Williams-Äußerungen zu Vergewaltigung:In der Opferrolle

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Serena Williams hat wegen ihrer Äußerungen zur Vergewaltigung von Steubenville mächtig Ärger. (Foto: REUTERS)

"Ich will jetzt nicht das Mädchen beschuldigen, aber ...": Die Tennisspielerin Serena Williams verharmlost in einem Interview die Vergewaltigung einer 16-Jährigen. Ein Skandal, finden viele. Doch es gibt auch andere Stimmen.

Von Merle Sievers

Es war ein Skandal, der die Kleinstadt Steubenville im US-Bundesstaat Ohio in Nachrichten in aller Welt brachte. Mehr noch als ein Skandal: es war eine Schande. Zwei Spieler des gefeierten Footballteams der örtlichen Highschool vergewaltigten im Sommer 2012 eine 16-Jährige. Das Mädchen war betrunken und nicht mehr in der Lage, sich gegen die Übergriffe der Jungen zu wehren. Andere Jugendliche schauten bei der Vergewaltigung zu und verbreiteten sogar Fotos davon bei Twitter.

Dem Footballteam wurde vorgeworfen, die Sache vertuscht zu haben, beide Täter sind inzwischen zu Haftstrafen von einem Jahr und zwei Jahren verurteilt worden. Die anderen Beteiligten wurden jedoch nicht zur Rechenschaft gezogen.

Eine Äußerung der Tennisspielerin Serena Williams bringt den Fall zurück in die Medien. Ein Artikel des Rolling Stone zitiert die Tennisspielerin:

"Finden Sie das Urteil fair, das die Jungs bekommen haben? Sie haben etwas Dummes getan, aber ich weiß nicht ... Ich will jetzt nicht das Mädchen beschuldigen, aber wenn du als 16-Jährige so betrunken bist, dass du nicht mehr weißt wo du bist, dann denke ich: Deine Eltern hätten dir beibringen sollen, keine Drinks von Fremden anzunehmen. Ich finde, es hätte für das Mädchen noch wesentlich schlimmer kommen können, sie hat noch Glück gehabt. Ich habe keine Ahnung, ob sie noch Jungfrau war, aber sie hätte sich selbst nicht in diese Situation bringen sollen. Es sei denn, die Jungs haben ihr etwas in den Drink gekippt, dann ist es natürlich etwas anderes."

In den USA empören sich viele über diese Äußerung. Vor allem Frauen fühlen sich von Williams verraten und beleidigt: Wie kommt sie dazu, das Opfer und nicht die Täter zu hinterfragen?

Die Bloggerin Eris Zion Venia Dyson schreibt dazu im Guardian:

"Für all die Frauen, die ihre Vergewaltigung offenbaren, gibt es mindestens genauso viele, die ihr Schicksal verstecken und die ihrem Peiniger vielleicht sogar jeden Tag ins Gesicht blicken müssen. [...] Sie haben Alpträume, Flashbacks und Schwierigkeiten damit, anderen Menschen zu vertrauen. Aber diese Frauen haben ja noch Glück, richtig? Frau Williams sagt ja, dass es noch schlimmer hätte kommen können."

Im Netz herrscht allgemeines Kopfschütteln über Williams' Haltung zum Steubenville-Skandal. Eine Autorin des feministischen US-Blogs Jezebel kommentiert das Zitat einfach nur mit "Whyyyyyy." Der Punkt hinter dem Fragewort drückt aus, für wie induskutabel die Bloggerin Williams' Äußerung hält. Als "ahnungslose Bemerkung" kritisiert das Online-Magazin Salon den Vorfall.

Die Medienplattform The Atlantic Wire findet, dass sich Williams mit ihrem Kommentar den Sprung zurück an die Tennis-Weltspitze verbaute.

"Niemand mag Menschen, die sagen, dass das Leben eines Vergewaltigers schon damit zerstört sei, dass er jemanden vergewaltigt hat. Das hätte sie wissen sollen."

Doch es gibt auch verständnisvollere Stimmen. Die Journalistin Allison Samuels führte in der Vergangenheit viele Interviews mit den Tennis-Schwestern Venus und Serena und lernte so die Familie kennen. Für sie ist Serenas Entgleisung in dem Rolling-Stone-Interview eine Folge aus deren Kindheit in einem Problemviertel von Los Angeles. Auf The Atlantic Wire versucht Samuels Williams' Verhalten zu erklären:

"Als afro-amerikanische Frau hat Serena von kleinauf gelernt, dass sich niemand dafür interessiert, wenn Schwarzen schreckliche Dinge angetan werden. Ihre ältere Schwester wurde 2003 bei einer Schießerei getötet. Der Vater hat ihnen beigebracht, dass sie immer auf sich selbst aufpassen müssen - koste es was es wolle. In Serenas Welt sind Kontrollverlust und jugendliche Fehltritte absolut keine Optionen, auch nicht wenn du erst 16 bist."

Mittlerweile entschuldigte sich Williams öffentlich für ihren Kommentar. In der Stellungnahme auf ihrer Webseite schlägt sie einen sehr viel vorsichtigeren Ton an:

"Was in Steubenville passiert ist, war ein großer Schock und hat mich sehr traurig gemacht. Eine Vergewaltigung in dem Alter ist eine fürchterliche Tragödie für alle Beteiligten, sowohl für die Familie des Opfers als auch für die der Beschuldigten. Derzeit versuche ich, die Familie des Mädchens zu erreichen, um ihr zu sagen, dass es mir sehr leid tut, was in dem Artikel geschrieben wurde. Was geschrieben wurde - und was ich gesagt haben soll - ist unsensibel und verletzend. Ich wollte in keiner Weise suggerieren, dass sie an der Vergewaltigung selbst schuld sei."

Der Gegenwind, den Williams für ihre Äußerungen bekommen hat, scheint sie nachdenklich gemacht zu haben. Gleichzeitig fühlt sie sich vom Rolling Stone missverstanden und falsch wiedergegeben. Der Autor des Artikels versichert allerdings, dass das Interview aufgezeichnet wurde und ihre Worte genau so gefallen sind.

Es steht also Wort gegen Wort. Serena Williams jedenfalls hat sich mit dem Interview keinen Gefallen getan. Und dem Mädchen, das vor einem Jahr in Steubenville vergewaltigt wurde, im Übrigen auch nicht. Durch Williams' Äußerungen geriet der Vorfall schon wieder in die Schlagzeilen.

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