Gewinnspiel:Des Weihnachtsrätsels Lösung

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(Foto: imago; Grafik: SZ)

Welche Herrscherin wechselte jahrelang ihre Wäsche nicht? Wie muss man einen Smiley drehen, damit er die Zahl 900 darstellt? Vor zwei Wochen bescherten wir zum Fest allerhand seltsame und verzwickte Fragen - hier kommen die Antworten.

Von Oliver Rezec

Ein tagelanges Rätselabenteuer mit der ganzen Familie, vielen Dank - aber dieses Schlussrätsel, hui, das war arg kompliziert! So oder ähnlich lasen sich diesmal viele Zuschriften, denn der Weg zum Lösungswort war außergewöhnlich lang und verwinkelt. Am Ziel konnte man freudig zurückblicken auf Meilensteine in Form unterschiedlichster Aha-Erlebnisse.

1. Die verbotene Spitze

(Foto: Mauritius Images)

Gesucht war ein "wahrlich weltberühmter Ort", an dem zwar Namen wie Doris, Ralph, Irene und Cooper zu lesen seien - "für Menschen allerdings nicht so ohne Weiteres". Warum das?

Weil es bei Gefängnisstrafe verboten ist, dort hinaufzuklettern. Dargestellt war die Spitze der Cheops-Pyramide zu Gizeh, besser gesagt: der Grundriss ihrer obersten Etage, denn die ursprüngliche Spitze ist längst abgetragen. Jahrhundertelang war die Pyramide frei zugänglich, ihr Gipfel ist übersät mit zahllosen eingeritzten Namen, Mustern und Zeichen. Die derzeit vielleicht besten Bilder davon hat der ukrainische Reisefotograf Alexander Ladanivskyy gemacht, der mit Erlaubnis der ägyptischen Behörden die Pyramide überflog und seine Drohnenaufnahmen auf Instagram verbreitete. Viele der Gravuren sind verwittert, manches ist noch entzifferbar, darunter viele englische Namen: Bis in die 1950er-Jahre blieb Ägypten von britischen Truppen besetzt. An jener Stelle, die im Rätsel markiert war, ist der Name AHMED zu lesen.

Die merkwürdige Formel bezog sich übrigens auf eine pseudowissenschaftliche Beobachtung, an der sich Mystiker erfreuen: Gizeh liegt auf dem 30. Grad nördlicher Breite, sodass der ansonsten völlig irrelevante Breitengrad 29,9792458° Nord durch die Cheops-Pyramide verläuft, was einem Zehnmillionstel der Lichtgeschwindigkeit entspricht - im Rätsel kryptisch komprimiert zu sµc°/dam (die miteinander multiplizierten Kürzel für eine Sekunde, ein Millionstel, die Lichtgeschwindigkeit von 299 792 458 Metern pro Sekunde sowie ein Gradzeichen, das Ganze dividiert durch einen Dekameter, also zehn Meter).

2. Die kopfstehenden Wörter

(Foto: Mauritius Images)

Die Hexe war leicht zu erkennen. Schwieriger waren der stilisierte Zweig einer Eibe, die Silhouette des ehemaligen Musikpreises "Echo" und das elektronische Schaltzeichen für eine Diode. Das fünfte Motiv war vor Jahrzehnten in vielen Autos zu sehen: eines der üblichen Symbole für den Choke, ehedem zu sehen auf einem Hebel, mit dem man die Luftzufuhr des kalten Motors so veränderte, dass er mit gutem Zureden doch noch startete.

Die Gemeinsamkeit all dieser Motive zeigte sich erst, wenn man sie in Großbuchstaben schrieb: EIBE, DIODE, HEXE und ECHO sind horizontalsymmetrisch - die obere Hälfte ist ein Spiegelbild der unteren. Auch HEIDE, EBBE und OBOE (vom französischen hautbois, wörtlich: hohes Holz) sind so gebaut.

Für die Fälle DECK, HECK und CHOKE nannte das Rätsel den Vorbehalt, sie würden nur "je nach konkreter Ausformung im Detail" dazu passen. Denn aus der Nähe betrachtet ist das K in vielen Schriftarten so gestaltet, dass vom senkrechten Schaft nur ein Arm nach rechts oben abzweigt; erst von diesem Arm zweigt dann das Bein nach rechts unten ab. In dieser Form ist das K nicht symmetrisch, sondern nur, wenn man die einfache Buchstabenform heranzieht, die etwa Schreibanfänger lernen. (Bei noch genauerem Hinsehen ist der untere Bauch des B in den meisten Schriften etwas größer als der obere, und das E hat oft drei verschieden lange Arme; aber trotz dieser typografischen Konventionen sind sie auch kopfstehend mühelos lesbar, handgeschrieben ohnehin.)

