Zum Welt-Aids-Tag:Das Kondom als Held

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Ein Anruf bei Guido Meyer, der vor 18 Jahren als Student die "Mach's mit"-Kampagne erfand und den öffentlichen Raum mit Kondomen pflasterte.

Charlotte Frank

Guido Meyer war noch Student, als er 1992 mit seinem Kommilitonen Marcel Kolvenbach die "Mach's-mit"-Kampagne erfand - und damit den Grundstein für alle weiteren Plakatkampagnen gegen Aids in Deutschland legte. Mehr als zehn Jahre lang ersann der Werber immer neue Ideen, wie er deutsche Städte mit Bildern übergroßer Kondome plakatieren und so die Menschen aufrütteln könnte - ein Gespräch zum Welt-Aids-Tag an diesem Mittwoch.

Der Blick durch die rosarote Kondombrille war Guido Meyers erste Plakatidee. (Foto: Fotograf: ag.ap)

SZ: Hallo Herr Meyer, wussten Sie, dass die Deutschen im vergangenen Jahr 215 Millionen Kondome gekauft haben, so viele wie noch nie?

Meyer: Die genaue Zahl kannte ich nicht. Und ob wirklich 215 Millionen Kondome im entscheidenden Moment benutzt wurden, weiß ich auch nicht. Aber sicherlich ist der Umgang mit dem Thema Verhütung und Kondome unverkrampfter geworden. Zum Glück.

SZ: Betrachten Sie das auch als Ihr Verdienst?

Meyer: Nur zu einem kleinen Teil. Die Kampagne hat ja die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung organisiert. Von mir und Marcel Kolvenbach stammt nur die Idee, das Kondom erstmals spielerisch und charmant auf Postern abzubilden - und es nicht als notwendiges, peinliches Übel zu behandeln, wie es bis dahin meistens der Fall war.

SZ: Wie kamen Sie auf die Idee?

Meyer: Anfang der neunziger Jahre war das Thema Aids allgegenwärtig, aber Kondome wurden trotzdem selten benutzt. Unser Professor an der Fachhochschule Düsseldorf gab uns die Aufgabe, zu überlegen, wie man das Kondom aus der Schmuddelecke herausholen und zu einem ganz normalen Drogerieartikel machen könnte.

SZ: Und so hatten Sie den Einfall mit der "rosa Tütchenbrille"?

Meyer: Richtig, das war unser erstes Motiv. Unsere Idee war: Wir machen das Kondom zum Helden. Das haben wir uns damals von der Kampagne für Lucky- Strikes-Zigaretten abgeguckt. Die zeigen ja auch nichts mehr als ihr Produkt mit einem lustigen Spruch dazu. Wir haben uns gesagt: Was mit Zigaretten geht, muss doch auch mit Kondomen funktionieren.

SZ: Gab es eigentlich Ärger, als Ihre übergroßen Tütchen plötzlich die Städte schmückten?

Meyer: Nur ein bisschen. Manche fühlten sich provoziert, ein paar Kirchenleute haben uns angeschrieben, aber sonst waren die Reaktionen positiv, vor allem von den jüngeren Menschen. Und die wollten wir ja gerade erreichen.

SZ: Ihre Plakate wurden hunderttausendfach in Deutschland aufgehängt und ausgezeichnet, es gab Kinospots, sogar im Ausland wurde Ihre Idee übernommen. Trotzdem sieht man die Motive heute seltener. Warum?

Meyer: Ein Kondom ist heute einfach nicht mehr so ein Hingucker. Deshalb wurde die Kampagne weiterentwickelt und moderner gemacht. Mir sind ohnehin nach zehn Jahren die Ideen ausgegangen. Ich hatte Brillen, Ampeln, Gummibärchen, Nullen, Monde, Sonnen, Schäfchen, Blumen und sonst was alles zu Kondomen umgestaltet. Irgendwann habe ich in allem, was rund war, nur noch Kondome gesehen. Heute arbeite ich nicht mehr in der Werbung.

SZ: Trotz der jahrelangen Aufklärung haben sich allein im verhangenen Jahr in Deutschland 3000 Menschen neu mit dem HI-Virus angesteckt.

Meyer: Die Sorglosigkeit hat offenbar wieder zugenommen, weil man mit der Krankheit länger und besser leben kann. Das zeigt: Die Öffentlichkeitsarbeit ist noch genau so wichtig wie in den neunziger Jahren, als wir angefangen haben.

© SZ vom 01.12.2010/aro - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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