Deutschlandradio:Bereit für die zweite Runde

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Wird wohl wieder Intendant der Deutschlandradios: Stefan Raue. (Foto: Fabian Sommer/picture alliance/dpa)

Stefan Raue wird wohl als Intendant des Deutschlandradios wiedergewählt. Der Sender hat derzeit so viele Hörer wie noch nie.

Von Stefan Fischer

Im dritten Anlauf soll es endlich klappen: Am Donnerstag tagt in Berlin der Hörfunkrat des Deutschlandradios, auf der Tagesordnung steht die Wahl des Intendanten. Diese musste bereits zweimal verschoben werden. Im vergangenen September verhinderte der Bahnstreik, dass der Hörfunkrat in Präsenz zusammenkommen konnte, im Dezember waren es dann die Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie. Da die Statuten jedoch vorschreiben, dass das Aufsichtsgremium des öffentlich-rechtlichen Senders mit den drei nationalen Programmen Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Kultur und Deutschlandfunk Nova Wahlen nicht online durchführen darf, musste die Kür des Intendanten jeweils von der Tagesordnung genommen werden.

Unter Zeitdruck stehen die 45 Mitglieder des Hörfunkrats durch diese Verschiebungen trotzdem nicht. Der Vertrag von Stefan Raue läuft noch bis Ende August, und vor allem: Der 63-jährige wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Amt bleiben. Raue, seit 2017 Intendant des Deutschlandradios, ist der einzige Kandidat bei dieser Wahl, die somit lediglich eine Formalie ist - eine zweite fünfjährige Amtszeit Raues gilt als ausgemacht.

Der Erfolg spricht für ihn: Noch nie haben so viele Menschen die Programme des Deutschlandradios gehört wie bei der vorerst letzten Erhebung der Hörerzahlen im Sommer vergangenen Jahres (neue Zahlen gibt es Ende März): Laut der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse, die die Radionutzung bei den Hörerinnen und Hörern erfragt, schalten täglich 2,23 Millionen Menschen den Deutschlandfunk ein. Er ist damit das einzige Informationsradio unter den zehn meistgehörten Programmen hierzulande. Deutschlandfunk Kultur kommt auf täglich 570 000 Zuhörer, das junge Angebot Deutschlandfunk Nova, das nur DAB-und keine UKW-Frequenzen hat, erreicht täglich mehr als 140 000 Hörerinnen und Hörern - auch das sind so viele wie noch nie in der Geschichte der Welle. Parallel steigen die Abrufzahlen in der DLF-Audiothek sprunghaft an, zuletzt um mehr als 40 Prozent innerhalb eines Jahres. Konkrete Nutzerdaten nennt der Sender allerdings nicht.

Mit der Universität Köln hat das Deutschlandradio in einem mehrjährigen Forschungsprojekt an der Weiterentwicklung des Radios zu einem individualisierbaren Medium gearbeitet, die Ergebnisse sind im Februar vorgestellt worden. Vor allem geht es dabei um Algorithmen, die nicht nach einer kommerziellen Logik funktionieren, wonach man immer mehr von dem empfohlen bekommt, was einen ohnehin bereits interessiert.

Von den 18,36 Euro des Rundfunkbeitrags erhält das Deutschlandradio 54 Cent

So drängend wie die digitale Weiterentwicklung ist aus der Sicht von Stefan Raue das Werben um die Akzeptanz der Öffentlich-Rechtlichen - bei der Politik und in der Gesellschaft. Vergangenes Jahr musste die Erhöhung des Rundfunkbeitrags beim Bundesverfassungsgericht eingeklagt werden, nachdem der Landtag von Sachsen-Anhalt zuvor seine Zustimmung verweigert hatte.

Im Streit um die finanzielle Ausstattung der öffentlich-rechtlichen Sender und um ihren Auftrag steht das Deutschlandradio nicht im Zentrum. Es ist eher so, dass er Kollateralschäden erleidet. Der Sender mit Sitz in Köln und Berlin steht selbst nicht grundsätzlich in der Kritik, anders als ARD und ZDF. Denn weder macht er mit einem gebührenfinanzierten Angebot den Privatradios Konkurrenz, noch gibt er mangels TV-Kanälen Geld etwa für teure Sportrechte oder Unterhaltungsshows aus. Sein Verwaltungsapparat ist schlank, und das generelle Niveau seiner Programme wird nicht beanstandet. Gleichwohl ist das Deutschlandradio anteilig im selben Maß von den Einsparungen betroffen wie ARD und ZDF, auf die die öffentliche Kritik über zu hohe Ausgaben und zu schwache Angebote hauptsächlich abzielt. Von den monatlich 18,36 Euro des Rundfunkbeitrags erhält das Deutschlandradio derzeit 54 Cent.

Zur Akzeptanz in der Gesellschaft trage bei, so äußert sich Raue wiederholt, die Hörerinnen und Hörer auf Augenhöhe anzusprechen anstatt wie von der Kanzel herab. Da habe ein Kulturwandel stattgefunden im Haus. Zentral seien außerdem Repräsentanz und Teilhabe. Deshalb hat Raue unter anderem die Denkfabrik eingeführt. Sie ermöglicht es dem Publikum, für jedes Jahr ein Leitthema festzulegen, mit dem sich die Redaktion während zwölf Monaten dann intensiver befasst. Das aktuelle Thema lautet: Arbeit in Deutschland. Im vergangenen Jahr war es die "Suche nach dem Wir". Auch fördert Raue gezielt die Diversifizierung der Belegschaft. Ein Ausdruck davon ist die Sendereihe Voice Versa, in der unterschiedliche Podcasts zusammengeführt werden, die allesamt von Menschen mit Migrationsgeschichte verantwortet werden und in zwei Sprachen verschiedene Kulturkreise und Milieus miteinander in Kontakt bringen.

Vor einem Jahr hat Stefan Raue sich von Programmdirektor Andreas-Peter Weber getrennt und Jona Teichmann als dessen Nachfolgerin vom WDR geholt. Seine Begründung: Es sei ratsam, Führungspositionen spätestens alle zehn Jahre neu zu besetzen, um neue Dynamiken in Gang zu setzen. Weber war intern nicht unumstritten. Etliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor allem des Kulturprogramms störten sich an seinem Kommunikationsstil und hielten vor allem ihm vor, die Sparmaßnahmen seien undurchsichtig. 2018 war die Stimmung auf dem Tiefpunkt. Das war ein Jahr nach Raues Antritt als Intendant. Heute macht es den Anschein, als sei es ihm gelungen, das Haus nach diesem schwierigen Start zu befrieden.

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