Die Tagesschau, Deutschlands traditionsreichste Nachrichtensendung, ist nicht für wilde Experimente bekannt. Wohl deshalb war es so verstörend, als am vergangenen Sonntag ein herrenloser Unterleib in der Kulisse zu sehen war.
Was soll das? Das dürften sich viele Zuschauer gefragt haben und es steigerte die Verwirrung noch, dass die Tagesschau-Macher sagten, die Auflösung des Rätsels werde es erst "im Laufe der Woche" geben.
Schon am Mittwoch lieferte die ARD einen ersten Hinweis. Da erschien auf der Facebook-Seite der Tagesschau ein Video mit dem Titel "Die neue Beinfreiheit". Darauf: Eine Cancan-Tänzergruppe, auf deren Köpfe Fotos der Tagesschau-Sprecher montiert waren.
Elf Sekunden lang stand in den "Tagesthemen" ein herrenloser Unterkörper herum. Die ARD verneint eine Panne - also alles ein PR-Gag?
Judith Rakers legte via Bild-Zeitung nach: "Es ist eine kleine Veränderung, aber eine, die auffallen wird - am Wochenende wird das Geheimnis gelüftet", sagte die 39-jährige Nachrichtensprecherin, die häufig die 20-Uhr-Ausgabe präsentiert.
Die ARD hätte nun geduldig bis Sonntag warten und bequem die wahrscheinlich mehrere Millionen Extra-Zuschauer einfangen können, die wissen wollen, was sich denn nun jetzt ändert.
"Für die Tagesschau sind auch kleine Schritte eine große Sache"
Doch Kai Gniffke, Chefredakteur von ARD-aktuell, jener Redaktion, die die Tagesschau verantwortet, plauderte es schon am Freitagabend aus und bestätigte damit einen Bericht des Tagesspiegel. Künftig werden die Sprecher am Schluss der Nachrichtensendung stehend moderieren und ganz zu sehen sein.
"Das ist eigentlich eine kleine Sache. Aber für die Tagesschau sind auch kleine Schritte eine große Sache", so Gniffke. 63 Jahre lang waren die Tagesschau-Sprecher Frauen und Männer ohne Unterleib. Theoretisch hätten sie in Micky-Mouse-Boxershorts im Studio erscheinen können. Auch wenn man hohe Geldbeträge setzen würde, dass Dagmar Berghoff und Wilhelm Wieben früher oder Jan Hofer und Judith Rakers heute die theoretische Chance niemals genutzt haben.
Jetzt also wird der Zuschauer die Menschen, die die Nachrichten verlesen, in Gänze zu Gesicht bekommen. Die optische Neuerung wird sich jedoch, wie Gniffke sagt, auf wenige Sekunden beschränken, nämlich jenen kurzen Aufsager nach dem Wetterbericht, wenn die Sprecher einen Ausblick auf die spätere Tagesthemen-Sendung geben.
Die entscheidende Frage - War das mit der Hose nun eine Panne oder Absicht? - beantwortet Gniffke erst am Ende des Interviews: "Wir wollen zeigen, dass auch eine seriöse Nachrichtensendung sich nicht immer so ernst nimmt. Der Auftritt des halben Menschen im Studio war eine einmalige Geschichte, hat keine Sekunde Sendezeit gekostet und keine Silbe Text. Deshalb ist es legitim, die Zuschauer auch mal so auf anstehende Veränderungen einzustimmen", so der Chefredakteur.
Alles in allem war es also eine PR-Woche für die ARD-Nachrichtensendung, zumal der Redaktion mit ihrer Hommage an die Zurück-in-die-Zukunft-Filme ein weiterer Coup gelungen ist.
Tagesschau-Moderatoren, die mit der neuen Beinfreiheit nicht zurechtkommen, sei gesagt: Es gibt weiterhin die Chance auf Schlabberhose oder Boxershorts. Der Wetterbericht wäre lang genug, um sich umzuziehen.