Von den 50 Bundesstaaten der USA heißt nur einer horizontalsymmetrisch: OHIO. Gesucht war eine dortige Großstadt mit sechs Buchstaben, wofür nur Toledo und DAYTON in Betracht kamen. Letzteres war die richtige Antwort, denn vertauscht man die beiden ersten Buchstaben, so entsteht das Adyton - das Allerheiligste des antiken Tempels, zu betreten nur von der Priesterschaft oder besonders Berechtigten.

3. Der zerschnipselte Vertrag

(Foto: Deutscher Lotto- und Totoblock)

"Verschlußsicherung" in alter Rechtschreibung: Ganz aktuell konnte der zerschnittene Text nicht sein. Bloß wovon handelte er? Da wurde etwas "in München verfilmt" - aber um Schauspielerei konnte es kaum gehen, schließlich hatten schon "Millionen Deutsche" so einen Vertrag abgeschlossen.

Es waren Fragmente eines alten Lottoscheins aus den Neunzigerjahren, damals noch mit einer Lage Kohlepapier und "Spitzengewinnen bis 5 Millionen DM". Richtig rekonstruiert ergab sich ein Absatz aus den Teilnahmebedingungen: "Der Spielvertrag ist geschlossen, wenn der Spielabschnitt nach Eingang in der Staatlichen Lotterieverwaltung in München verfilmt und der Film durch Verschluß rechtzeitig (d. h. vor Beginn der Ziehung) gesichert ist (= Verschlußsicherung)." Heutzutage wird freilich nicht mehr belichtet und eingebüchst, sondern der Vertrag gilt, wenn die "Daten in der Zentrale der Staatlichen Lotterie- und Spielbankverwaltung aufgezeichnet und auf dem sicheren Speichermedium abgespeichert sind". Beide Formulierungen, die alte wie die neue, gelten für Bayern; in anderen Bundesländern nennen die Teilnahmebedingungen entsprechend andere Lottogesellschaften.

Verwirrenderweise spielte die Stadt München noch eine zweite Rolle bei dieser Lotterie, denn laut Rätseltext erinnert diese "bis heute an die Olympischen Spiele in München": Es war kein Los für "6 aus 49", sondern für die "Glücksspirale". Diese war 1970 eingeführt worden, um die Finanzierung der Olympischen Spiele 1972 zu sichern. Noch heute trägt sie das Emblem ebenjener Spiele, die "Strahlenspirale" von Otl Aicher und Coordt von Mannstein. Gut ein Viertel der Einnahmen geht an Wohlfahrtseinrichtungen, den Denkmalschutz und den Deutschen Olympischen Sportbund - daher der Hinweis, die Veranstaltung habe "nur sehr mittelbar mit Sport zu tun".

Egal, ob damals oder heute, egal ob "6 aus 49" oder "Glücksspirale": Ein Tipp nimmt nur teil, wenn er "vor Beginn der ZIEHUNG" offiziell dokumentiert ist.

4. Der Smiley aus der Antike

(Foto: Rechtefrei)

Als lachendes Gesicht erschien diese Strichzeichnung nur, weil sie falsch herum saß. Drehte man sie so, dass die vermeintlichen Augen des Smileys nach links unten wiesen, dann hatte man einen - kaum bekannten - griechischen Buchstaben vor sich: das SAMPI. Ursprünglich stand es für einen s-Laut, aber nur in einigen Orten des antiken Kleinasiens, und auch nur im 6. bis 5. Jahrhundert vor Christus, bis sich stattdessen das Sigma überregional durchsetzte. Das Sampi wurde überflüssig, aber wenige Jahrhunderte später recycelt.

Die antiken Griechen benutzten keine Ziffern, sondern Buchstaben als Zahlzeichen. In der verbreitetsten Notation stand Alpha für den Wert 1, Beta für 2, und so weiter bis Theta für 9. Dann kamen die Zehner: Iota für 10, Kappa für 20 ... und schließlich Rho für 100, Sigma für 200 und so fort. Dieses System benötigte 27 Zahlzeichen, das griechische Alphabet hatte aber nur 24 Buchstaben. Darum holte man drei hinzu, die schon längst außer Gebrauch gekommen waren: Digamma, Koppa und das im Rätsel gesuchte Sampi. Es stand für den Wert 900 (worauf der Rätselhinweis zum "verkürzten Zentimeter" anspielte: Die Abkürzung "cm" ist die römische Zahl 900 in Kleinbuchstaben).

