Gewinnspiel:Des Osterrätsels Lösung

Lesezeit: 11 min

(Foto: SZ-Grafik)

Welche Heilige amputiert ein Pferdebein? Was macht ein Haha im Stadtpark? Und welches Rezept kennt Gott allein? Vor zwei Wochen stellten wir viele merkwürdige Fragen - und versteckten ein Ei an der Landesgrenze. Hier verraten wir alle Geheimnisse.

Von Oliver Rezec

Gemütlich zu Hause bleiben und rätseln - oder doch noch den Rucksack packen und das Osterei suchen? Man hat ja nicht unbedingt Zeit und Nerven für eine spontane Rätselreise an den Rand der Republik. In Passau allerdings wunderten sich die Mitarbeiter eines Museums, warum plötzlich so viele Besucher eine ganz bestimmte Schublade sehen wollten ...

1. Das teuflische Logikrätsel

(Foto: SZ)

Welcher Heilige zwickte da mit seiner Schmiedezange eine Dame in die Nase, während seine andere Hand ein amputiertes Pferdebein hielt? Es war Sankt Eligius, der Schutzpatron der Gold- und Hufschmiede. Einem störrischen Pferd, so will es die Legende, trennte er kurzerhand das Bein ab, beschlug den Huf und fügte das Amputat wundersam wieder an. In einer anderen Episode wollte der Teufel den Heiligen verführen, und zwar in Gestalt einer Edelfrau, doch Eligius durchschaute die Teufelin und kniff sie.

Unser Bild vereinte beide Erzählungen - und diente als Starthilfe für das Logikrätsel daneben: Im Futoshiki waren die Buchstaben E und U vorgegeben, also der 1. und 6. des Namens Eligius. Setzte man ebendiese Zahlen sein, konnte man loslegen. Am Ende saßen in den markierten Feldern (sofern man nicht die seltenere Namensform Eulogius gewählt hatte, damit ging das Rätsel nicht auf) die Zahlen 3, 4, 2 und 6. Das musste man bloß noch rückübersetzen: Der dritte, vierte, zweite und sechste Buchstabe von Eligius ergeben das Wort IGLU.

2. Der große Kreis

(Foto: imago/Peter Sandbiller)

Das Osterrätsel bot manches Aha-Erlebnis, hier sogar ein doppeltes: Das oder der "Aha" ist nämlich auch die Bezeichnung für ein Element der Parkgestaltung - eine niedrige, manchmal kaum aus dem Boden herausragende Mauer, hinter der sich ein Graben auftut. Der heranschreitende Betrachter bemerkt das erst spät, daher der Name (auch die Variante "Haha" oder "Ha-Ha" ist verbreitet).

Im Rätsel war ein ganz bestimmter Aha gesucht, nämlich in Karlsruhe: Kreisrund ums Schloss herum - erbaut für den Namensgeber der Stadt, Markgraf Karl III. Wilhelm - wurden mehrere konzentrische Wege angelegt. Einer davon zeichnet sich heute als vollständiger Kreis im Stadtplan ab: Seine nördliche Hälfte bildet der AHAWEG. Der südliche Viertelkreis ist eine Straße namens Zirkel, östlich schließt sich der Neue Zirkel an, westlich die Hans-Thoma-Straße, benannt nach dem Maler, der als Direktor der Kunsthalle direkt am Ring amtierte. Wenn jemand ankündigt, "bis nach Karlsruhe" zu gehen, ist ebenfalls dieser Ring gemeint: Im Inneren, zwischen Schloss und Kunsthalle, sitzt das Bundesverfassungsgericht.

