Präimplantations-Diagnostik:Ein Urteil für das Leben

Der Bundesgerichtshof hat eine längst notwendige Entscheidung gefällt: Gentests an Embryonen auf genetische Defekte sind nicht strafbar.

Wolfgang Janisch

Es gibt eine ganze Reihe von Argumenten, die eine nüchterne Diskussion über Fluch oder Segen der Präimplantationsdiagnostik (PID) nahezu unmöglich machen. Die PID, also die Untersuchung des Erbguts eines im Reagenzglas gezeugten Embryos vor seiner Einpflanzung in den Mutterleib, schaffe die Voraussetzung zur Herstellung von Designerbabys, lautet eines dieser Argumente - blauäugig und blond, auf Bestellung, sozusagen. Die PID ermögliche die Selektion und die Tötung unwerten Lebens, lautet ein anderes.

Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden - der Berliner Gynäkologe, der sich wegen Gentests an Embryonen selbst angeklagt hatte, wurde frei gesprochen. (Foto: ag.ddp)

Es ist einem Berliner Gynäkologen zu danken, dass er sich selbst in die Rolle des Angeklagten begeben hat, um in diesem ideologisch verminten Gelände endlich Klarheit zu erwirken. Denn sein nun vom Bundesgerichtshof entschiedener Fall zeigt, worum es wirklich geht. Es geht um Paare, die sich Kinder wünschen, aber mit genetischen Schäden rechnen müssen, von denen das Down- Syndrom nicht einmal das Schlimmste ist. Es geht um Mütter, die ohne PID abwarten müssten, bis der Zellhaufen in ihrem Bauch zu einem Kind mit Händen und Füßen herangewachsen ist - das sie, wenn das genetische Risiko zur bitteren Realität geworden ist, ganz legal abtreiben dürfen. Und es geht um Ärzte, die Menschen vor traumatischen Erfahrungen zu bewahren vermögen, wenn man sie lässt - Erfahrungen, an denen Beziehungen scheitern und Persönlichkeiten zerbrechen können.

20 Jahre nach Erlass des Embryonenschutzgesetzes, an dessen Überarbeitung sich der Gesetzgeber offenkundig nicht herantraut, hat der Bundesgerichtshof nun Rechtssicherheit geschaffen. Es ist ein gutes Urteil, denn es ist ein Urteil für das Leben.

© SZ vom 07.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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