Boxstall Universum: TV-Probleme:Eine Tube blaue Augen

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Eine Weltmeisterschaft auf Youtube? Nach dem K.o. durchs ZDF sucht der Boxstall Universum nach Fernsehpartnern - und stellt seine Kämpfe ins Netz.

Stephan Seiler

Zum 25. Jubiläum seines Boxstalls Universum ließ der Hamburger Promoter Klaus-Peter Kohl vergangenes Jahr einen Film drehen: 13 Minuten über sich und seine größten Erfolge. Gleich am Anfang spricht Kohl darin einen Satz, der hängen bleibt und der in diesen Tagen eine ganz besondere Bedeutung erfährt. "Wenn man merkt, irgendwas funktioniert nicht", sagt Kohl vor einem flackernden Kaminfeuer, "musst du etwas verändern."

Dreifachweltmeisterin Susi Kentikian erreicht auf Youtube an einem Abend 80.000 Abrufe. (Foto: Foto: Getty)

Klaus-Peter Kohl, der am Montag 66 Jahre alt wurde, musste nun wieder mal etwas verändern - weil etwas in seinem Leben nicht mehr richtig funktioniert.

Vor zwei Wochen kündigte Kohl an, sein komplettes Kampf-Archiv kostenlos auf einem eigenen Universum-Kanal der beliebten Internetplattform YouTube bereitstellen zu wollen. "Wir öffnen unsere Schatztruhe für alle", sagte Kohl.

Von seiner ersten Veranstaltung 1984 in der Alsterdorfer Sporthalle mit Ralf Rocchigiani über die goldenen neunziger Jahre, als die Klitschko-Brüder und "Tiger" Michalczewski Millionen Zuschauer vor die Fernsehgeräte lockten, bis hin zu Regina Halmich und Felix Sturm, den Universum-Helden der jüngeren Vergangenheit - Kohl will alle Kämpfe seiner bislang 37 Weltmeister digitalisieren und online veröffentlichen. Bislang stehen aber erst rund fünf Prozent der Archivware bereit, neben aktuellen Kämpfen auch der eigene Jubiläumsfilm mit Kohls Bonmot über die Kunst sich zu verändern, wenn etwas nicht mehr funktioniert.

Drei Mitarbeiter kümmern sich bei Universum in Hamburg-Wandsbek um die technische Aufbereitung der Videos. Die Werbevermarktung übernimmt YouTube, das den Großteil der Erlöse, geschätzte 70 Prozent, an den Boxstall weiterleitet. Nach dem jüngsten Kampfabend mit der 22-jährigen Dreifachweltmeisterin Susi Kentikian vor eineinhalb Wochen seien bereits 80 000 Abrufe bei YouTube erfolgt.

Der Universum-Kanal sei so kurzzeitig zur zweiterfolgreichsten deutschen Partnerseite des Portals aufgestiegen, sagt Universum-Mediendirektor Georg Nolte, der für Kohl spricht. Weltweit nutzen 480 Millionen Menschen die Online-Plattform. "Diese erreichen wir nun direkt und ohne Schranken", sagt Nolte. "Die Kämpfe aller unserer Boxer, nicht nur die TV-Kämpfe, können jetzt auch von Fans in Russland oder den USA gesehen werden. Bei uns boxen nicht nur Deutsche, auch Russen, Ungarn, Polen und ein argentinischer Superstar."

Box-Promoter stehen nicht im Ruf, etwas zu verschenken. Auch Kohl öffnet sein Archiv nicht nur, um den Fans einen Gefallen zu tun. Theoretisch könnten auch seine Live-Kämpfe samstags bei YouTube laufen. Die Plattform selbst ist erfahren im Umgang mit Direktübertragungen: Konzerte von Shakira oder U2 wurden bereits live gestreamt, seit März zeigt die Plattform die Spiele der obersten indischen Cricket-Liga.

Möglicherweise bleibt Kohl nach dem Auslaufen des ZDF-Vertrags gar nichts anderes übrig, als auch seine sieben aktuellen Weltmeister bei YouTube zu zeigen. Sein pro Jahr zwölf bis 15 Kampfabende umfassender TV-Vertrag mit dem ZDF läuft Ende Juli aus. Dessen Chefredakteur Peter Frey hat ausgeschlossen, den Kontrakt aktuell zu verlängern, der Kohl angeblich jährlich 20 Millionen Euro brachte. Der Promoter hat bereits 15 Mitarbeitern in der Verwaltung gekündigt. Die 30 Boxer und vier Trainer sind ohnehin freiberuflich tätig.

Kein Interesse, außer für die Klitschkos Klaus-Peter Kohl ist dennoch zuversichtlich, bis Juli einen neuen TV-Partner gewinnen zu können, hört man aus seinem Umfeld. Sein Sprecher wollte dazu nichts sagen. Seit Monaten sollen Kohl und seine Geschäftsführer den Sendern ihre Boxer wie Sauerbier anbieten, sagt ein TV-Manager. Bisher offenbar folgenlos. Auch das Angebot, nur die Kämpfe einzelner Quotenbringer wie Susi Kentikian zu zeigen, verfing nicht, ist zu hören.

Die ARD hat einen Vertrag mit Kohls Konkurrenten Sauerland. Und Sport1 und Sky sind die von Kohl geforderten Summen dem Vernehmen nach schlicht zu hoch. Nolte wollte sich auf Nachfrage auch zu alledem nicht äußern.

Und RTL? Der Kölner Sender zeigt bereits mit Erfolg die Kämpfe der Klitschko-Brüder, und die vermarkten sich selbst. "Wir sind mit den Klitschkos sehr zufrieden. Darüber hinaus haben wir derzeit kein Interesse", stellt RTL-Sprecher Christian Körner klar. Als "preisstabilisierender Faktor" werde der Sender dennoch "immer wieder von Herrn Kohl zu Gesprächen eingeladen".

Als deutscher Fernseh-Partner scheint Kohl derzeit nur noch Sat1 zu bleiben. Ende März strahlte der Privatsender das misslungene Comeback von Schwergewicht Steffen Kretschmann aus, 2,75 Millionen Menschen schauten zu. Kein Quotenhit, aber Sat1 war zufrieden.

"Wir können uns vorstellen, nach dem Erfolg der letzten Sendung weiterzumachen, wenn uns ein internationaler Top-Kämpfer oder eine echte deutsche Nachwuchshoffnung angeboten wird", sagt Sat-1-Sportchef Sven Froberg. Ob solche Talente bei dem berühmten Boxstall Universum derzeit auch zu finden sind? Aktuell ist Sat1 mit Universum nicht im Gespräch.

Für Klaus-Peter Kohl könnte der Zeitpunkt jedenfalls nicht besser sein, etwas zu verändern.

© SZ vom 05.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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