3. Das himmlische Spiel

(Foto: Maren Winter/Imago/Zoonar)

Sechs Monde waren hier aufgereiht, beginnend mit zweien, die den Saturn umkreisen: Mimas, erkennbar an der golfballähnlich vernarbten Oberfläche mit einem riesigen Einschlagkrater; Iapetus hingegen sieht aus, als komme er direkt vom Rugbyspielen. Woher die dunkle Schicht kommt, die den halben Mond überzieht, ist noch nicht geklärt. Es folgte Kallisto, einer der Galileischen (also vier größten) Monde des Jupiters. Die Kartoffel an fünfter Stelle war Deimos, der kleinere der beiden Marsmonde, er misst gerade mal 15 Kilometer.

Die übrigen beiden Bilder waren etwas unscharf, was daran lag, dass diese Monde zu Uranus gehören: Nur eine einzige Raumsonde kam jemals hier vorbei, nämlich Voyager 2, auf Erden gestartet 1977 - daher die mäßige Bildqualität. Es handelte sich um Ariel und Oberon, wie die meisten Uranusmonde benannt nach Figuren aus dem Werk William Shakespeares.

Trotzdem war die Rätselfrage "Was wird hier gespielt?" nicht aufs Theater bezogen: Die Anfangsbuchstaben der sechs Monde, geordnet wie im Rätsel, ergaben den Namen des Geschicklichkeitsspiels MIKADO.

4. Der farbenfrohe Rausch

(Foto: ARD)

Auch heute noch hat dieses 13-sekündige Filmchen etwas Betörendes: Ein floral ornamentierter Rahmen fliegt auf den Betrachter zu, sogleich ein zweiter, ein dritter, gut zwanzig insgesamt, in allen Farben. Dazu aufspielende Bläser, Streicher, eine Harfe - und zum Schluss erschienen zwei Wörter als Versprechen einer neuen Zeit: "IN FARBE".

Mit diesem Hinweis kündigte das Erste Deutsche Fernsehen seine (damals noch sehr teuer zu produzierenden) Farbsendungen an, nachdem Willy Brandt am 25. August 1967 auf der Deutschen Funkausstellung "gewissermaßen den Startschuss für das deutsche Farbfernsehen" gegeben hatte. Dass ein erregter Techniker anderthalb Sekunden zu früh von Schwarz-Weiß auf Farbe umschaltete, noch ehe der Vizekanzler auf den Knopf gedrückt hatte: Diese kleine Pannenszene wurde seither oft gezeigt. Weniger bekannt ist, dass es ohnehin schon wochenlang farbige Testsendungen im Ersten und Zweiten gegeben hatte. Nur rund 6000 Haushalte konnten die Neuerung würdigen: Farbfernseher kosteten damals noch das Mehrfache eines durchschnittlichen Monatslohns.

Als Brandt vom "deutschen" Farbfernsehen sprach, meinte er übrigens nur das westdeutsche: Zwei Jahre später eröffnete Walter Ulbricht den DFF2 als Farbsender.

5. Das geheime Rezept

(Foto: Imago/Granger Historical Picture Archive)

Sein Zeichenstil ist so typisch, dass die wenigen Linien im Rätsel genügten, um ihn zu erkennen: Henri de Toulouse-Lautrec, bekannt für seine Szenen aus den Pariser Vergnügungslokalen vor 1900. Weniger bekannt ist, welch leidenschaftlicher Koch er war. Lud er Freunde zum Schmaus, so illustrierte er die Menükarten; eine davon zeigte das Rätsel ausschnittweise.

Jahrzehnte nach dem Tod des Künstlers gab Maurice Joyant, ein Galerist und Freund schon aus Kindertagen, eine Sammlung mit Toulouse-Lautrecs Rezepten heraus, als "une sorte de mémorial", eine Art Denkmal. Manches wirkt heute kurios, etwa das in Speck eingerollte, in Butter angebratene Eichhörnchen - oder der Buchtitel: "La cuisine de Monsieur Momo, célibataire". (Des Malers voller Nachname lautete Toulouse-Lautrec-Monfa, und "célibataire" darf man als "Junggeselle" übersetzen, denn zölibatär lebte er durchaus nicht). Nur 250 Exemplare wurden gedruckt. Fürs breitere Publikum aufgebraten wurde das Werk 1966 unter dem nichtssagenden Titel "L'Art de la Cuisine". Ein Jahr später erschien die deutsche Ausgabe "Die Kunst des Kochens".

