Das junge Mädchen wollte keine Wii zu Weihnachten und auch kein neues Fahrrad. Größere Brüste sollten es sein. Mindestens eine, wenn nicht zwei Körbchengrößen mehr als das, was die 16-Jährige derzeit im Spiegel erblickt. Immer wieder trifft die plastische Chirurgin Constance Neuhann-Lorenz in ihrer Münchner Praxis auf Jugendliche, deren Wunsch nach einem Umbau des eigenen Körpers so groß ist, dass andere Teenager-Sehnsüchte dagegen verblassen.
Um junge Menschen vor den Folgen solchen Schönheitswahns zu schützen, möchten CDU, CSU und SPD Schönheitsoperationen bei Jugendlichen verbieten, die medizinisch nicht sinnvoll sind. Zwar ist ein solches Verbot nicht schriftlich fixiert; doch grundsätzlich sind sich die gesundheitspolitischen Verhandlungsführer einig: "Gefährliche und unnötige Eingriffe dürfen bei Minderjährigen nicht sein", sagt SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Und sein Kollege Jens Spahn von der CDU ergänzt: "Eine Brustvergrößerung als Geschenk für eine 15-Jährige finde ich völlig inakzeptabel." Das Verbot sieht er als einfaches Mittel, um Teenager zu schützen: "Wenn die SPD mitmacht, können wir es bald regeln.
Supermodel dank Brust-OP
Die Münchner Chirurgin Neuhann-Lorenz ist von dem Vorhaben "entzückt", wie sie sagt: "Einen solchen Schritt fordere ich seit Jahren." Zweifelsohne würde das Verbot nicht alle jungen Leute von der Operation abhalten, die sie auch im Ausland vornehmen lassen könnten. "Aber es würde sie zumindest zum Nachdenken bringen", sagt die Fachärztin für Plastische und Ästhetische Chirurgie. In ihrer Praxis trifft sie auch auf Familien, bei denen die Eltern die treibende Kraft sind: "Manchmal tauchen die Jugendlichen hier gleich mit ihrer Mutter und ihrem Manager auf. Sie wollen einen größeren Busen, weil sie ihre Modelkarriere damit befördern wollen", sagt Neuhann-Lorenz. "Die Mädchen denken, das sei die Chance ihres Lebens."
Mädchen sind in diesem Alter körperlich allerdings oft noch nicht vollständig entwickelt, sagt Martin Spiering, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC). Auch sollten sie geistig die Folgen einer solchen OP nachvollziehen können. Deshalb sollten Ärzte die Motivation hinterfragen und die Teenager wieder wegschicken, wenn sie nur einer fixen Idee oder einer Modeerscheinung nachhängen.
"Jeder Arzt darf machen, was er sich zutraut"
Sie haben eine so schlanke Figur - möchten Sie wirklich einen so großen Busen dazu? Wollen Sie ernsthaft Unterwäsche-Model werden? Wissen Sie eigentlich, dass auch Risiken mit einem solchen Eingriff verbunden sind? Wenn Constance Neuhann-Lorenz so mit den Jugendlichen spricht, kommen die meist nicht wieder in ihre Praxis. Aber sie finden oft einen anderen Arzt, der ihre Ideen umsetzt.
"Seriöse Chirurgen vergrößern Minderjährigen nicht die Brüste, operieren ihnen nicht die Nase und saugen auch kein Fett ab", sagt Neuhann-Lorenz. "Aber es gibt auch Ärzte, die für Geld alles machen." Ein Problem dabei: Schönheitschirurg, ist kein geschützter Beruf. "Jeder darf machen, was er sich zutraut", sagt Spiering. Da greifen Zahnärzte zur Botox-Spritze und Kieferchirurgen machen Brüste.
Laut Umfragen kann sich jeder fünfte Jugendliche eine Schönheitsoperation vorstellen, doch die wenigsten legen sich tatsächlich unters Messer. Die Nachfrage sei klein, sagt DGÄPC-Sprecher Spiering. Nur etwa ein Prozent der rund 250 000 Eingriffe jährlich würden bei Minderjährigen vorgenommen. Und dabei würden in 80 Prozent der Fälle Segelohren angelegt. Der zweithäufigste Eingriff findet bei jungen Männern statt, die eine weiblich anmutende Brust haben.
Frühe OPs können im Einzelfall richtig sein
Solche Korrekturen sind nach Meinung der Fachgesellschaften wegen des psychischen Leidensdrucks durchaus sinnvoll - und sie sollten früh vorgenommen werden. Dann kommt es gar nicht erst zu Hänseleien. Zudem ist der Knorpel der Ohren bei Kindern noch weich: Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für Korrekturen deshalb meist nur bis zur Pubertät. Auch eine Operation der weiblichen Brust könne im Einzelfall schon früh richtig sein, sagt Neuhann-Lorenz: "Es gibt 12-Jährige mit einem Monsterbusen, die nicht mal mehr zum Turnen gehen mögen."
Ein Verbot nicht notwendiger Eingriffe würde aber auch die Bundesärztekammer (BÄK) "ausdrücklich begrüßen": "Wir dürfen nicht hinnehmen, dass die Schönheitsindustrie unser Menschenbild definiert." Verbote allein reichten allerdings nicht aus, sagt die BÄK, es sei auch eine Wertediskussion nötig. "Die jungen Leute müssen erkennen, dass Schönheitsoperationen uncool sind."