"Es war einer von uns" im ZDF:Party! Vergewaltigung! Freunde?

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Fragen offenzulassen, ist nicht gerade die Stärke des deutschen Fernsehfilms. Kai Wessels "Es war einer von uns" versucht es zumindest: Was passiert mit einer Frau, die von einem Mann aus ihrem Freundeskreis vergewaltigt wurde, aber nicht weiß, wer es war?

Katharina Riehl

Der letzte Schluck aus dem Champagnerglas, das eine ganze Weile im Flur gestanden hatte, schmeckt komisch, doch wer soll schon ahnen, dass jemand K.o-Tropfen hineingeschüttet hat, hier auf der Party ihrer besten Freundin. Als Johanna kurz darauf auf ihr Fahrrad steigt, hat sie ihren Körper schon kaum mehr unter Kontrolle - und als sie am nächsten Morgen auf dem Boden eines Waldes erwacht, ist Johanna vergewaltigt worden. Erinnern kann sie sich an nichts.

Sie erlebt etwas, was sie an die Grenzen des Wahnsinns treibt: Johanna (Maria Simon) wurde nach einer Party mit K.o.-Tropfen betäubt und missbraucht. Kai Wessel inszenierte den Film als Versuchsanordnung einer ganz besonderen Form von häuslicher Gewalt. (Foto: ZDF)

In der ersten Szene des Films von Regisseur Kai Wessel, der 2004 für das Krebs-Drama Leben wäre schön mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde, sieht man Johanna (Maria Simon) neben sich stehen. Johanna liegt auf dem Waldboden, und Johanna blickt auf sie herab. Es ist ein Traum, natürlich, und aus dem Off heißt es: "Mein Albtraum ist ein großer blinder Fleck und das Wissen: Es war einer von uns."

Es ist eine Art Versuchsanordnung, der Wessel im ZDF-Film Es war einer von uns seine Hauptfigur aussetzt: Was passiert mit einem Menschen, wenn er weiß, dass irgendjemand aus dem allerengsten Freundeskreis sein Vertrauen in der schlimmsten Weise missbraucht hat? Für die Polizei, die in der von Johanna angezeigten Vergewaltigung ermittelt, steht schnell außer Frage, dass jemand auf der Feier die K.o-Tropfen in Johannas Glas geschüttet hatte, um sich dann auf dem Nachhauseweg an ihr vergehen zu können. Und in Frage kommt eigentlich jeder Mann, der auf der Feier anwesend war.

Dass mit diesem Film ein bisschen mehr gelungen ist, als das, was man allgemein als Fernsehfilm-Durchschnitt betrachtet, liegt größtenteils an der Besetzung. Neben Maria Simon, die Johannas bald an Wahnsinn grenzende Verzweiflung hervorragend zeigt, treten Anja Kling und Devid Striesow auf. Sie spielen das Paar Leonie und Björn, in deren Wohnung die Feier stattfand. Anfangs suchen die beiden noch gemeinsam mit Johanna nach einem möglichen Täter, bis ein Foto auftaucht, dass Björn selbst zum Verdächtigen macht.

Ohne eine Miene zu verziehen

Man traut diesem Björn, den Devid Striesow wie immer spielt, praktisch ohne dabei eine Miene zu verziehen, sofort alles zu. Es war einer von uns erzählt von Johannas Unvermögen weiterzuleben, ohne zu wissen, was genau mit ihr geschehen ist. Der Film erzählt auch vom Zerbrechen einer Freundschaft, die nicht mit dem Verdacht fertig wird, der plötzlich im Raum steht. Das ist nicht immer schön anzusehen, auch, weil diese leise Geschichte meist ohne jede Verkitschung auskommt.

Natürlich, und das muss erwähnt sein, traut sich auch dieser deutsche Fernsehfilm am Ende nicht, auf eine versöhnliche Abrundung zu verzichten. Man will den Zuschauer schließlich nicht mit allzu vielen offenen Fragen ins Bett schicken. Das fällt besonders bei einem solchen Film auf, der so stark mit der Leerstelle arbeitet. Die Leerstelle ist ja bekanntlich sonst nicht die größte Stärke des deutschen Fernsehfilms. Etwas mehr leere Stellen hätte Es war einer von uns sicher verdient gehabt.

Es war einer von uns, ZDF, 20:15 Uhr.

© SZ vom 21.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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