Öko-Ratgeber:Einmal Outdoor-Jacke ohne Chemie, bitte!

Lesezeit: 5 Min.

Eine Outdoorjacke begleitet Unternehmungen - vor allem in schlechten Wetterlagen. (Foto: imago; Collage Jessy Asmus)

Viele Outdoor-Ausstatter werben mit Naturverbundenheit, dabei stecken in wetterfester Kleidung oft umweltschädliche Stoffe. Wie schlimm ist das? Und geht es auch anders? Zweite Folge unserer Öko-Serie.

Von Esther Widmann

Gibt es ökologisch unbedenkliche Outdoorjacken? Wie oft sollte man sich einen neuen Kühlschrank kaufen? Und welche Verpackung ist besser, Glas oder Plastik? Wer nach der umweltfreundlichsten Lösung für ein Alltagsproblem sucht, steht schnell vor einem Berg teils widersprüchlicher Informationen. Die gute Nachricht: Unsere Autorin Esther Widmann übernimmt jetzt die Recherche für Sie. In der zweiten Folge geht es um Regenkleidung.

Outdoorausstatter werben gerne mit Menschen, die beseelt durch unberührte Landschaften wandern. Sie leben vom Image der Naturverbundenheit. Gleichzeitig setzen sie eine Menge Chemikalien ein, um ihre Kleidung wetterfest zu bekommen. Muss das sein?

Nicht unbedingt. Zuallererst sollte sich der Verbraucher die Frage stellen, wofür er die Jacke braucht. Die Werbung verführt natürlich dazu, sich die ölabweisende Jacke mit der 20 000 mm-Wassersäule "für extremste Bedingungen" zuzulegen - auch wenn man eigentlich nur trocken durch die Fußgängerzone kommen möchte.

Manche Menschen steigen aber doch gelegentlich auf einen Berg!

Wer oft wandern - nicht zu verwechseln spazieren - geht und vor allem, wer auch mal längere Touren macht, braucht einen ordentlichen Regenschutz. Schauen wir uns die Jacke also genauer an. Zwei Schichten machen sie wasserfest: Die Imprägnierung lässt das Wasser abperlen und verhindert, dass der Stoff sich mit Wasser vollsaugt. Und die sogenannte Membran, eine zweite Schicht unter dem Oberstoff, soll zwar Schweiß als Wasserdampf nach außen, aber kein Regenwasser nach innen lassen. In beiden Schichten setzen die Hersteller Chemikalien ein, oft sind es Perfluorcarbone, kurz PFC. (Wir werden uns bemühen, die Buchstabenkombinationen auf ein Minimum zu begrenzen, aber ganz ohne geht es bei diesem Thema leider nicht.)

Eine dieser PFC kennt jeder: Polytetrafluorethylen (PTFE) steckt unter dem Markennamen Teflon in Bratpfannen und als GoreTex in Jacken oder Schuhen. Wer schon mal eine Teflon-Pfanne benutzt hat, weiß: Wasser und Öl perlen an der Oberfläche einfach ab. Und genau deshalb kommen PTFE und andere PFC auch in Outdoorkleidung zum Einsatz.

Und das ist schlimm, weil ...?

Sowohl bei der Herstellung als auch später beim Waschen können die PFC ins Wasser gelangen und damit in die Umwelt. Und dort bleiben sie auch, denn diese Chemikalien sind persistent, bauen sich also in der Umwelt nicht ab. Und sie sind bioakkumulativ, das heißt, sie reichern sich im Gewebe von Lebewesen an. Sie lassen sich überall auf der Erde nachweisen: in den Alpen, in der Arktis, in der Leber von Eisbären. Wir alle tragen PFC im Blut, weil wir es über die Nahrung aufnehmen. Deshalb findet es sich auch in Muttermilch.

Aber wenn sie wirklich so gefährlich sind, sollten dann nicht die Behörden etwas tun?

Eine PFC hat die EU bereits fast vollständig verboten: Perfluoroktansulfonsäure, kurz PFOS, das jahrzehntelang in dem Imprägniermittel Scotchgard enthalten war. Einige andere stehen auf der europäischen Liste bedenklicher Chemikalien, zum Beispiel Perfluoractansäure (PFOA), die bis 2013 in der Herstellung von Gore-Tex-Produkten zum Einsatz kam. Norwegen hat im Jahr 2014 PFOA in Verbraucherprodukten verboten. Ab 2020 darf PFOA in der gesamten EU in den meisten Produkten nicht mehr eingesetzt werden.