Zwar verwendet Griechenland heute die international üblichen Ziffern, aber im Rechtswesen hat das Sampi überlebt: Bis in die 1910er-Jahre wurden griechische Gesetze noch im alten Stil durchnummeriert, und einige davon gelten bis heute - notorisch etwa das Gesetz Gamma-Sampi-Ny/1911 über die Haftung von Fahrzeughaltern, siehe Foto. Offenbar hatte die amtliche Druckerei damals Schwierigkeiten mit dem eigentlich ausgestorbenen Sampi. Heute ist es leichter verfügbar, im griechisch-koptischen Zeichenblock gängiger Computerfonts wie Arial, Calibri oder Times New Roman. Allerdings berühren die parallelen Striche beim gedruckten Sampi üblicherweise den Bogen. Der verdrehte Smiley, wie im Fremdwörter-Duden und im Rätsel, ist eine eher handschriftliche Form.

5. Die Insel, die es nicht gibt

(Foto: Reo)

Man musste sich schon außergewöhnlich gut in Geografie auskennen, um den Umriss dieser Insel zu erkennen: Es war der von Kauai. Eine wesentlich bekanntere Form konnte entdecken, wer die Höhenlinien näher studierte - die zweitäußerste zeigte exakt die Konturen Hawaiis. Und so ging es mit jeder Höhenstufe weiter: Die ganze Insel im Rätsel war zusammengebaut aus den acht hawaiianischen Hauptinseln. Ihre Umrisse waren so zueinander verdreht, skaliert und ineinandergesetzt, suggestiv eingefärbt und geschummert, dass sie den Eindruck einer Geländedarstellung erweckten.

Aufsteigend vom Meer zum Hauptgipfel, bestand die fiktive Insel aus den Konturen von Kauai, Hawaii, Maui, Kahoolawe, Lanai und Oahu; den Nebengipfel bildeten Molokai und Niihau. Folgte man dem gepunkteten Pfad und notierte beim Überqueren jeder Linie den bezifferten Buchstaben des jeweiligen Inselnamens, so sammelte man entlang des Weges KAMILLE ein. (Das hawaiische Lautzeichen ' war dabei zu ignorieren, es zählten nur die lateinischen Buchstaben.)

6. Die Frau mit dem Vogel

(Foto: Imago)

Auch wenn sie so aussah: Diese Dame war keine Nonne, sondern eine Witwe. An den Höfen der Habsburger war es einst üblich, dass trauernde Fürstinnen eine Nonnentracht anlegten. Unser Bild zeigte Isabella Clara Eugenia, die 1566 geborene Tochter des wohl mächtigsten Mannes seiner Zeit: König Philipp II. war Herrscher über Spanien und Portugal samt den zugehörigen Kolonien in Amerika, Afrika und Asien - die Philippinen tragen noch heute seinen Namen. Auch in Europa waren ihm diverse Territorien untertan, etwa die Spanischen Niederlande, also der katholische Südteil der damaligen Niederlande, ungefähr das Gebiet des heutigen Belgien und Luxemburg.

Seiner Tochter Isabella vertraute der König diese Spanischen Niederlande an, als Mitgift zur Hochzeit mit dem österreichischen Erzherzog Albrecht VII. Dieser versuchte 1601, auch noch den letzten protestantischen Flecken in Flandern einzunehmen: die Hafenstadt Ostende. Das gelang zwar - aber das Elend der Belagerung zog sich mehr als drei Jahre hin, die Zahl der Todesopfer wird auf 90 000 oder mehr geschätzt. Isabella, so erzählt man sich, solle "den Schwur gethan haben, nicht eher ihre Wäsche zu wechseln, bis dieser Platze würde eingenommen sein", wie es das "Biographische Lexikon des Kaiserthums Oesterreich" von 1860 kolportiert. So habe "die Wäsche der Infantin während dieser Zeit jene falbe Farbe angenommen, welche noch heutzutage mit dem Namen Isabellfarbe bezeichnet wird".

Allerhand graugelbe bis cremefarbene Tiere tragen sie im Namen, vor allem Pferde und Hunde, aber auch der im Rätsel gezeigte Vogel: ein ISABELLWÜRGER. Die Vogelgattung der Würger heißt auf Lateinisch lanius, also Metzger - wohl wegen der Angewohnheit, Beutetiere auf Dornen aufzuspießen oder zwischen Zweige zu klemmen.

