Spionagemuseum Berlin:Glasauge, sei wachsam

Spionage-BH, KGB-Walnuss und Körpergeruch im Glas: Wer das neue Spionagemuseum in Berlin besucht, kann selbst vor Kleintieren Angst bekommen. Die kuriosesten Agenten-Werkzeuge.

Von Ruth Schneeberger, Berlin

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(Foto: Spy Museum Berlin)

Kennen Sie den "Bulgarischen Regenschirm"? Das ist keine dumpfe Redensart, sondern eine scharfe Waffe. Mit einem präparierten Schirm wie diesem wurde 1978 der bulgarische Schriftsteller und Dissident Georgi Markow ermordet - und zwar von einem Agenten des bulgarischen Geheimdienstes; so wird es zumindest vermutet. Fakt ist, dass Markow an jenem 7. September (dem Geburtstag des von ihm stark kritisierten damaligen bulgarischen Staats- und Parteichefs Todor Schiwkow) auf der Waterloo Bridge in seinem Exil in London mit einem solchen Schirm am Unterschenkel verletzt wurde. Drei Tage später war er tot. Bei der Obduktion wurden zwei winzige Kügelchen in Markows Körper entdeckt, die über die Schirmwaffe in sein Bein injiziert worden sein sollen, gefüllt mit einer tödlichen Menge des pflanzlichen Giftes Rizin. Dieser spektakuläre Fall von Vergiftung wurde in dem französischen Film "Der Regenschirmmörder", weiteren Thrillern und in diversen TV-Serien verarbeitet. Der wahre Täter jedoch wurde nie gefasst. Den Mord mit dem Regenschirm kannten Sie schon? Wie sieht es mit folgenden Kuriositäten aus? Sie alle stammen aus dem am Wochenende frisch eröffneten "Spy Museum" in Berlin, dem angeblich einzigen Spionagemuseum Deutschlands.

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(Foto: imago/Thomas Lebie)

Dies ist die Waffe einer Frau, und zwar einer DDR-Agentin aus den 80er Jahren. Ein Loch mitten im BH gab einer umgeschnallten Mini-Kamera die Sicht auf die Zielperson frei. 600 Mark Belohnung bekam ein sogenanntes Neuerer-Kollektiv der Staatssicherheit damals für die Idee eines Sommerkleides, das den Spionage-BH tarnte. Ein weiteres Spionagewerkzeug für Agenten-Ladies war die von außen täuschend echt aussehende Lippenstiftpistole, mit der 1965 in West-Berlin eine Spionin aus dem Osten erwischt wurde.

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(Foto: Spy Museum Berlin)

Auch vor der Aufrüstung von Tieren schrecken Geheimdienste nicht zurück. Noch im Zweiten Weltkrieg wurden Tauben mit Fallschirmen abgeworfen, um eine sichere Kommunikation zu ermöglichen. Inzwischen sind die Agenten etwas weiter. "Acoustic Kitty" etwa war eine Katze in CIA-Diensten. Ihr Auftrag lautete, sich nonchalant an Staatsführer heranzuschleichen und deren Gespräche abzuhören. Mehrere Katzen wurden von Geheimdiensttechnikern chirurgisch ausgestattet mit Mikrofonen, Antennen und Batterien. Das Projekt soll 15 Millionen Dollar gekostet haben, wurde aber schnell beendet: Bei ihrem ersten Einsatz wurde Kitty Nr. 1 von einem Taxi überfahren. Erfolgreicher sind offenbar Delfine, Seelöwen und Wale, die für die US-Marine arbeiten und in der Tiefe der Meere Minen aufspüren. Im Iran-Irak-Krieg sicherten Tümmler das Kommandoschiff USS LaSalle im Persischen Golf. Im Kalten Krieg sollen sie darauf trainiert worden sein, verlorengegangene Atombomben am Meeresgrund aufzuspüren. Und innerhalb kürzester Zeit wird eine Biene zum Spion: Honigbienen lernen schnell, selbst in schwierigen Geruchsumfeldern Einzeldüfte mit großer Präzision ausfindig zu machen. Es dauert nur zwei bis drei Stunden, um sie darauf abzurichten. Zum Vergleich: Menschen brauchen bis zu drei Jahre für die Ausbildung zum Geheimagenten, wie das Museum in Berlin auf Schautafeln erklärt. Doch bevor Sie sich jetzt bewerben: Bei offensiven Angeboten ist man in Agentenkreisen eher misstrauisch, erfährt man hier. Zu groß sei die Gefahr, dass der Feind die Hand dabei im Spiel hat. Geheimdienste suchen sich ihre Mitarbeiter eher selber aus. Oder eben gleich unverdächtige Tiere: Die US-Terrorabwehr rechnet offenbar damit, dass Bienen bald Soldaten vor versteckten Bomben schützen können.

