Prozess:Millionenklage abgewiesen

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Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat entschieden, dass ein SZ-Bericht nicht schuld war am geplatzten Geschäft eines Unternehmers. Der Prozess hatte die Medienbranche beunruhigt.

Von Claudia Henzler und Annette Ramelsberger

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat eine Schadensersatzklage in Höhe von 78 Millionen Euro abgewiesen, die ein Geschäftsmann gegen die Süddeutsche Zeitung angestrengt hatte und die in der Folge - wäre sie durchgegangen - kritischen Wirtschaftsjournalismus in Deutschland unmöglich gemacht hätte. Der umstrittene Erlanger Unternehmer Hannes Kuhn, gegen den wiederholt verschiedene Staatsanwaltschaften wegen des Verdachts auf Betrug oder Untreue ermittelt haben, der jedoch freigesprochen wurde, hatte der Süddeutschen Zeitung vorgeworfen, durch ihre Berichterstattung ein Geschäft vereitelt zu haben, das ihm "nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge" 78 Millionen Euro Gewinn eingebracht hätte. Dieses Geld wollte er nun von der Zeitung haben.

Der Unternehmer hatte die Firma Solar Millennium mitgegründet, die das größte Sonnenkraftwerk der Welt bauen wollte. Beim Untergang der Firma 2011 verloren 30 000 Anleger Hunderte Millionen Euro.

Die Klage bezog sich auf einen Bericht der SZ-Journalisten Markus Balser und Uwe Ritzer über ein auffälliges Aktiengeschäft. Es spielte sich rund um den Niedergang der Firma Solar Millennium ab. Die SZ hatte Hinweise erhalten, die den Verdacht auf Insiderhandel nahelegten. Kuhn bestritt, dass es sich um ein Insidergeschäft gehandelt habe.

Die SZ hatte das akribisch recherchiert und streng nach den Regeln der Verdachtsberichterstattung aufgeschrieben. Am 25. Juni 2013 erschien der Artikel. Der Zürcher Tages-Anzeiger berichtete unter Berufung auf die SZ ebenfalls darüber - so erfuhren Kuhns Schweizer Geschäftspartner von dem Verdacht. Sie stoppten das Geschäft, das sie mit Kuhn in Indonesien unternehmen wollten. Die zur gleichen Zeit noch anhängige Anklage gegen Kuhn vor dem Düsseldorfer Landgericht wegen zahlreicher Betrugsfälle war für sie angeblich nicht ins Gewicht gefallen. Kuhn wurde später freigesprochen.

Die Vorsitzende Richterin Monika Bieber sagte, aus dem Gesamtzusammenhang der Zeugenaussagen habe das Gericht nicht die Überzeugung gewonnen, dass der Artikel in der Süddeutschen Zeitung kausal für den Abbruch der Geschäftsbeziehungen war. Sie bezog sich dabei ausdrücklich auf die damalige Anklage in Düsseldorf. Dass diese Anklage gegen Kuhn keine Rolle gespielt haben soll, aber dem SZ-Artikel erhebliche Bedeutung beigemessen wurde - "das erschien uns nicht ganz nachvollziehbar". Gleichzeitig machte sie ihre Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen deutlich: Einer von Kuhns Geschäftspartnern hatte vor Gericht gesagt, er habe keinerlei Kontakt mehr zu Kuhn - musste dann aber zugeben, dass sie am Tag zuvor gemeinsam essen waren. Das hatte die Richterin erbost. "Diese Zeugenaussage entsprach nicht komplett der Wahrheit", sagte Bieber. Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Vorwürfe könnte auch der Zeitpunkt der Klage erregt haben: Kuhn hatte damit drei Jahre gewartet und erst zwei Tage vor der Verjährung Klage eingereicht.

Der Prozess wurde in der Medienbranche aufmerksam beobachtet. Martin Schippan, Anwalt der SZ, bezeichnet die Klage als Einschüchterungsversuch und Angriff auf die Pressefreiheit. Hier klage ein wohlhabender Kläger, dem die Prozesskosten egal seien, aufgrund eines sehr dünnen Sachverhalts: "Wenn das Schule macht: Wie soll die Presse dann noch ungehindert arbeiten?"

Der Unternehmer kann gegen die Entscheidung des Gerichts in Berufung gehen.

© SZ vom 26.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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