Leuten wie mir, die seit vielen Jahren für einen humanen Umgang mit Flüchtlingen werben, wird gern und fälschlicherweise unterstellt, sie würden die unbeschränkte Einwanderung und die unbeschränkte Aufnahme propagieren. Das tue ich nicht. Das schöne Lied "Macht hoch die Tür, die Tor macht weit" - ich singe es an Weihnachten ganz gerne, aber es ist kein politisches Motto für die Migrationspolitik. Ich werbe für eine differenzierte, pragmatische und rechtsstaatliche Einwanderungspolitik.
Ich weiß, dass "wir" nicht "alles Leid der Welt" aufnehmen können. Das tun wir auch nicht. Aber: Ich war und bin dagegen, Flüchtlinge absichtlich schlecht zu behandeln, um auf diese Weise "Anreize" zu begrenzen; Flüchtlinge sind keine Pawlowschen Hunde. Ich war und bin dagegen, Flüchtlinge als Menschen dritter Klasse zu sehen. Ich bin dagegen, weil solche politische Rohheit sich verbreitet; sie wird dann demnächst auch andere Gruppen treffen.
Ich war und bin dagegen, dass Asylpolitik, dass Politik überhaupt gemacht wird nach dem Motto "Wo gehobelt wird, da fallen Späne"; Flüchtlinge, Flüchtlingsfamilien sind keine Späne. Und falsche Politik wird nicht richtig, wenn und weil die Zahl der Flüchtlinge ansteigt.
Ich war und bin dagegen, dass über Menschen mit juristischen Fiktionen entschieden wird. Senegal und Ghana als sichere Herkunftsländer? Die Türkei als sichereres Drittland? Unsichere Staaten kann man nicht per Definition für sicher erklären. Definitionen ändern nichts an der Realität. Wenn Definitionen die Realität leugnen, sind sie Lüge.
Es gibt die Leute, die mich in Mails und Briefen fragen: "Wie viele Flüchtlinge haben Sie denn schon aufgenommen in Ihrer dreihundert-Quadratmeter-Wohnung, Herr Prantl?" Erstens habe ich keine große Wohnung. Zweitens antworte ich: Darf sich für eine humane Behandlung von Flüchtlingen nur derjenige einsetzen, der einen Flüchtling in seinem Arbeitszimmer einquartiert hat? Drittens sollten, denke ich, staatliche Aufgaben nicht privatisiert und zum Problem der Wohltätigkeit einzelner Bürger gemacht werden - ob bei der Bildung, der Armutsbekämpfung oder der Unterbringung von Flüchtlingen.
Wie die Flüchtlingskrise bewältigen? Mit dem Münchner Elan
Natürlich bedarf es aber des persönlichen Engagements; hier sollte jeder tun, was er gut kann. Wenn einer oder eine die Möglichkeit hat, bei sich Flüchtlinge aufzunehmen, wunderbar! Der eine spielt Fußball mit syrischen Jungs; die andere bringt Albanern Deutsch bei, der Tüftler repariert Fahrräder für Flüchtlinge; der Handwerker baut kostenlos Bäder in Wohnungen.
Und ich? Ich kann verheimlichte politische Pläne öffentlich machen, Gesetzentwürfe studieren, zerlegen, beschreiben und in Vorträgen kritisieren. Mir sind unglückliche und glückliche Flüchtlinge begegnet, an den Außengrenzen, in den Flüchtlingslagern; gut integrierte Flüchtlinge und solche in Abschiebehaft. Wir haben geredet und geredet und gegessen und manchmal gesungen. Manchmal fehlten mir auch die Worte; manchmal weiß man nicht mehr, was man sagen soll.
Nun ist es einfacher zu sagen, was nicht geht, als zu sagen, was geht. Dies ist so, weil es "die" Lösung für eine Bewältigung der Flüchtlingskrise nicht gibt. Es gibt nur eine Vielzahl von einzelnen Maßnahmen, die sich aber alle messen lassen müssen an dem, was nicht geht. Eine Verletzung des Maßstabs der Menschenwürde geht nicht. Das gilt für die Beschleunigung der Asylverfahren, das gilt für beschleunigte Abschiebung.
Verschiedentlich wird die Wiedererrichtung von Grenzen in Europa gefordert und die Einrichtung von Transit- und Haftzonen, die Renationalisierung also - um dann so, mit dem Verzicht auf das grenzenlose Europa, der Flüchtlinge angeblich besser Herr zu werden. Das gilt als Pragmatismus, als Realismus gar. Aber was soll pragmatisch daran sein, dass jeder Staat einfach dichtmacht und die Probleme dem Nachbarstaat aufhalst? Ist Sankt-Florians-Politik pragmatische Politik?
Gute pragmatische Politik - das war und ist für mich die Politik des Münchner Oberbürgermeisters Dieter Reiter. Pragmatische Politik ist es, anzupacken und Probleme menschlich zu lösen, so wie das die Kommunal- und Bezirksverwaltungen in München getan haben. Pragmatische Politik ist es, sich nicht mit Paragrafen die Augen zuzuhalten.
Wenn ich gefragt werde, wie denn die Flüchtlingskrise bewältigt werden soll, dann lautet meine allererste Antwort: mit dem Münchner Elan. Das ist die Haltung, die ich mir auch in der bayerischen Staatskanzlei, die ich mir auch in Berlin und in Brüssel wünsche, von Juncker, von Merkel, von de Maizière, von Altmaier.