Das im Rätsel erwähnte blaue Etwas war Sauerstoff: Er kondensiert bei -183 °C zu einer hellblauen Flüssigkeit. Wenn unter Menschen ein Würger sein Unwesen treibt, gelangt nicht mehr genug Sauerstoff ins Gehirn, sei es durch abgeklemmte Blutzufuhr oder blockierte Atmung.

7. Der Ofen und die Pest

(Foto: Imago)

Ein seltsamer Würfel war das: Er zeigte den Wert 8 an, nicht in Form von acht Punkten, sondern als Ziffer. Die hölzernen Stege und die Spitzen im Hintergrund verrieten, dass er auf einem Backgammon-Brett lag. Das Spiel ist zwar in seinen Grundzügen schon seit dem alten Rom belegt, doch erst in den 1920er-Jahren kam ein heute übliches Element hinzu: der Dopplerwürfel. Fühlt sich ein Spieler im Vorteil, kann er den Wetteinsatz verdoppeln und zeigt dies an, indem er den Dopplerwürfel vor sich legt, mit der Zahl 2 nach oben. Die Gegnerin kann ihrerseits verdoppeln, und so fort: Der Würfel wird umgedreht auf 4, dann 8, 16, 32 und 64.

Im Rätsel begann nun eine Kaskade von Wortspielereien: Soweit man weiß, kam der Dopplerwürfel zunächst in den USA auf. Sein zweitniedrigster Wert lautet dort four, was sich genauso buchstabiert wie das französische Wort für Ofen (in der Bedeutung von Backofen; jenen zum Heizen nennt man poêle). Ofen wiederum war bis in die Zeit der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie auch der Name einer Stadt an der Donau - ihr deutscher Name wohlgemerkt: Ihr ungarischer lautete Buda. Die Stadt am gegenüberliegenden Ufer hieß Pest, 1873 wurden sie offiziell vereinigt zu Buda-Pest, und bald ging der Bindestrich verloren.

Die im Rätsel gesuchte "andere Hälfte" war also Pest, buchstabiert wie die gefürchtete Krankheit. Ihr Erreger wurde erst 1894 entdeckt, vom gebürtigen Schweizer Alexandre Yersin und, unabhängig davon, möglicherweise auch vom japanischen Bakteriologen Kitasato Shibasaburō. Heute ist das Bakterium nach Ersterem benannt: Es heißt YERSINIA pestis.

... und die versteckten Verse

Genau 99 bunt gemusterte Fliesen flankierten die Rätselfragen: In der gedruckten Zeitung bildeten sie einen Rahmen um die ganze Seite, in der digitalen Version trennten sie als Friese die Fragen voneinander. Ihre Abfolge war in beiden Varianten die gleiche - denn diese Fliesen codierten einen Geheimtext. Ihn zu entschlüsseln, erforderte Geduld: Zwölf verschiedene Ornamente in sechs Farbkombinationen waren zu sortieren. Das Muster einer Fliese gab an, aus welcher Rätselantwort der zugehörige Buchstabe zu entnehmen war, und die Farben präzisierten, welcher genau.

Dreierlei war dabei zu beachten: Erstens hatten die Farben bisher keine Rolle gespielt (im ISABELLWUERGER stand etwa für I und G unterschiedslos eine dunkelblau-gelbe Raute), nur für den Geheimtext wurden sie relevant. Zweitens war die Anordnung der Farben innerhalb einer Fliese gleichgültig (zum Beispiel, ob sie gelb-braun oder braun-gelb war). Drittens standen gleiche Fliesen zwar für den gleichen Buchstaben - aber nicht umgekehrt: Das E beispielsweise wurde durch sechs verschiedene Fliesen codiert. Dies war nötig, um erfahrene Codeknacker daran zu hindern, ihr wichtigstes Werkzeug einzusetzen: die Häufigkeitsanalyse. Hätte für jedes E die gleiche Fliese gestanden, so wäre diese schnell aufgefallen als weitaus häufigste. Ähnliches gilt für die nächst häufigsten Buchstaben N, I, R, T, S und A. Mit diesem Vorwissen kann man eins-zu-eins-codierte Geheimtexte gut entschlüsseln - und hätte ganz ohne Ahmed, Sampi und Yersinia zur Lösung springen können. Wäre ja langweilig gewesen.

