Ausbildungsprogramm von US-Komiker Jon Stewart:TV-Bootcamp für Kriegsveteranen

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Jon Stewart sorgt wieder für Schlagzeilen: Der amerikanische TV-Komiker will Kriegsveteranen ins Showbusiness holen. (Foto: Brad Barket/AP)

Gehorsam verträgt sich nicht mit Kreativität? Das sieht Jon Stewart anders. Der scharfe Kritiker des US-Militärs macht Kriegsveteranen fit für eine Fernsehkarriere.

Von Viola Schenz

Als er am 10. Februar bekannt gab, nach 16 Jahren seine satirische Nachrichtensendung The Daily Show zu verlassen, da sagte Jon Stewart auch, was er danach so vorhabe: Abendessen mit seiner Familie etwa, es gebe da tolle Menschen, habe er gehört. Überhaupt habe er viele Ideen. Eine dieser Ideen hat er nun ausgeplaudert, und die sorgte genauso wie der Rückzug aus seiner Show sofort für Schlagzeilen: Amerikas bester, nachdenklichster, klügster, erfolgreichster TV-Komiker macht Kriegsveteranen fit fürs Showbusiness. In einer Art Bootcamp erhalten sie ein fünfwöchiges Schnelltraining für die Arbeit vor und hinter der Kamera.

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Jahrzehntelang nutzte Jon Stewart seine Popularität dafür, die Irakpolitik der USA zu kritisieren; mokierte sich mit ernsthaften Blödeleien wie "Mess o'Potamia" oder "Crisis in Israfghyianonanaq" in seiner Comedy Central-Show über das Thema. Sein jetzt bekannt gewordenes Engagement zeigt, dass Stewart zu unterscheiden weiß zwischen verantwortlichen Politikern und einfachen Soldaten. Für letztere zeigte er immer Sympathien, besuchte Verwundete in Kliniken oder unternahm 2011 eine Comedy-Tour durch die Militärbasen in Afghanistan.

Sinn und Zweck des Camps sei, Veteranen die Wege zu öffnen, die ihnen immer verschlossen waren, erklärte Stewart sein Projekt in einem Interview. Er spielt darauf an, dass es Amerikas Kriegsheimkehrer oft schwer haben, im Zivilleben beruflich Tritt zu fassen. Dazu kommt, dass das eher linksorientierte Hollywood und die Comedy-Szene dem Militär selten aufgeschlossen war. Kreativität verträgt sich nicht mit Gehorsam, so das Credo dort.

"Bitte stehlt meine Idee!"

Unter Stewarts Ägide hat das Daily Sh ow-Team in zwei Jahren ein Ausbildungsprogramm entwickelt - und erfolgreich geheim gehalten. Erst jetzt, da seine letzte Show am 6. August näher rückt, machte Stewart sein Bootcamp öffentlich. Nicht nur das: Er appellierte an die TV-Kollegen, Veteranen ebenfalls zu ungewöhnlichen Jobs zu verhelfen. "Bitte stehlt meine Idee", rief er und ließ sich marketingwirksam zu 20 Liegestützen vor laufender Kamera herab - Teil einer Icebucket-Challenge-artigen Kampagne, bei der Prominente Veteranen sportlich ihren Dank ausdrücken und andere Promis auffordern, es ihnen gleich zu tun.

75 Veteranen haben bisher das TV-Trainingslager absolviert, ein knappes Drittel kam tatsächlich in der Branche unter, zwei sogar in der Daily Show selbst. Justine Cabulong koordiniert da jetzt die Produktion, die 28-Jährige hatte als Marine unter anderem in Afghanistan gedient. "Die Marines waren eine gute Vorbereitung für die Show", meinte sie kürzlich in der New York Times, "denn die erfordert hohes Tempo und ist ziemlich chaotisch."

Zu Cabulongs Aufgaben gehört, das Studiopublikum auf die Show einzustimmen - und das macht sie durchaus humorig: Wer nicht ruhig sitzen bleibt und das Handy ausschaltet, werde "abgeführt", lautet einer ihrer Standardsätze. Wer will da noch behaupten, Militär und Showbusiness passten nicht zusammen.

© SZ vom 29.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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