Ein Kurzkapitel teils derber Scherzrezepte schließt die Sammlung ab. Das letzte ist im Original überschrieben mit den gezeigten "???" und trägt den Untertitel "RECETTE ANTIQUE". Die deutsche Fassung lautet: "Mysteriös. Man wird es nie kennen. Gott offenbarte es nur seinem Propheten, der nichts davon verraten hat. Dieses Rezept wird daher allen anderen Sterblichen ewig unbekannt bleiben."

6. Die gläsernen Waffeln

(Foto: reo)

Bei einem "beliebten Zeitvertreib aus den 80er-Jahren" denkt man schnell an den "Rubik's Cube", den "Zauberwürfel" des ungarischen Architekten Ernő RUBIK. Im Rätsel gesucht war eine andere seiner Erfindungen: das Klappspiel "Rubik's Magic". Auf der Vorderseite zeigt es drei separate Ringe, auf der Rückseite drei verschlungene. Die Bilder erstrecken sich auf acht quadratische Platten, durch Nylonschnüre so verbunden, dass nur bestimmte Klapp- und Drehbewegungen möglich sind. 1986 auf den Markt gekommen, verkaufte sich "Rubik's Magic" weltweit mehr als 14 Millionen Mal - was auch daran liegen könnte, dass es nicht allzu lange hält: Sobald die erste Metallklemme mürbe wird, öffnet sich der Nylonring, und binnen Kurzem fällt alles auseinander (egal ob beim regenbogenfarbenen Original, der rot-gelben Version von 1996 oder den späteren Nachahmungen anderer Hersteller).

7. Das einsame Schicksal

(Foto: Mamouth Comix)

Schmale Lettern mit gespaltenen Serifen: Diese Typografie erkannten Comicfreunde schnell, so sieht der Schriftzug von "Lucky Luke" aus. Eigentlich. Aber aus den Buchstaben KKOOUUYYY ließ sich dieser Name nicht bauen (selbst dann nicht, wenn man drei davon auf den Kopf stellte, wie es der Fragetext vorgab). Denn im Rätsel war nicht der deutsche Schriftzug abgebildet, sondern der griechische, siehe Foto - und das Lambda, das normalerweise die Form eines kopfstehenden V hat, wurde vom Comic-Verlag abgerundet zu einem kopfstehenden U. (Im Dienste gepflegter Irreführung hatten wir zusätzlich ein O kopfüber gestellt: Davon sieht man zwar gar nichts, aber der Rätseltext konnte so ungeniert wie zutreffend behaupten, insgesamt drei Buchstaben stünden kopf.)

"Einsamer Cowboy, bist so weit, weit von zu Haus ...", sang FREDDY QUINN im Abspann der 1980er-Zeichentrickserie "Lucky Luke". Quinn war der im Rätsel gesuchte "vormalige M. F. E. H. N.", denn getauft wurde der Sänger (soweit sich sagen lässt, zu seiner Biografie hat er sich widersprüchlich geäußert) auf den Namen Manfred Franz Eugen Helmuth Nidl. Unter anderem der Brockhaus und Munzingers Personenlexikon reihen die Vornamen so; der Katalog der Deutschen Nationalbibliothek führt ihn hingegen als Franz Eugen Helmuth Manfred. Nach eigenen Angaben nahm er später den Nachnamen seines leiblichen Vaters amtlich an: Quinn.

Die gesuchte Stadt ...

Wer alle Antworten gefunden hatte, konnte sie mittels der Tabelle in Zahlenwerte übersetzen und kam auf die Summe 2225,9 - aber wo findet man ein Schild mit dieser Zahl, schwarz auf grün, wie im Rätsel dargestellt?

