Ägypten:Ohne Gnade

Lesezeit: 3 Min.

Ägypten und die Pressefreiheit: Drei Journalisten von Al Jazeera werden zu drei Jahren Haft verurteilt.

Von Paul-Anton Krüger

Die drei Al-Jazeera-Journalisten hatten auf ein Ende ihres Leidenswegs gehofft, auf Freisprüche - nicht zuletzt, weil ihr Fall als Fanal gilt für die Beschneidung der Pressefreiheit in Ägypten und er Präsident Abdel Fattah al-Sisi wegen der harschen internationalen Kritik er-kennbar lästig ist. Doch Richter Hassan Farid ließ sich davon nicht beeindrucken. Er verurteilte Peter Greste, Mohammed Fahmy und Baher Mohammed am Samstag in Kairo zu je drei Jahren Haft im Hochsicherheitsgefängnis.

Er befand die Männer für schuldig, im Zusammenwirken mit einer verbotenen Vereinigung, gemeint ist die Muslimbruderschaft, gefälschte Nachrichten verbreitet zu haben, um dem Land zu schaden. Den Vorwurf hatten die drei immer vehement bestritten. Zudem urteilte der Richter, sie seien keine Journalisten, da sie weder Mitglieder des ägyptischen Journalistensyndikats seien noch eine Akkreditierung des Staatlichen Informationsdienstes besessen hätten, bei dem sich alle ausländischen Journalisten registrieren müssen. Al Jazeera habe keine Lizenz für Ägypten besessen, die von den Journalisten benutzte Sendetechnik sei nicht angemeldet und damit illegal gewesen. Baher Mohammed wurde wegen illegalen Waffenbesitzes zu weiteren sechs Monaten Haft verurteilt, weil bei ihm bei seiner Verhaftung eine scharfe Patrone - nach anderen Berichten lediglich eine Patronenhülse - gefunden worden sein soll. Drei weitere Angeklagte wurden ebenfalls zu drei Jahren Haft verurteilt, zwei erhielten Freisprüche.

Im Kampf gegen die Muslimbruderschaft werden häufig Reporter zur Zielscheibe

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bezeichnete das Urteil als "Affront gegen die Gerechtigkeit", er läute der Meinungsfreiheit in Ägypten das Totenglöckchen. Der Sprecher des US-Außenministeriums erklärte, man sei "tief enttäuscht und besorgt". Fahmys Anwältin Amal Clooney sagte, ein Freispruch wäre das "einzige faire Ergebnis" des Prozesses gewesen. Es gebe gegen die Journalisten keine Beweise. Selbst ein vom Gericht beauftragtes technisches Komitee hatte in den begutachteten Videoaufnahmen keine Fälschungen festgestellt.

Mohammed Fahmy und Baher Mohammed wurden direkt nach der Urteilsverkündung in einem Gerichtssaal des berüchtigten Tora-Gefängnisses abgeführt. Peter Greste wurde in Abwesenheit verurteilt; er war durch ein Dekret von Präsident Sisi im Februar in seine Heimat Australien abgeschoben worden. Er nannte das Urteil "abscheulich". Al Jazeera sprach von einem "bewussten Angriff auf die Pressefreiheit", der jeder Logik und dem Menschenverstand widerspreche, und einem "schwarzen Tag für die ägyptische Justiz". Das Urteil erging in einem Berufungsverfahren. Die drei Journalisten kündigten an, auch gegen diesen Spruch Rechtsmittel einzulegen; unklar ist, wie lange sie jetzt in Haft bleiben müssen. Fahmys Anwältin Clooney sagte, sie wolle die Abschiebung ihres Mandanten nach Kanada erreichen und sich zudem für eine Begnadigung aller drei Journalisten durch Präsident Sisi einsetzen. Fahmy hatte seine ägyptische Staatsangehörigkeit aufgegeben in der Hoffnung, mit seinem kanadischen Pass wie Greste abgeschoben zu werden. Seine Frau verlangte, dass ihm nun die gleiche Behandlung zuteilwerden müsse. Die Regierung in Ottawa forderte seine bedingungslose Freilassung. Baher Mohammed ist nur ägyptischer Bürger, ihm ist ein solcher Ausweg versperrt.

Die Journalisten waren Mitte 2014 in erster Instanz des international kritisierten Verfahrens zu sieben bis zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden. Das Kassationsgericht, Ägyptens höchste juristische Instanz, hob das Urteil im Januar auf und ordnete ein neues Verfahren an; die Männer kamen nach mehr als einem Jahr in Untersuchungshaft auf Kaution frei. Sie waren Ende 2013 verhaftet worden.

Die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen nannte das Verfahren "symptomatisch für den Zustand der Pressefreiheit in Ägypten"; es sei auch ein "politischer Prozess gegen Al Jazeera selbst". Der Sender gehört der Herrscherfamilie des Emirats Katar, das zu den wichtigsten Unterstützern der islamistischen Muslimbruderschaft in verschiedenen Ländern der arabischen Welt zählt. Vor allem in seinem arabischen Programm ließ Al Jazeera klar Sympathien für die Organisation erkennen und gab seine Objektivität teilweise auf; die Verurteilten arbeiteten allerdings für die englische Ausgabe.

In Ägypten hatte das Militär im Juni 2013 nach Massenprotesten den frei gewählten Präsidenten Mohammed Mursi abgesetzt, der aus der Bruderschaft stammte. Die Sicherheitskräfte lösten in der Folge zwei Protestcamps der Islamisten gewaltsam auf und töteten dabei Hunderte Menschen. Die Bruderschaft wurde verboten und Tausende Anhänger inhaftiert. Die drei Journalisten dürften auch Opfer der politischen Auseinandersetzung zwischen Doha und Kairo geworden sein.

In Ägypten befinden sich nach Angaben des in New York ansässigen Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) mindestens 22 Journalisten in Haft, so viele wie seit Anfang der Neunzigerjahre nicht mehr. Präsident Sisi hatte unlängst behauptet, keiner von ihnen sei wegen seiner Arbeit inhaftiert - den meisten wird die Unterstützung einer verbotenen Vereinigung zur Last gelegt, oft ein Synonym für die Muslimbruderschaft. Das Komitee forderte die ägyptische Regierung auf, "diesem Missbrauch des Rechts ein Ende zu machen, der Ägypten für Journalisten zu einem der gefährlichsten Länder auf der Welt macht".

© SZ vom 31.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: