2000 Folgen "Richterin Barbara Salesch":Richterin in Rot

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"Noch mal zwölf Jahre Salesch mute ich weder mir, noch den Fernsehzuschauern zu": TV-Richterin Barbara Salesch über ihre Gerichtssendung, den tatsächlichen Justizalltag und den Kachelmann-Prozess.

Franca Forth

Am 5. Mai wurde auf Sat 1 die 2000. Folge der Gerichtssendung Richterin Barbara Salesch ausgestrahlt. Barbara Salesch schloss 1975 ein Jurastudium ab und war unter anderem Richterin am Landgericht Hamburg. 1999 wechselte sie zum Fernsehen, in dem sie nun seit zwölf Jahren Fälle vor der Kamera verhandelt. Seit 2000 urteilt sie allerdings nur noch in fiktiven Prozessen.

"Ich kann nicht den Alltag der Justiz im Fernsehen darstellen - da ist zu wenig Sensation dabei": Sat-1-TV-Richterin Barbara Salesch urteilt lieber in fiktiven Prozessen. (Foto: N/A)

SZ: Fernsehen statt Richtersessel. Frau Salesch, können Sie sich vorstellen, noch einmal in der Justiz tätig zu sein?

Barbara Salesch: Nein, das ist vorbei. Zunächst dachte ich, dass sich meine Arbeit beim Fernsehen nur auf zwei bis drei Jahre erstrecken wird. Danach wollte ich wieder in mein altes Berufsleben einsteigen. Niemand hat geahnt, dass sich die Show ganze zwölf Jahre hinziehen würde. Nun ist das eine Frage des Alters - daher habe ich mich bis zum 65. Lebensjahr beurlauben lassen und bleibe erst einmal beim TV.

SZ: Im ersten Jahr haben Sie in Ihrer Gerichts-Show noch reale Fälle bearbeitet - nun ist alles fiktiv. 17.000 Laien sind bislang in Ihren Sendungen aufgetreten. Deren Darstellung ist oft unterdurchschnittlich - erschwert das nicht die Arbeit?

Salesch: In meinem wirklichen Leben als Richterin habe ich sehr viele "unterdurchschnittliche" Situationen erlebt. Die Darstellung der Laien in der Sendung ist viel alltäglicher als manch einer glauben mag. Bei Gericht sind sowohl Kläger als auch Angeklagte extrem verunsichert. Einige treten überzogen laut auf, um ihre Beklommenheit zu verstecken. So übertrieben und mittelmäßig sind die "Schauspieler" meiner Sendung also gar nicht.

SZ: Sie selbst sehen sich nicht als Schauspielerin. Doch Ihre Rolle wäre wohl auch ohne ein Jurastudium möglich.

Salesch: Nein. Meine Verhandlungsführung und die Beiträge der Verteidiger und des Staatsanwalts haben viel Spontanes. Solch eine Improvisation kann man nur an den Tag legen, wenn man selber aktiv als Jurist tätig war. Ein Laie könnte das niemals. Es sei denn, er hat im Hintergrund wissenschaftliche Mitarbeiter, die ihm während der Sendung einzelne Kommentare zuflüstern. Dann fehlt allerdings jede Persönlichkeit.

SZ: Sie wehren sich zwar gegen den Vorwurf, dass Sie "Unterschichtenfernsehen" betreiben - wen wollen Sie wirklich mit Ihrer Show ansprechen?

Salesch: Also erst einmal finde ich diesen Begriff unmöglich, diskriminierend und überheblich. Meine Zuschauer sind einfach jene, welche gerade Zeit und Lust haben, sich unterhalten zu lassen. Über mein Zielpublikum kann ich nicht viel sagen, ich weiß nur, dass es überwiegend Frauen sind und dass das Durchschnittsalter um die 60 liegt. Mein Marktanteil liegt aktuell bei 18 Prozent, die Quote bei 12,6. Obwohl Letztere für das private Fernsehen nicht mehr so furchtbar interessant ist, läuft meine Sendung.

SZ: Ursprünglich war Ihre Gerichtssendung eine Schiedsgerichtsverhandlung, jetzt handeln Sie fiktive Mordfälle in nur wenigen Minuten ab. Befriedigen Sie damit nicht lediglich den Voyeurismus Ihrer Fernsehzuschauer?