An der Donau. So wie am Straßenrand werden auch Flusskilometer in regelmäßigen Abständen markiert. Das geschieht nicht einheitlich, je nach Region findet man diverse Schilder, gemeißelte oder bemalte Steine, aber einige Formen sind typisch: Am Rhein zum Beispiel sieht man weiße Schilder mit dickem schwarzem Rand. Und an der Donau sind es oft jene grünen Schilder mit schwarzer DIN-Schrift (die man auch von Ortsschildern kennt oder, weiß auf blau, von der Autobahn) samt dem trapezförmigen Komma und der etwas kleiner gesetzten Nachkommastelle - alles so, wie es im Rätsel skizziert war.

Die Schilder entlang der Donau geben die Entfernung bis zur Mündung ins Schwarze Meer an. Jene an ihren Nebenflüssen sehen zwar gleich aus, zählen aber nur die Kilometer bis zur Mündung in die Donau. Ein Wert von mehr als zweitausend konnte bundesweit nur auf die Donau zutreffen - und wenn man auf einer Wasserstraßenkarte nachsah, ob 2225,9 wirklich eine plausible Summe sein konnte, so zeigte sich: Jawohl, mit diesem Wert landet man am Rathausplatz von PASSAU. Diese Stadt war die Lösung des großen Osterrätsels.

... und das versteckte Osterei

Von den 1306 Löserinnen und Lösern, die Passau ermittelt haben, bedauerten etliche in ihren Mails, dass diese Stadt zu abseits für eine spontane Rätseltour liege. Für wild Entschlossene jedoch begann nun eine Schatzsuche mit so vielen Details und Winkelzügen, dass manches hier nur angerissen werden kann.

Die erste Zeile der Schatzkarte war gut lesbar, die weiteren nur mit Mühe. Ersetzte man jeden Buchstaben durch den vorherigen im Alphabet, so wurde in der zweiten Zeile TJFITU zu SIEHST. In der dritten Zeile war dann der vorvorherige einzusetzen, und so weiter - bis man schließlich las: "Geh ein paar Schritte gen ↗ so siehst du meiner drei." Der Pfeil zeigte auf einen Winkel mit Tierkreiszeichen. Vor Ort musste man gut hinsehen, um zu erkennen, dass die Turmecke des Alten Rathauses gemeint war: Die vier Seiten des Uhrengeschosses sind mit Allegorien und Sternzeichen der vier Jahreszeiten bemalt. Um "ein paar Schritte" dorthin zu gehen, musste das gedachte grüne Schild also am Südufer stehen. Wie viele Schritte "ein paar" waren, hing davon ab, welcher Donaukarte man vertraute - oder ob man mittels der "9" am gegenüberliegenden Ufer selber schätzte. Mit scharfem Blick und ein paar Schritten vor und zurück wurde bald klar, wer hier "... so siehst du meiner drei" sprach.

Die Symbolik in der Passauer Altstadt liegt fest in Händen der Kirche und der Donau: Auf Schritt und Tritt sieht man Heiligenbilder oder Hochwassermarken mit historischen Flutständen. Beide Mächte vereinigen sich in der Gestalt des Brückenheiligen Johannes von Nepomuk - kein Wunder also, dass man hier in der Altstadt mindestens fünf Nepomuk-Figuren findet. Drei zugleich sieht man, nachdem man die "paar Schritte" weg vom Ufer getan hat: rechts in einer Wandnische des Neuen Rathauses; links in der Ferne, die große Statue an der Donaubrücke; und geradeaus am Scharfrichterhaus.

