Deutscher Fernsehpreis:Ein Haufen Lachgummi

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Roter Teppich, Swing, Glamour: Moderatorin Barbara Schöneberger in Kleid Nummer eins mit den "Let's-Dance"-Tänzern beim ersten Fernsehpreis seit Jahren, der im TV gezeigt wurde. (Foto: Henning Kaiser/dpa)

Das TV-Comeback des Deutschen Fernsehpreises verlief eher holprig. Immerhin retteten die allzeit verlässliche Barbara Schöneberger und eine glänzende Revue den Abend.

Von Marlene Knobloch

Schöneberger strahlt galafreudig, als sie auf starken Tänzerarmen im Kleid Nummer eins auf die Bühne schwebt. Nach jahrelanger On-off-Beziehung zwischen Zuschauern und Fernsehpreis, nach dem Totalausfall 2015, einer halbherzigen Internetübertragung 2019, einer Verleihung ohne Publikum 2020, entschied man sich in diesem Jahr zum Vollprogramm mit rotem Teppich, Swing und Smoking im Kölner Tanzbrunnen und RTL-Übertragung.

Was erhofft man sich als Zuschauer von der Gala, in der man vier Stunden Namen durch Kategorien jagt? Klar, einmal reinlugen in die geschlossene Gesellschaft, wie sie sich hemmungslos feiert - man will verfehlte Pointen, Freudentränen, die schlimmsten Kleider, Familienzerwürfnisse, Skandale und Eklats à la Reich-Ranicki im Jahr 2008 mitbekommen. Von alledem sah man wenig. Fahrig und verschlafen zog sich der vierstündige Abend hin, mit Oliver Pocher, der die eigene Milieuverachtung nicht verhehlt ("das sind die Leute, für die wir Fernsehen machen"), halbherzigen Jury-Kritiken ("der Film atmet") und Schönebergers unterschwelliger Wokeness-Kritik ("Puffärmel - darf man das noch sagen?"). Trotzdem gelang es der allzeit verlässlichen Moderatorin, als endlos dehnbarer Lachgummi den undisziplinierten Haufen zusammenzuhalten, der sich schlecht auf das Comeback ins Fernsehen vorbereitet hatte.

Am schönsten zeigt sich der Abend, als sich die Fernsehclique heimelig fühlt, aber die Kamera nicht vergisst.

Fast alle sind gekommen. Dieter Hallervorden hat seine Schuhe ausgezogen, Jan Böhmermann grinst ganz vorn. Nur einer der Hauptabräumer, Joko Winterscheidt, ist nicht im Saal. Gleich zwei Preise gewann der Moderator, in der Kategorie "Beste Unterhaltungsshow" für Wer stiehlt mir die Show? sowie in der Kategorie "Infotainment" zusammen mit seinem Kollegen Klaas für die allein wegen der Avantgardelänge (sieben Stunden!) auszeichnungswürdigen Dokumentation Joko & Klaas - Live: Pflege ist #NichtSelbstverständlich. Für den emotionalen Höhepunkt sorgte die aufrichtige Rede der in der Dokumentation auftretenden Pflegekräfte Alexander Jorde und Franziska Böhler: "Der Pflegenotstand ist nach der Pandemie nicht vorbei." Diesen Moment konnte selbst Weltretter Eckart von Hirschhausen nicht kaputt machen ("Ich bin ja auch Arzt"), der beim Vorlesen der Nominierten auf der Bühne kontextfrei zwei Trailer über den Klimawandel und die Corona-Pandemie zeigte, als säße im Publikum eine Außerirdischen-Versammlung, der man schnell und verständlich das Jahr 2020 zusammenfassen muss. Die Abendgesellschaft erhob sich für die Pflegekräfte, nicht endender Applaus, vor Demut zusammengepresste Lippen.

Auch Markus Lanz zählte zu den Gewinnern mit seiner nach ihm benannten Talkshow in der Kategorie "Beste Information". Der Moderator rühmte in seiner Dankesrede seine fleißige Redaktion, die den schwierigen Job habe, "auf jede Antwort die richtige Frage zu finden". Am Ende wird er dann doch persönlich, reißt die Trophäe hoch und widmet sie einer Frau in Südtirol: "Mama, das ist für dich!"

"Ich nehme den Preis an": Hape Kerkeling, hier mit Rolando Villazòn, erhielt den Preis für sein Lebenswerk. (Foto: Andreas Rentz/Getty Images)

Am schönsten zeigt sich der Abend, als sich die Fernsehclique heimelig fühlt, aber die Kamera nicht vergisst. Wenn der für sein Lebenswerk geehrte Hape Kerkeling und Barbara Schöneberger sich Lockdown-Anekdoten erzählen oder Kerkeling von seinen Reisen, der im Vatikan "eine Peter-Maffay-Länge" vom Papst entfernt stand.

Als man gegen Ende nach einer Durststrecke ohne Hinweise auf Unterhaltung dachte, die Show habe den Zuschauer vergessen, glitzert plötzlich der Smoking von Michael Kessler, Federkronen wackeln und "Witzischkeit kennt keine Grenzen" leitet eine würdige Revue zu Hape Kerkelings Lebenswerk ein. Für deren Höhepunkt sorgt der Opernsänger Rolando Villazón mit einer präzisen Imitation des berühmten Fernsehstreichs "Hurz". Am Ende schreitet ein lächelnder Hape Kerkeling auf die Bühne, bedankt sich und verkündet: "Ich nehme diesen Preis an." Manchmal ist es ohne Eklat auch ganz schön.

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