Salesch: Absolut nicht. Meine Sendung dient zwar der Unterhaltung, doch das hat durchaus etwas Positives. Selbst Günter Hirsch, der ehemalige Präsident des Bundesgerichtshofs, sagte einmal auf die Frage, ob solche Sendungen wie meine der Justiz etwas bringen: Ja, denn Recht könne dem Zuschauer auch mit Mitteln der Unterhaltung nähergebracht werden. Leider wird dieses Zitat kaum erwähnt.

SZ: Andreas Voßkuhle, der jetzige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, sprach sich kürzlich für eine Lockerung des Kameraverbots vor Gericht aus. Seine Befürworter wollen nicht, dass die Justiz dem Unterhaltungsfernsehen überlassen wird. Die Zuschauer sollen sehen, dass Gerichtsverfahren in der Realität völlig anders ablaufen ...

Salesch: Wieder so ein Vorstoß, der nichts Neues ist. Nun aber mit einer absurden Begründung. Wir Richter aus den Tatsacheninstanzen sind dankbar um den Paragraphen 169 Gerichtsverfassungsgesetz, der verbietet, Kameras im Gerichtssaal zuzulassen. Gott sei Dank hat Klaus Tolksdorf, der Präsident des Bundesgerichtshofs, dem Vorstoß gleich wieder eine Absage erteilt. Das würde ein Verfahren sonst massiv beeinträchtigen. Der eine, der vorher noch bereit war, auszusagen, würde vor den Kameras verschüchtert schweigen. Plötzlich mutieren im Gericht alle zu Schauspielern. Nur weil das Verfassungsgericht mehr gefilmt werden will, und ich nicht als die bekannteste deutsche Richterin gelten soll, muss man nicht gleich so einen Akt machen.

SZ: Sie meinen, dass liegt an Ihrer TV-Show?

Salesch: Nein. Wer zwölf Jahre täglich auf Sendung ist, ist nun mal bekannter. Aber das hat nichts mit der persönlichen Bedeutung zu tun.

SZ: Gespielte Richter-Sendungen wären dann aber wohl kaum noch zeitgemäß. Warum zeigen Sie denn in Ihrer Show nicht den tatsächlichen Gerichtsalltag?

Salesch: Ich kann nicht den Alltag der Justiz im Fernsehen darstellen - da ist zu wenig Sensation dabei. Das gilt übrigens für alle Medien. Die Öffentlichkeit interessiert nur das, was besonders ist und was aus der Masse herausragt. Wenn die Justiz tatsächlich ihr alltägliches Leben zeigen möchte, dann müsste man bundesweit von morgens neun Uhr bis abends um vier Uhr alles aufnehmen und dürfte nichts herausschneiden. Sonst entsprächen die Aufzeichnungen nicht der Realität. Viel besser wäre es, wenn die Pressesprecher der Gerichte und Staatsanwaltschaften interessantere Verhandlungen zusammenfassen würden. Und zwar so, dass man es versteht. Der pensionierte ARD-Korrespondent Karl-Dieter Möller konnte das wunderbar. Solche Berichte hätte ich gerne öfters im Fernsehen.

SZ: Derartige Zusammenfassungen finden gerade statt und Staatsanwälte gehen an die Öffentlichkeit. Das bekannteste Beispiel dafür ist der Kachelmann-Prozess. Was halten Sie von der Entwicklung der ganzen Affäre?

Salesch: Ich bin froh, dass ich darüber nicht berichten muss. Momentan versuchen die Anwälte nur, Verfahrensfehler in den Fall zu bekommen, um die Revision besser begründen zu können. Es wird hart gekämpft. Hier steht ja Aussage gegen Aussage. Die mediale Aufmerksamkeit, welche die Beteiligten bekommen, wird intensiv genutzt. Als Juristin weiß ich sofort, was da läuft.

SZ: Finden Sie diese mediale Auseinandersetzung denn richtig?

Salesch: Sie ist das, was ich nun voyeuristisch nenne und zeigt genau, warum man nicht Kameras in die Gerichtssäle lassen soll.

SZ: Am 5. Mai wird Ihre Show zum 2000. Mal ausgestrahlt. Sollen weitere 2000 folgen?

Salesch: Bestimmt nicht. Noch mal zwölf Jahre Salesch mute ich weder mir, noch den Zuschauern zu. Nein, ich will in der Zukunft das machen, was ich schon immer machen wollte und nebenher auch gemacht habe, nämlich Malerei und Bildhauerei.

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