Expertin zum Fernsehkonsum von Kindern:"Kinder davon fernzuhalten ist fast unmöglich"

Lesezeit: 3 Min.

Die Jung-Hexen aus der Kinderserie "Winx Club". (Foto: Twitter/WinxLovely)

Was können Kinder im Fernsehen gucken, was sollten sie besser nicht sehen? Medienpädagogin Maya Götz über die Rolle der Eltern beim TV-Konsum - und die Gefahr von Disney-Klassikern.

Von Kathrin Stein

Maya Götz leitet seit 16 Jahren das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen des Bayerischen Rundfunks. Mit Kinderfernsehen kennt sich die Medienwissenschaftlerin auch privat aus, die 48-Jährige hat selbst zwei Töchter.

SZ: Frau Götz, ab wann dürfen Kinder überhaupt Fernsehen?

Maya Götz: Fernsehen macht ab etwa zwei Jahren Sinn. Vorher sehen die Kinder einzelne Bilder, erkennen Charaktere, verstehen aber die Zusammenhänge nicht. Es ist ein bisschen, als würden sie in ein Kaleidoskop schauen: Das eine oder andere erkennen sie, der Gesamteindruck ist aber einfach nur schön bunt.

Und was sollten sie gucken?

Bei Sendungen für die Kleinsten kommt es auf vier Dinge an: eine einfache, altersgerechte Geschichte, kurze Szenen, die ihrer Aufmerksamkeitsspanne entsprechen und klare Bilder. Zeichentrickserien und -filme sind in diesem Alter am geeignetsten. Deshalb waren damals auch die Teletubbies so erfolgreich.

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Oft gibt es in Comics humoristische Elemente. Verstehen Kinder diese Späße?

Den Humor von Vorschulkindern zu treffen, ist extrem schwierig. Außerdem müssen Fernsehmacher aufpassen, wie eine Figur in der Serie handelt. Kleine Kinder verzeihen einem Charakter nicht, wenn er moralisch falsch handelt, sie sind ganz entsetzt darüber, wenn sie von den Eltern etwas gelernt haben - und das Verhalten der Figuren dem nicht entspricht. Mädchen mögen es zum Beispiel nicht so gerne, wenn eine männliche Figur einen weiblichen Charakter ärgert. Nach dem Motto: "Das darf der doch gar nicht!" Ohnehin ist das Fernsehen für Vorschulkinder das falsche Medium, um zu lernen. Sie erforschen die Welt eher durch Tasten, Schmecken, Tun. Trotzdem kann Fernsehen diese Entdeckungsreise zusätzlich fördern, wenn die Sendungen zum Mitmachen anregen.

Ist es nicht förderlicher, sich mit Kleinkindern zu beschäftigen, statt sie vor den Fernseher zu setzen?

Natürlich. Aber das Medium Fernsehen gehört heute zum Alltag in den meisten Familien. Kinder davon fernzuhalten, ist fast unmöglich. Es sollte aber eines klar sein: Fernseherziehung muss anfangen, sobald Kinder den Fernseher entdecken.

Was meinen Sie mit Fernseherziehung?

Auch wenn es dazu verleitet: Eltern sollten nicht einfach den Fernseher einschalten, nur damit sie ihre Ruhe haben. Bei Kindern im Vorschulalter sollten Eltern bestenfalls mitgucken, mitsprechen, mitmachen. Da ist der Lerneffekt viel höher. Das Wichtigste beim Einschalten ist das Ausschalten. Es muss klar sein, dass ein oder zwei Sendungen geguckt werden und danach Schluss ist. Wenn Eltern das vorher festlegen, müssen sie sich natürlich auch daran halten. Konsequenz ist wichtig: Man kann Kindern nicht am einen Tag die Fernsehzeit verlängern und am nächsten wieder verkürzen. Das funktioniert nicht.

Und wie lange sollten die Sendungen dauern?

Die Dauer der Sendungen, die für eine Altersgruppe konzipiert sind, entspricht meistens auch der Zeit, die Kinder in diesem Alter vor dem Fernseher verbringen sollten. Bei Vorschülern sind das etwa 30 Minuten am Tag, bei Grundschülern etwa eine Stunde und bei Pre-Teens nicht länger als eineinhalb Stunden. Die tatsächliche Sehdauer ist allerdings meistens etwa eine halbe Stunde länger.

Gibt es weitere Probleme?

Ich sehe die Hypersexualisierung hochproblematisch. Vor etwa fünfzehn Jahren wurden Mädchen als Zielgruppe entdeckt und heute haben Dreiviertel aller weiblichen Zeichentrickfiguren eine dünnere Taille als Barbie. Dazu kommt Kleidung, die viel Haut zeigt, und übermäßig geschminkte Gesichter, etwa bei Monster High, Winx Club oder Mia and Me. Das heißt: Mädchen entwickeln schon früh ein bedenkliches Schönheitsideal, das mitunter zu einem mangelnden Selbstwertgefühl und sogar zu einer Essstörung führen kann. Ein anderes heikles Thema ist natürlich, wenn Kinder beim Fernsehen Angst bekommen.

Wenn man die Sendung mit der Maus betrachtet - da bekommen Kinder doch keine Angst?

Nein, aber Kinder gucken leider nicht immer nur Sendungen, die für ihr Alter geeignet sind. Außerdem heißt "FSK 6" auch nicht, dass der Film ab diesem Alter empfohlen ist, sondern dass Kinder ihn ab diesem Alter überhaupt erst sehen dürfen. Wenn Kinder vom Fernsehen Angst bekommen, ist es besonders wichtig, dass Eltern zur Stelle sind, um den Fernseher auszumachen und mit ihrem Kind über das Gesehene zu sprechen und zu trösten. Sonst kann das Schäden hinterlassen.

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Fernsehen kann für Kinder zum traumatischen Erlebnis werden?

Oh ja. Wir wissen zum Beispiel von einem Jungen, der heute 26 ist und nicht in Seen oder gar im Meer schwimmen kann, weil er sonst Panikattacken bekommt. Nur deshalb, weil er mit sechs Jahren mit seinem Opa einen Film geguckt hat. Opa dachte, es sei ein Tierfilm - es war der "Weiße Hai". Außerdem gibt es sehr sensible Themen für Vorschulkinder. Dazu gehört auch die Vorstellung, dass den Eltern etwas zustößt.

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Aus der SZ-Redaktion

Wie in "Bambi" oder "Der König der Löwen"?

Ja, die Disney Classics sind beim Thema Tod ein Paradebeispiel. Aber Fernsehschaffende mussten sich auch erst einmal heranarbeiten, was für Kinder im Fernsehen geeignet ist und was nicht. Deshalb sind die neuen Disneyfilme auch anders als früher.

Tiere in Kinderfilmen oder - serien kamen schon immer gut an. Weil Kinder die süß finden?

Auch. Vor allem aber, weil Kinder sich einfacher in Tiere hineindenken können als in Menschen. Tiere sind nicht so kompliziert.

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