Bjarne Mädel für Grimme-Preis nominiert:Fettes Brot

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In "Stromberg" spielt Bjarne Mädel den nervigen Ernie, in "Mord mit Aussicht" ist er als treudoofer Polizeiobermeister Dietmar zu sehen. Nun ist der vielseitige Schauspieler, der einst Putzmittel an Haustüren verkaufte, für seine Rolle in "Der Tatortreiniger" für den Grimme-Preis nominiert.

Hans Hoff

Bjarne Mädel hat einen Freund, den bewundert er ein bisschen. Er nennt ihn glücksbegabt. Wenn der Freund sich ein Brot macht, dann schmiert er sich mit Sorgfalt "ein schönes Brot". Mit Kräutern und Radieschen obendrauf. Soll ja auch nach was aussehen. Bei Bjarne Mädel geht es weniger fein zu, eher ein bisschen männlich wurstig. "Ich mache mir ein Brot, Schinken drauf, fertig", sagt der Schauspieler, den man kennen kann, wenn man gerne gute deutsche Serien schaut.

Der Schauspieler Bjarne Mädel ist für seine Rolle in der Serie "Der Tatortreiniger" für den Grimme-Preis nominiert. (Foto: NDR/Thorsten Jander)

Bei Stromberg (Pro Sieben) spielt Mädel den nervigen Ernie, einen Versicherungssachbearbeiter, der so naiv ist, dass er immer wieder aus der Spur gerät, und bei Mord mit Aussicht (ARD) ist er der Polizeiobermeister Dietmar, der stets ein bisschen unbeholfen agiert und von seiner dicken Frau abgefüttert wird, damit ihn die Pfunde am Weglaufen hindern. Bei beiden Figuren ist davon auszugehen, dass sie sich Brote machen wie Mädel. Sie sind auf ihre Art unbeholfen, aber bodenständig, direkt und im Grunde sehr ehrliche und zuverlässige Seelen.

Das passt zu Mädel, der zum verabredeten Termin natürlich überpünktlich erscheint. Er wartet vor dem Kölner Café und raucht. Mit seinem Käppi, seiner schmucklosen Jacke und dem für die Dietmar-Rolle sprießenden Bart wirkt er ein wenig verlottert, in die Welt geworfen, hilflos den Unwägbarkeiten des Alltags ausgeliefert. Niemand würde in diesem Typen einen höchst erfolgreichen deutschen Schauspieler vermuten. Mädel besitzt diese besondere Fähigkeit, in der Masse verschwinden zu können. Man wird in seiner Gegenwart das Gefühl nicht los, dass man auf ihn aufpassen muss, damit er nicht abhandenkommt.

Bis Juni dreht Mädel neue Folgen von Mord mit Aussicht, doch momentan könnte seine Konzentration ein wenig leiden. Schließlich feierte er an diesem Montag seinen 44. Geburtstag, und einen Tag später, am 13. März, wird verkündet, wer in diesem Jahr alles einen Grimme Preis erhält. An einem 13. März wurde Mädel wehruntauglich geschrieben. "Der 13. März ist ein guter Tag für mich", sagt er.

Grimme-nominiert ist er für die kleine, feine Serie Der Tatortreiniger, die Furore machte, obwohl sich der NDR alle Mühe gab, sie vor den Zuschauern zu verstecken. Vier Folgen lagen vor, die erst einmal im vorweihnachtlichen Nachtprogramm unangekündigt versendet wurden, damit sie noch in 2011 abgerechnet werden konnten. Dann wurden zum Jahresbeginn zwei Folgen programmiert, und auf Fragen nach dem Verbleib der anderen beiden Episoden reagierte man erst mit Achselzucken und dann mit einer überfallartigen Programmierung. Selten ist ein Sender so lieblos mit einem bestellten Produkt umgegangen. Inzwischen steht fest, dass eine Folge am Vatertag im Ersten laufen soll. Ob die anderen auch irgendwann ins Hauptprogramm wandern, weiß niemand zu sagen. ARD halt.

Dabei ist Der Tatortreiniger eine der schönsten Serien der vergangenen Jahren. Mädel spielt den Putzmann Schotti, der anrückt, wenn die Mordkommission abrückt. Er soll das Blut wegmachen. "Der letzte Dreck" sollte die Serie ursprünglich mal heißen, aber da fehlte dann im Sender die Traute. Immer wenn Schotti mit der Arbeit loslegen will, platzt irgendwer herein. Es entspinnt sich dann ein Kammerspiel, in dem es um todernste Dinge geht, um Fragen des Lebens, um den Sinn des Ganzen.

