In die meisten deutschen Familien schleichen Marshall, Chase, Rubble, Rocky, Zuma, Skye und Ryder sich mit einem geheimnisvollen Wort ein. Die ersten paar Male überhört man es fast, wieder so ein Quatschwort aus dem Kindergarten, irgendwas mit Popel anscheinend. "Popopel!" sagen die Kinder jetzt öfter oder "Papa Troll". Es dauert ein bisschen, bis man checkt, dass mit diesem Wort der heißeste Kleinkinderscheiß seit mindestens Feuerwehrmann Sam, Eiskönigin und Janoschs Tigerente zusammen in die Familie eingezogen ist.
Kurz zusammengefasst, denn das Ding ist so groß, dass auch Eltern, deren Kinder der Zielgruppe entwachsen sind, zumindest in Umrissen Bescheid wissen sollten: "Paw Patrol" ist eine unfassbar erfolgreiche kanadische Zeichentrickserie für Kindergartenkinder, die man in 160 Ländern weltweit und in Deutschland bei Netflix und auf Super RTL gucken kann. Jede Folge der mittlerweile fünf Staffeln ist elf Minuten lang, wobei auf Netflix immer zwei hintereinander abgespielt werden, und kein Kind den Computer nach der ersten zuklappt.
Die Serie handelt von dem zehnjährigen Jungen Ryder, der ein etwas zu gut gelaunter Tech-Nerd ist, in der Adventure Bay lebt und unerklärlicherweise eine "Zentrale" (in Form eines Turms mit Big-Brother-Funktionen) besitzt, aus der heraus er - und jetzt kommt's - seine sechs Hunde, die Paw Patrol, also die "Tatzen-Patrouille", durch die Gegend schickt. Das Ziel: Wale, Hühner, Menschen retten, die in Not geraten sind. Also so eine Art "Bergdoktor" für Kleinkinder.
Ähnlich wie beim "Bergdoktor" wirkt der Plot jeder Folge wie von einem Algorithmus erstellt: Die sechs - schlimmes Wort - "Fellfreunde" hüpfen herum, und der nervige Eingangssong erklingt ("Kein Job ist zu groß, kein Hund ist zu klein, Popopel, wir greifen ein!"), dann passiert irgendwas, alle müssen in die Zentrale, bekommen ihre Besondere-Fähigkeiten-Rucksäcke auf, haben plötzlich Schuhe mit riesigen Saugnäpfen, Netze, mit denen sie auf Jagd gehen, und sagen: "Die Paw Patrol meldet sich hiermit zum Dienst!" Und nach elf Minuten sind alle gerettet, die Hunde kriegen einen Hundekeks und kichern debil glücklich vor sich hin.
Ist das gut? Na ja, das kommt auf die Perspektive an. Was man sagen kann: Es ist sehr gut gemacht. Auf die Idee, eine Action-Abenteuer-Serie mit niedlichen Welpen zu produzieren, die sich dann auch noch Inspector-GadgetTechi-mäßig in Spezialkräfte verwandeln können, muss man schließlich erst mal kommen. Der Mann, der sich das ausgedacht hat, heißt Keith Chapman, und er soll mittlerweile in Monaco leben, was auch immer das zu bedeuten hat.
Keith Chapman, eigentlich Engländer, hatte sich zuvor schon "Bob der Baumeister" ausgedacht, aber die Idee mit den Hunden schien ihm noch mehr Potenzial zu haben, schließlich könnte man damit auch die "Gender Line" überschreiten, also nicht nur Jungs, sondern auch Mädchen ansprechen. Und tatsächlich gucken "Paw Patrol" laut Produktionsfirma Spin Master zu 48 Prozent Zuschauerinnen.
Umso entsetzter darf man sein, dass die Serie, die 2013 erstmals ausgestrahlt wurde, mit der rosa behelmten Skye nur ein einziges Mädchen im Hundekernteam hat - und Schlaumeierchef Ryder ist auch ein Junge. Nicht so ganz einig sind sich Erwachsene allerdings beim Geschlecht von Wasserrettungshündchen Zuma. Zum Glück können die Kinder erklären, dass Zuma männlich sein muss, weil Mädchen bei der Paw Patrol "lange Wimpern mit nach oben gebogen und so einen Strich auf dem Auge" haben und Zuma eben nicht. Dabei kommt die Serie doch aus Kanada! Immerhin gibt es ein berühmtes Foto, auf dem der für seine Fortschrittlichkeit in Geschlechterfragen berühmte kanadische Premierminister Justin Trudeau seinen jüngsten Sohn an Halloween durch die Gegend trägt - in einem Skye-Kostüm.
Und dann fällt einem bei all dem Wundern über "Paw Patrol" doch etwas auf, das vieles wettmacht: Die Serie setzt kein bisschen auf irgendeinen nostalgischen Retro-Effekt, durch den Erwachsene an ihre eigene Kindheit erinnert werden sollen. Das machen, wenn man mal drauf achtet, die allermeisten neuen Serien für Kinder. Die "Paw Patrol" biedert sich kein bisschen bei den Erwachsenen an. Weshalb wir sie richtig schön blöd finden dürfen - und die Kinder sie ganz für sich allein haben.