Wer all dies ausgetüftelt hatte, konnte mithilfe der bisherigen sieben Antworten den Geheimtext rekonstruieren, jedenfalls Teile davon: Er endete mit "S·RK··HA·EN", was man versuchsweise zum Wort "SARKOPHAGEN" ergänzen konnte. Die so hinzugewonnenen Buchstaben füllten weitere Lücken, ließen etwa das Wort "AU·RE·HT" erscheinen, was wohl "AUFRECHT" hieß und wiederum die Buchstaben F und C freigab. So ließ sich fast die ganze Botschaft entschlüsseln: "... jedoch, / Die sonst so still dort lagen, / O Wunder! sie saßen aufrecht jetzt / Auf ihren Sarkophagen."

Wir danken für 1836 Einsendungen. Das goldrichtige Lösungswort fanden 1254 Teilnehmende. Simon Burger aus Nürnberg hatte zudem Losglück: Er gewinnt eine exklusive Audienz - nicht bei den Heiligen Dreien, sondern einer anderen Königin des Altertums, die nach Deutschland verbracht wurde: bei der Nofretete-Büste im Neuen Museum zu Berlin. (Foto: Imago)

Offen blieb zunächst, wer da saß. Man konnte diese Verse kennen oder suchen - und fand sie in "Deutschland. Ein Wintermärchen" von Heinrich Heine. Seine 1844 gereimte Satire über die rückwärtsgewandte, deutschtümelnde Heimat packte er so voll mit Spitzen und Anspielungen auf die damaligen politischen Verhältnisse, auf Gesellschaft und Kulturbetrieb, dass ein heutiger Leser sie nur mithilfe umfassender Erläuterungen (oder mit Geschichtsstudium) voll auskosten kann.

In Caput VII träumt der Erzähler von einem nächtlichen Besuch im Kölner Dom, wo er auf drei sehr lebendige Totengerippe trifft: "Die heil'gen drey Könige". Sie waren die Wegweiser zur Lösung des Weihnachtsrätsels. Als versteckter Hinweis auf die Heiligen war auch der angebliche Erscheinungstag der Auflösung zu deuten: In der Print-Ausgabe war der 6. Januar angekündigt - also der Dreikönigstag, obwohl er gar nicht stimmen konnte: In Bayern, wo die SZ erscheint, ist das ein Feiertag, dieser Text hier würde also schon am 5. Januar erscheinen.

Mit der Buchstabenfolge "DIE HEILIGEN DREY KOENIGE" ließ sich auch der letzte Geheimtext entschlüsseln, er lautete: "Hängt sie in ihre Käfige". Das war ein weiterer Verweis auf Heines "Wintermärchen", denn an anderer Stelle, in Caput IV, spottet der Erzähler über die berühmten Vertreter der Kirche und des Adels, also zweier Obrigkeiten zugleich: "Die heil'gen drey Kön'ge aus Morgenland, / Sie können wo anders logiren. / Folgt meinem Rath und steckt sie hinein / In jene drey Körbe von Eisen, / Die hoch zu Münster hängen am Thurm, / Der Sankt Lamberti geheißen." Dort, am Kirchturm im nordrhein-westfälischen Münster, hängen noch heute drei Eisenkäfige, in denen einst tatsächlich Leichen zur Schau gestellt wurden: drei hingerichtete Wiedertäufer. Die anfangs kleine Gruppe reformatorischer Eiferer hatte 1534 die Stadt übernommen, um daraus eine Art Gottesstaat zu machen. Doch der Bischof ließ die Stadt belagern und, nach der Rückeroberung, zur Abschreckung drei Anführer der Täufer hoch oben am Kirchturm verrotten.

Diese schaurigen Käfige, die Heine nun den Heiligen Drei Königen zudachte, waren im Rätsel als Gitter angedeutet - und in die weißen Felder passten genau die Namen der Delinquenten: in der Mitte Johann BOCKELSON, auch Jan VAN LEIDEN genannt, links Bernd KNIPPERDOLLING und rechts Bernd KRECHTING. Von ihren Namen sind unterschiedliche Schreibvarianten überliefert, wie so oft, die Felderzahlen machten aber eindeutig, welche jeweils gemeint war.

Einige Buchstaben kamen auf goldenen Ringen zu liegen, jeder mit einem dunklen Segment. Sortierte man die Ringe so, dass diese Segmente einmal im Uhrzeigersinn herumwanderten, so buchstabierte sich das elfbuchstabige Lösungswort. Zehn Ringe genügten dafür, eben weil die Buchstaben ringsum gezählt wurden, sodass der erste zugleich als letzter, zusätzlicher Buchstabe dienen konnte: Des Weihnachtsrätsels Lösung war GOLDRICHTIG.

Sind noch Fragen offen? Was hat Ihnen gefallen, was sollen wir nächstes Mal verbessern? Wir freuen uns auf Ihre Mail an nussknacker@sz.de

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