"Da sind wir mit dem nackten Po reingesprungen"

Dafür dass Der Tatortreiniger so wurde, wie er ist, kann man sich bei Mädel bedanken. Ihn wollte der NDR, und eigentlich sollte er die Hauptfigur sein in einer Comedyreihe, die Das Wartezimmer heißt. Allerdings rückte Mädel mit einer Bedingung an. "Ich mache das nur mit Arne Feldhusen und ich kann das nur spielen, wenn das Buch meinen Humornerv trifft", sagte er. Feldhusen ist als Regisseur bei Stromberg bekannt und mochte Mädel schon immer, weil er ihn in Produktionen des Hamburger Schauspielhauses mehrfach bewundert hatte. Damals agierte Mädel nach den Anweisungen einer Autorin, die sich heute hinter dem Pseudonym Mizzi Meyer versteckt.

Als vom NDR dann sehr lange kein Buch für Das Wartezimmer kam, war irgendwann die Reihe an Mädel und Feldhusen, Vorschläge zu machen. "Da sind wir mit dem nackten Po reingesprungen und haben gesagt: Wir haben schon was", berichtet Mädel heute. Gemeinsam holte man Mizzi Meyer, die herausragende Bücher schrieb, und schmiss sich dann mit vollem Elan in die Arbeit. Zwei Drehtage waren pro Folge vorgesehen, irgendwann wurden es drei, und für die neuen acht, inzwischen bestellten Folgen sind sogar vier Drehtage vorgesehen.

Mit diebischer Freude erzählt Mädel von den Fernsehentscheidern, die nach seiner Einschätzung nicht so ganz genau wussten, was das Trio da ausheckte, die drei aber machen ließen. "So zu arbeiten und mitzubestimmen, ist für mich ganz oben", sagt er. Der Tatortreiniger ist ihm enorm wichtig, auch weil er das Ernste des Theaters mit der Leichtigkeit guten Fernsehens verbindet.

Zudem hilft es Mädel, vom Image des lustigen Stromberg-Ernie wegzukommen. Als Ernie sollte er sogar Hauptfigur in einem Kinofilm werden. "Damit kommst du ganz groß raus", versprach man ihm. Aber wahrscheinlich wäre er im Gegenzug der ewige Ernie geworden. "Genau das wollte ich nicht", sagte er und lehnte ab. "Wenn ich nur noch der Comedyeffekt sein soll, dann habe ich keine Lust."

Mädel weiß inzwischen, was er will. Als Schauspieler ist er ausgebucht und weiß angesichts vieler Kollegen, die davon nur träumen, was für ein Glück ihm beschieden ist. Aber vielleicht liegt es auch an Mädels Engagement. Er hängt sich in eine Sache voll rein oder gar nicht. Und wenn er am Set ist, dann will er auch mitmischen, dann verändert er Texte, dann macht er Vorschläge. Nicht alle Regisseure können mit so etwas umgehen. Die guten schon. Fragt man ihn, ob er so etwas wie ein heimlicher Mitregisseur ist, sagt er "im Herzen ja. Ich mache gerne Angebote, die die Szene bestimmen."

Dabei sah es lange so aus, als würde aus dem kleinen Bjarne so etwas wie ein professioneller Orientierungsloser. Er lebte ein Jahr in Afrika, jobbte in den USA, verdingte sich als Maler, verkaufte Putzmittel an der Haustür, gehörte nirgendwo hin. Vielleicht wäre das so weitergegangen, hätte ihn nicht sein Vater mit sanftem Druck zu einem Studium getrieben.

Wenn er etwas macht, dann will er etwas

In einer Studienbroschüre strich er alle Fächer weg, die ihn nicht interessierten. Übrig blieben Germanistik, Amerikanistik und Theaterwissenschaften - in Erlangen. Auf einer Erstsemesterparty 1989 geschah es dann. Eine junge Frau fragte den lustlosen Bjarne, ob er nicht bei einem Theaterstück mitspielen wolle. Er dachte: "Wenn ich das schon studiere, kann ich das ja auch mal probieren".

Auf einmal brannte ein Feuer, und irgendwann keimte der Gedanke, dass es doch vielleicht eine gute Idee wäre, wenn auch die Leute in Reihe zehn noch verstünden, was er sagt. In Potsdam lernte er schauspielern und entdeckte Neues in sich. "Ich wollte plötzlich was. Ich habe Leidenschaft entwickelt", sagt er. Die Leidenschaft hat ihn bis heute nicht verlassen. Wenn Mädel etwas macht, will er etwas. Und inzwischen weiß er sehr genau, was er will. Auf besondere Art bietet ihm der Beruf Orientierung.

Allerdings nicht in allen Belangen. Derzeit hetzt er von Termin zu Termin. Gerade mal sieben Wochen hat er im vergangenen Jahr in seiner Berliner Wohnung verbracht. Er leidet an etwas, das er das Zahnpastatubensyndrom nennt. "Man denkt: Ah, bald ist die Tube leer. Man wartet darauf, dass etwas fertig wird. Man hakt ab. Aber dann ist man nicht mehr richtig da und freut sich nicht mehr auf die Sache", erklärt er. Und dann beneidet er Menschen, die im Moment verweilen können, die glücksbegabt sind. Das will er noch lernen. Vielleicht fängt er einfach mal damit an, sich etwas zu gönnen und macht sich "schöne Brote".

© SZ vom 13.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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