"Exact südlich findst Du mich wieder", altertümelte die Schatzkarte: Folgt man den Gassen vom Scharfrichterhaus 130 Meter nach Süden, stößt man vor der ehemaligen Jesuitenkirche auf einen vierten Nepomuk. Höbe er den Blick vom Kruzifix in seinen Händen, so sähe er die Inschriftskartusche über der Kirchentür. Ihre Form entsprach genau jener auf der Schatzkarte (womit bestätigt war, dass wirklich Nepomuk das sprechende Ich auf der Schatzkarte war). Pflückte man aus der Inschrift "DEO ET DIVO MICHAELI ARCHANGELO SACRVM A.º 1677" die im Rätsel aufgezählten Buchstaben, so bildete sich der nächste Hinweis: SVB CROCODILO, lateinisch für "unter dem Krokodil". Passau hat allerdings keinen Zoo - wo sollte ein Krokodil zu finden sein?

Hoch droben, in der Veste über der Stadt. Im Oberhausmuseum ist das Mobiliar der Passauer Hofapotheke aus dem 17. Jahrhundert zu besichtigen. Wie damals in Apotheken üblich, hängt ein ausgestopftes Krokodil von der Decke. Im Schrank darunter wurden einst Heilkräuter verwahrt, und auf einer Schublade konnte man ein rotes ":C" und ein rotes Venussymbol entdecken, wie auf der Schatzkarte: Die Zeichen waren Teil der Abkürzung für Herba Capilli veneris, den getrockneten Frauenhaarfarn, siehe Foto. Die fünf Buchstaben nach dem ":C", also "APILL", waren nicht leicht zu entziffern - und noch schwieriger war es, sie anschließend weiterzuverarbeiten, mithilfe der Dominosteine auf der Schatzkarte: Deren Augenzahlen gaben an, um wie viele Positionen im Alphabet man die Buchstaben A, P, I, L, L verschieben sollte (wobei die Hälften der Dominosteine keine Rolle spielten, nur die Augensumme war relevant). Weiße Steine verschoben gen Z, schwarze gen A. So ergaben sich zwei arabische Namen: Merak und Dubhe, die hinteren Kastensterne des Großen Wagens - sie würden später noch wichtig werden.

Wir sagen Danke schön für 1703 Einsendungen. Der Hauptpreis war zwar nicht an die Osterei-Suche gebunden, doch das Los fiel auf eine Finderin: Monika Bernett, hier am Zielort mit Tochter Judith und deren Freund Julian Owezarek, gewinnt eine exklusive Führung hinter den Kulissen der Bayerischen Staatsbibliothek in München. (Foto: privat)

Der nächste Hinweis war eine Hand, die auf ein Schwert deutete, genauer: auf den Ort des Schwertes. Denn "Ort" ist ein altes Wort für eine Spitze, im Zusammenhang mit Waffen wird es noch heute so gebraucht. Auch in Passau gibt es ein Areal, das einfach nur "Ort" heißt, nämlich auf der spitzen Landzunge zwischen Donau und Inn. Ebendort findet man die fünfte Nepomuk-Statue - und "nahebei" auch das Wort "Assumptionis", versprach die Schatzkarte. Wo Ort und Bräugasse zusammentreffen, ist eine alte Hochwassermarke mit einem Kreuz in eine Hauswand eingelassen: "Anno dm' Mº501º Assūptionis marie ist die wasserguss gangen an mittel des ckreutz", wobei Assumptionis Mariae der lateinische Name für Mariä Himmelfahrt ist. An dasselbe Ereignis, die verheerende Flut vom 15. August 1501, erinnert auch eine Inschrift in einer Gasse namens Roßtränke (im Rätsel angedeutet durch einen Pferdekopf nebst Wasserwellen). Dort trägt das Datum eine alte deutsche Bezeichnung: "Nach christi geburt tausend fünfhundert und ain jar an unser frawentag der schiedūg ist die wassergüss gangen an das kreucz". Auf der Schatzkarte war dieser Tagesname durch eine Reihe von Rauten vertreten, farbig markiert waren jene für das Wort "Schiedung" (wobei der Nasalstrich auf dem "ū" aufgelöst war zu "un"). Es folgten ein Schlüssel, das französische Wort "pour" und "Des HErrn letzter Trank 3456 → 683è". Die ehrenvolle Großschreibung zweier Anfangsbuchstaben war einst in gottesfürchtigen Texten geläufig: Mit dem "HErrn" war hier Jesus gemeint, von dem die Evangelien erzählen, man habe ihm zuletzt einen Schwamm mit Essig gereicht. Ins Französische übersetzt (dazu wollte das Wort "pour" anregen) wird Essig zu vinaigre - und wenn man die Buchstaben dieses Wortes ersetzte wie angegeben, so bildete sich ein Name, der Codeknackern wohlvertraut ist: Vigenère. Nach diesem Diplomaten des 16. Jahrhunderts ist eine Chiffriermethode benannt, bei der man ein Schlüsselwort benötigt, und dieses hatte man ja gerade ermittelt: SCHIEDUNG lautete der Schlüssel pour Vigenère.

