Als Vince Gilligan im vergangenen Sommer nach Berlin kam, um die letzte Staffel seiner Fernsehserie "Breaking Bad" vorzustellen, war das Auditorium im Wissenschaftszentrum für Sozialforschung voll besetzt. Denn hier trat ein Star auf, ein Star neuen Typs.
Kein berühmter Schauspieler, kein berühmter Regisseur, sondern ein Drehbuchautor und "Executive Producer", der die düstere Erfolgsserie um den krebskranken Chemielehrer und genialen Drogenmischer Walter White erfunden und viele der Folgen geschrieben hat, in denen der Held immer tiefer in den Abgrund des Verbrechens und seines eigenen Charakters hinabsteigt.
Am Montagabend saß Vince Gilligan im Nokia Theatre in Los Angeles und nahm bei den Emmy Awards mit seiner Mannschaft den Preis in der Kategorie "Outstanding Drama" entgegen. Er war dabei der Bühnenkönig, denn ehe er selbst auftrat, wurde er in den Reden seiner Schauspieler immer wieder gelobt.
Emmy Awards 2014:Die Preisträger im Überblick
Ein Triumph und kein Ende. Wieder einmal räumt "Breaking Bad" bei den Emmy Awards in Los Angeles ab. Aber es gibt auch einen Überraschungssieger aus Großbritannien.
Längst ist der Ruhm der Drehbuchautoren, die wie Gilligan im Team arbeiten oder wie Nic Pizzolatto ("True Detective") eine Serie ganz allein schreiben, in Europa angekommen. Bei vielen gelten sie als Vorbilder und Heilsbringer nicht nur für deutsche TV-Drehbuchautoren, sondern auch für die Schriftsteller, als die Erben der europäischen Tradition des Fortsetzungsromans.
Kein Wiedergänger von Balzac
Vince Gilligan, 1967 in Richmond, Virginia, als Sohn eines Versicherungsagenten und einer Lehrerin geboren, ist aber wie die meisten seiner Kollegen kein Wiedergänger von Balzac oder Dickens.
Er hat schlicht und einfach das zu Balzacs Zeiten noch unbekannte Handwerk sehr gut gelernt, das er ausübt: Drehbuchschreiben, Filmemachen. Und das ist etwas ganz anderes und folgt anderen Gesetzen als das Schreiben von Romanen, wo es zwar auch einen Handlungsstrang gibt, die Bilder aber allein durch die Sprache im Kopf des Lesers entstehen.
Gilligan hat an der Filmschule der New York University seinen Bachelor gemacht und schon während des Studiums auch das Drehbuchschreiben für Kinofilme begonnen. Entscheidend aber war, dass er von 1994 an zu einem der wichtigsten Drehbuchautoren für die Serie "Akte X" wurde. Denn mit diesem Aufstieg wuchs er in die Doppelrolle hinein, die er auch bei "Breaking Bad" innehatte. Auch hier war er nicht nur Drehbuchautor, sondern auch - gemeinsam mit Mark Johnson - "Executive Producer", bei manchen Folgen führte er sogar noch zusätzlich Regie.
In Berlin saß Vince Gilligan zusammen mit Sir Peter Jonas auf dem Podium, dem ehemaligen Intendanten der Bayerischen Staatsoper in München, einem bekennenden Serienjunkie. Gilligian konnte sich mit ihm nicht nur über die Glatze des Helden Walter White in "Breaking Bad" unterhalten, sondern auch über Shakespeare und die europäische Kultur. Seinen Ruhm aber verdankt Vince Gilligan ganz und gar dem Genre, für das er arbeitet: der amerikanischen TV-Serie.