SZ-Forum: Lebensmittelqualität:Der wahre Wert des Essens

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Lebensmittel sind in Deutschland so billig wie in kaum einem anderen Land. Den Preis dafür zahlen andere.

Alina Fichter

Kleine gelbe Knäuel fallen auf das Fließband, es zirpt und zwitschert. Die Küken sind frisch geschlüpft, aber das Tageslicht werden sie in ihrem Leben nicht erblicken. Die meisten werden in Plastik eingeschweißt in der Kühltruhe eines Supermarktes enden, schön günstig für die Verbraucher. So sieht die Realität in der Tierzucht aus. Doch wollen wir das, Fleisch aus Massenhaltung? Wer bestimmt wirklich, was wir essen - ist es die Politik, die Industrie oder sind wir selbst dafür verantwortlich? Diese Frage stellte Sybille Giel vom Bayerischen Rundfunk (BR) zum Abschluss der ARD-Themenwoche in einer Podiumsdiskussion, die zusammen mit der Süddeutschen Zeitung (SZ) veranstaltet wurde.

Wer bestimmt, was wir essen - Politik, Industrie oder wir selbst? Diese Frage stellte Sybille Giel vom Bayerischen Rundfunk zum Abschluss der ARD-Themenwoche in einer Podiumsdiskussionmit in Zusammenarbeit mit der Süddeutschen Zeitung. (Foto: ddp)

"Der Preis für Lebensmittel ist billig, aber nicht recht", kritisierte Heribert Prantl, Leiter der Innenpolitik der SZ, bei seiner Begrüßung. Im Jahr 1800 musste eine fünfköpfige Maurer-Familie in Berlin noch fast drei Viertel des Familieneinkommens für Nahrung ausgeben, davon über die Hälfte für Brot. "Verglichen damit sind Lebensmittel heute unvorstellbar billig", sagte Prantl. Gut so, könnte man jetzt sagen, weil hierzulande weniger Menschen hungern müssen als damals. Das Problem ist nur, dass sich kaum ein Verbraucher fragt, woher das Hühnerfilet in der Kühltheke kommt. Mehr noch: "70 Prozent der Kinder wissen gar nicht mehr, wie eine Paprika eigentlich aussieht", sagte Johanna Heigl, Landwirtin, die mit Grundschülern kocht und ihnen Wissenswertes über Ernährung beibringt.

Aber tragen nicht auch Supermärkte eine gehörige Verantwortung, die Verbraucher aufzuklären, statt sie mit immer günstigeren Angeboten zu locken? "Der Handel hat die Verbraucher rein auf den Preis konditioniert", sagte Klaus Wiegandt, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Metro-Konzerns. Darunter habe auch die Qualität der Lebensmittel gelitten. Dies rückgängig zu machen, sei schwierig: "Discounter stehen unter unheimlichem Wettbewerbsdruck" ergänzte er. Wiegandt sei einer, der sich vom Saulus zum Paulus gewandelt habe, sagte die Moderatorin. Seit er mit 60 Jahren in den Ruhestand ging, klärt er als Vorstand des "Forum für Verantwortung" Verbraucher auf, wie sie nachhaltig einkaufen sollten.

Der Anstoß zu besserer Qualität bei Lebensmitteln müsse von den Konsumenten ausgehen, darüber waren sich die Diskussionsteilnehmer weitgehend einig. Verändere sich das Verhalten der Verbraucher, so ändere das auch das Verhalten der Anbieter, sagte Felix Prinz zu Löwenstein, Ökolandwirt und Vorsitzender des Bundes ökologische Lebensmittelwirtschaft. Solange sich Konsumenten nur vom Preis leiten ließen, bliebe alles beim alten. Noch etwas ist Löwenstein wichtig: "Wir müssen in Zukunft weniger Fleisch essen". Die jetzige Nachfrage sei so hoch, dass sie nur durch Massenproduktion zu befriedigen sei. Dass es gar nicht so einfach ist, das eigene Verhalten umzustellen, weiß auch Johanna Heigl: "Wenn ich eine Mehlspeise oder nur Gemüse auf den Tisch stelle, ziehen meine Söhne die Nase hoch." Sie mache es trotzdem.

Die Veranstaltung wurde von BR-alpha aufgenommen und wird am 30. Oktober um 22.30 Uhr in der Sendung "Denkzeit" ausgestrahlt.

© SZ vom 29.10.2010/holl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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