Zu dechiffrieren war damit die Buchstabenfolge "XQSOIGY..." auf der Schatzkarte. Grob gesagt verrechnet man bei diesem Verfahren die Alphabetpositionen (A=1, Z=26) der Buchstaben des Schlüsselworts mit denen des Geheimtexts und erhält als Ergebnis jene des Klartexts. Entschlüsselt lautete die Anweisung: "Folge der Faustregel · Neunzig Meter Nord zu Wolf und Adler · Von hier substrahiere."

Die "Faustregel" musste den Großen Wagen betreffen, denn andere Fäden waren nicht mehr offen. In der Schule lernt man, den Polarstern so zu finden: Verlängere die Verbindungslinie von Merak zu Dubhe um das Fünffache (was nur ungefähr zum Ziel führt, aber dafür ist es ja nur eine Faustregel). Laut Schatzkarte sollte man ebendies mit den Nepomuk-Statuen am Scharfrichterhaus und am Ort tun: Verlängerte man ihre Verbindungslinie um das Fünffache, so überquerte man den Inn und landete in Österreich, kurz hinter der Staatsgrenze. Sie verläuft "neunzig Meter Nord" von hier und wird von einem alten Grenzstein markiert: Seit 1792 prangt darauf ein doppelköpfiger Adler für Österreich, auf der gegenüberliegenden Seite der Passauer Wappenwolf. Die Grenzsteine sind nummeriert, dieser hier trägt die 19. "Von hier substrahiere", lautete die Anweisung, darunter die Werte 13,333... und 14,75 - woraus sich die Differenzen 5,666... und 4,25 ergaben. Wer bemerkte, dass sich diese als Bruchzahlen mit gleichem Zähler schreiben lassen, nämlich ¹⁷/₃ und ¹⁷/₄, war fast am Ziel.

Zwischen den Hauptsteinen markieren kleinere Nebensteine den Grenzverlauf: Auf den Hauptstein 17 folgen ¹⁷/₁, ¹⁷/₂ und so weiter, bis die große 18 kommt. Das Ziel waren also die Nebensteine ¹⁷/₃ und ¹⁷/₄, sie stehen in einer Senke im Wald nahebei: Genau zwischen ihnen plätschert, aus Österreich kommend, der Maxenbach. Nach wenigen Metern auf deutschem Boden macht er eine Kehre, touchiert noch mal kurz sein Heimatland und wendet sich dann endgültig hinab zur Donau. Diese kleine Bachschleife war in der Schatzkarte skizziert - denn dort lag Deutschlands bestverstecktes Osterei. 91 Löserinnen und Löser haben es aufgespürt. Eine Mitspielerin, die nicht nach Passau aufgebrochen war, entbot in ihrer Mail "ein respektvolles 'Hut ab' an die Finder". Da schließen wir uns an.

Sind noch Fragen offen? Welche Teile des Rätsels haben Sie mithilfe von Bildsuchmaschinen oder KI-Anwendungen gelöst? Wie vergnüglich, wie enttäuschend war das? Und was folgt daraus: Welche Wünsche haben Sie an künftige Rätsel? Wir freuen uns auf Ihre Mail an osterei@sz.de

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