Stirb langsam III

Action, RTL, Sonntag, 20.15 Uhr

Amerikaner benutzen den Begriff "No- Brainer", um klarzumachen, wie selbstverständlich etwas ist. Er bedeutet aber auch, auf Filme bezogen, dass man sein Kleinhirn an der Kinokasse abgibt oder es während eines Abends auf dem Sofa auf Stand-by schaltet. Es folgen 90 bis 120 - derzeit leider oft auch 150 - Minuten, in denen man die Sinne kneten lässt und hofft, keine bleibenden Schäden davonzutragen. Die ersten 90 Minuten von Stirb langsam: Jetzt erst recht (1995) gehören zum Besten, was das Genre bieten kann: Der abgetakelte Cop McClane (Bruce Willis) und ein schwarzer "Samariter" (Samuel L. Jackson) werden zum Rätsellösen durch New York gehetzt, während um die Ecke Goldbarren verladen werden. Doofe Kapriolen im letzten Drittel mindern das Vergnügen, aber in Erinnerung bleibt zum Glück das neckische Zusammenspiel der Stars.

Tenet

Actioner, Pro Sieben, Sonntag, 20.15 Uhr

Es hat nie jemand verlangt, dass das Kino ein Äquivalent zu Einsteins Relativitätstheorie bieten muss. Oder doch? Christopher Nolan hat uns seit seinen grenzwertig prätentiösen -Frühwerken ( Following, Memento) oft glauben gemacht, er kenne all die Antworten auf alle Fragen zum Gestern, Heute und Morgen. Teufel auch, Inception wurde auf diese Weise zu einem der großen unerwarteten Kinohits des 21. Jahrhunderts. Irgendwo zwischen No- und All-Brainer schwankt Tenet, ein unfasslich elegantes Agenten-Abenteuer, in dem die Hauptfiguren für ihre (illegalen) Zwecke Vergangenheit und Futur II so dehnen, dass die Welt und unsere Kleinhirne zu platzen drohen. Egal, wie man das findet: Nolan gebührt ewiger Dank dafür, dass er die Kinowelt im Sommer 2020 mit der elektrisierenden Eröffnungsszene von Tenet aus dem Corona-Koma weckte.

Dunkirk

Kriegsdrama, Pro Sieben, Sonntag, 23.25 Uhr

Christopher Nolan hat stets mit den Gesetzen von Raum und Zeit gespielt. Er pulverisierte in praktisch jeder Hinsicht die linearen Vorstellungen von Sekunden, Minuten und Stunden. In Dunkirk wagt Nolan noch mehr: Er unterteilt den Film in drei Geschichten und Zeitstränge. Während die Episode mit einem englischen Spitfire-Piloten (Tom Hardy) eine Stunde dauert und die Rettungsoperation von englischen Zivilisten mit kleinen Bötchen einen Tag in Anspruch nimmt, deckt die nervenzehrende Situation am Strand von Dünkirchen eine Woche ab. Vielleicht noch nie in einem Kinofilm wurde einem Zeit und ihr Vergehen so plastisch und akut nähergebracht wie hier, forciert auch durch Hans Zimmers subtilen Score, der abwechselnd nagend und treibend ist. Der Rest ist ein kompromissloser, unsentimentaler, exzellenter Kriegsfilm.

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