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(Foto: Spy Museum Berlin)

Hier sehen Sie: Körpergeruch im Einweckglas. Das ist kein Witz, sondern war in den 70er Jahren eine gängige Polizeimethode in der DDR, um politischen Straftätern habhaft zu werden. DNA-Analyse gab es noch nicht, ergo wurde der Nachweis des "olfaktorischen Fingerabdrucks" entwickelt. Regimegegner wurden auf zuvor präparierte Stühle gesetzt und sterile Tücher unters Hemd oder in die Lendengegend gesteckt. Extra abgerichtete Spürhunde, "Differenzierungshunde" genannt, konnten die Geruchsproben bei "Bedarf" später identifizieren. Solche Proben wurden vielen Menschen ohne ihr Wissen abgenommen, die Stasi schickte auch Geheimpolizisten zu Hausdurchsuchungen mit diesen Weckgläsern los, versteckt in unauffälligen schwarzen Aktentaschen. Heimlich wurden Kleider mit Tüchern abgerieben, um sie wie Gewürzgurken in schlichten Einmachgläsern zu lagern. So sammelte die Stasi die Aromen der DDR-Bürger, welche heute noch in Archiven in Berlin und Leipzig vor sich hin dünsten.

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(Foto: Spy Museum Berlin)

Sie haben Ihre Geruchsproben schon alle ausfindig gemacht? Dann überrascht Sie vielleicht diese Attentatswaffe aus dem Zweiten Weltkrieg - es sei denn, sie kennen Sie schon aus Tarantinos "Inglourious Basterds". Entwickelt wurde die Faustwaffe einst von den Amerikanern, um auf Knopfdruck einen garantiert tödlichen Schuss abgeben zu können. Eine unauffälligere Weiterentwicklung ist eine Gaspistole, die bevorzugt von KGB-Agenten zu Zeiten des Kalten Krieges benutzt wurde und, da sie die Form eines kleinen Stabes hatte, jederzeit unter einer Zeitung verschwinden konnte.

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(Foto: Spy Museum Berlin)

Noch älter, nämlich aus dem Ersten Weltkrieg, soll dieses Agentenwerkzeug sein: ein einfacher und wirklich winziger Knopf von höchstens zwei bis drei Zentimetern Durchmesser. Auf dessen Rückseite ist in noch viel winzigerer Geheimschrift eine geheime Botschaft versteckt. Man vermutet darin einen geheimdienstlichen "Container". Container ist Agentensprech für einen Aufbewahrungsort von Codes und Botschaften. Ein sehr viel ungewöhnlicherer Container war übrigens das später extra dafür entwickelte Glasauge, in dem ebenfalls geheime Botschaften versteckt worden sein sollen.

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(Foto: Spy Museum Berlin)

Nichts ist offenbar zu doof, um daraus keinen Container machen zu können. Hier die KGB-Walnuss. Der sowjetische Geheimdienst hat eine handelsübliche Nuss ausgehöhlt, um darin eine Chiffreliste zu verstecken, gesichert mit einem Einmal-Schloss. Gefunden wurde sie angeblich bei einem KGB-Agenten in der BRD. Gar nicht so weit hergeholt, aber umso hübscher verpackt war übrigens ein Geheimdienstcontainer, der in den 1950er Jahren im Büro des bayerischen SPD-Bundestagsabgeordneten Alfred Frenzel stand - in Form einer güldenen Statue mit hohlem Marmorsockel. Als der Politiker 1960 als Agent des tschechoslowakischen Geheimdienstes enttarnt wurde, wurde sein Geheimversteck entdeckt. Bei unsachgemäßer Öffnung wäre in der Statue eine Sprengladung explodiert.

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(Foto: imago/Thomas Lebie)

Weniger explosiv ist dieses hübsche Agentenwerkzeug, das es trotzdem in sich hat: Die Stasi hat das Reiseschachspiel mit Geheimfächern ausgestattet, in denen sowohl eine Kamera als auch zwei Filmkassetten Platz fanden.

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(Foto: Spy Museum Berlin)

Und wieder grüßt die Stasi, diesmal aus einer mit Kamera und Abhörtechnik präparierten Gießkanne, die 1982 bei der Beerdigung des DDR-Dissidenten Robert Havemann zum Einsatz kam - um die Gäste zu bespitzeln.

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(Foto: Spy Museum Berlin)

Da das neue Spionagemuseum mitten in Berlin angesiedelt ist, der ehemaligen Hauptstadt der Überwachung, liegt es nahe, dass hier besonders viele Zeitzeugen des Kalten Krieges ausgestellt sind - und natürlich DDR-Spitzel-Werkzeuge. So auch dieser Trabi mit eingebautem Infrarotblitzlichtern und Spezialkameras in der Seitentür. Das private Museum hütet sich allerdings vor Bewertungen der Agententätigkeit als solcher oder einzelner Spionagewerkzeuge im Besonderen und auch der Einschätzung der ausufernden Spionage heutiger Geheimdienste, die es trotzdem mittels neuer Medien darzustellen versucht. Das "Spy Museum" am Leipziger Platz 7 in Berlin versteht sich als Ort des "Edutainment". Es hat am Samstag, 19. September, eröffnet und ist täglich von 10 bis 20 Uhr geöffnet, weitere Infos hier.

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