"Die Brücke" im ZDF:Alles nur ein Spiel

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Radikal realistisch: In der skandinavischen Krimi-Serie "Die Brücke" gibt es keine Fiktionalisierungs-Abgrenzung. Jede Grausamkeit ist eine Lektion. Nach den Attentaten von Anders Breivik schaut man politisierenden und pamphletmissionierenden TV-Mördern aber mit ziemlich gemischten Gefühlen zu.

Eva Rose Rüthli

Die erste Tote liegt auf der Straße, da sind die gelb-kühlen Vorspann-Szenen zu Folkjammersingsang noch gar nicht durch. In den fünf Folgen der Serie Die Brücke - Transit in den Tod werden noch zahllose weitere Leichen in die Pathologie geschoben. Erschossene, Vergiftete, Erstickte, Zersägte, einem Mann wurde vor laufender Webkamera das Blut abgezapft, bis er langsam stirbt. Das ist brutal. Und kaum zu ertragen. Die Kamera hält drauf, schaut genau hin, minutenlang. Sie begutachtet bleiches Fleisch, untersucht die Eingeweide, die auch mal heraushängen, wie bei der ersten Frauenleiche, einer schwedischen Politikerin, die in der Körpermitte auseinandergeschnitten wurde.

Kim Bodnia als daenischer Kommissar Martin Rohde (l.) und Sofia Helin als schwedische Kommissarin Saga Noren in "Die Brücke - Transit in den Tod". (Foto: dapd)

Wie machen die Skandinavier das nur? Umverteilungsweltmeister, geschlechtsneutrale Kinderbücher, die ganze designschöne, wohlgeordnete Welt voller scheinbar zufrieden radelnder Großfamilien. Und dann diese menschenquälenden, oft frauenverachtenden Krimis: Wallander, Kommissarin Lund, Stieg Larsson und jetzt Die Brücke.

Filme, die hart sind und realistisch, die ihren Zuschauern keine Fiktionalisierungs-Abgrenzung erlauben. Da ist nichts böser Traum, aus dem man am Filmende ein wenig erschrocken, aber doch wohlig erwachen kann, keine Pathologenwitzchen, die suggerieren: Alles nur ein Spiel. Filme, von denen man sich kaum vorstellen kann, sie würden in Deutschland so radikal und brachial produziert. Dabei gründet der skandinavische Krimi-Realismus oft auf den Polizistenfiguren; die haben eine Geschichte und Gewicht.

In Die Brücke ist es ein schwedisch-dänisches Ermittlerteam. Weil die erste Tote genau auf der Grenze zwischen den beiden Ländern, der Öresund-Brücke, gefunden wird, müssen die sozial unfähige Saga aus Malmö und der leutselig-knuffige Martin aus Kopenhagen zusammenarbeiten.

Möglich, dass die Unterschiede zwischen den beiden ein wenig zu brachial inszeniert sind. Saga (Sofi Helin) trägt Leder-Leggins, kratzt sich im Schritt und stechschreitet dann in den Club, wo sie den Erstbesten mit einem "Willst Du Sex?" aufreißt. Martin (Kim Bodnia) ist gutmütig und leidet in der ersten Folge an den fiesen Schmerzen seiner Sterilisation. "Hab gehört, du schießt nur noch mit Platzpatronen", sagt eine Kollegin trocken.

Auch die Länder-Differenzen sind etwas dumpf thematisiert ("Frühstückt Ihr eigentlich auch in diesem Land?"), die große Stärke dieser Serie ist aber, dass sie ein Geflecht an Handelnden knüpft, die Gesellschaft als lebenden Organismus mit all seinen Zwängen und Abhängigkeiten zeigt.

Die heile Welt Skandinaviens ist eine Projektion

Gesucht wird fünf Folgen lang ein beinahe allmächtiger Täter, der in einer jahrelang geplanten Serie von Attentaten die Gesellschaft ihre Defizite lehren will. Jede Grausamkeit ist eine Lektion, die erste lautet: Es gibt keine Gleichheit vor dem Gesetz. Dafür hat er eine Prostituierte ermordet, deren Verschwinden die Polizei aber nicht lange beschäftigt hat. Erst als noch eine Politikerin stirbt, rauscht das Blaulicht aufgeregt durch die Stadt. "Wahrheitsterrorist" wird der Mörder bald in den Medien genannt.

Gedreht wurde Die Brücke 2011; nach den Attentaten von Anders Breivik schaut man politisierenden und pamphletmissionierenden TV-Mörder aber mit ziemlich gemischten Gefühlen zu. Schon klar, die heile Welt Skandinaviens ist eine Projektion, dafür brauchte es nicht den keimenden Rechtspopulismus oder einen ganz realen Massenmörder, um dies zu begreifen. Und doch sieht es so aus, als habe die Realität die Fiktion auf finsterste Weise überholt. Wahrscheinlich weil die Projektion so lieblich schön war.

Die Brücke ZDF, erste Folge Sonntag, 22 Uhr.

© SZ vom 17.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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