Und wie reagieren die Hersteller auf diese Verbote?

PFOS und PFOA sind beide sogenannte C8, das heißt, das Molekül besitzt eine Kette von acht Kohlenstoffatomen. Einige Hersteller von regenfester Kleidung sind auf kürzerkettige PFC, auf C6, umgestiegen. Das Umweltbundesamt sieht das aber sehr kritisch, da über die Giftigkeit dieser Stoffe noch wenig bekannt ist. Schon jetzt ist klar, dass C6 ebenfalls in der Umwelt bleiben und nicht abgebaut werden. Und weil die Moleküle so klein sind, lassen sie sich, anders als C8, nicht mit Aktivkohle aus dem Trinkwasser herausfiltern.

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Was ist mit GoreTex - hieß es nicht kürzlich, das sei jetzt viel umweltfreundlicher als früher?

Im Februar 2017 feierte Greenpeace als großen Erfolg, dass der Hersteller Gore Fabrics ab 2020 auf "gefährliche PFC" verzichten will. In den Medien hieß es dann ziemlich durchgängig, Gore werde PFC-frei. Das stimmt aber nicht: Sie werden lediglich sicherstellen, dass PTFE und andere PFC nicht in die Umwelt gelangen können. Das Umweltbundesamt bestätigt zwar, dass von PTFE an sich keine Gesundheitsgefahr für den Menschen ausgeht - die Moleküle sind einfach zu groß, als dass ein Organismus sie aufnehmen könnte. Aber es bleibt ein schlecht abbaubarer Kunststoff, aus dem während der Zersetzung irgendwann dann doch mal Chemikalien austreten können, die in der Umwelt nichts zu suchen haben. Und welche anderen Ersatzprodukte sie verwenden werden, ist auch noch nicht klar. Deshalb sagen sowohl Greenpeace als auch das Umweltbundesamt, dass es besser wäre, wenn Gore und die anderen Hersteller ganz auf fluorierte Chemikalien verzichten würden (zumindest bei Regenjacken, wo sie im Gegensatz zur Medizintechnik nicht unbedingt notwendig sind).

Also gibt es niemanden, der PFC-freie Regenjacken herstellt?

Doch, es ist nur nicht leicht zu erkennen, weil die Unternehmen sich gerne mit allerlei vermeintlichen Umweltsiegeln schmücken, oder mit solchen, die andere Aspekte einschließen, aber nicht das PFC-Problem. Dazu gehört zum Beispiel Bluesign. Inzwischen gibt es aber genug Jacken, die als "PFC-frei" beworben werden. Jack Wolfskin will bis 2020 vollständig PFC-frei produzieren; bei der aktuellen Winterkollektion sind schon 89 Prozent PFC-frei, darunter auch zahlreiche Hardshell-Regenjacken. Auch Vaude hat jetzt PFC-freie Kleidung im Angebot - im Gegensatz zu 2015, wo zwar die Membran schon PFC-frei war und das auch auf auf dem Etikett groß beworben wurde, in der Imprägnierung dann aber C6 steckte (was nur durch Nachfrage beim Kundenservice herauszubekommen war). PFC-freie Jacken gibt es auch zum Beispiel bei Haglöfs, Lundhags, Klättermusen, Maier Sports oder bei Schoeffel. Zum Vergleich: Bei Mammut gibt es eine einzige PFC-freie Jacke, sie ist für Männer und ein Softshell - also wasserabweisend, nicht wasserdicht. Und Patagonia, ein Hersteller, der sich wegen seines Rücknahme-Programms für Kleidung gerne mit grünen Federn schmückt, findet, er könne auf PFC nicht verzichten. Einen Überblick über die Bemühungen und Ziele einiger Hersteller hat Greenpeace hier in einer Grafik zusammengestellt.

Gibt es auch Unternehmen, bei denen ich mich nicht erst mühsam durch die Produktinformationen klicken muss, sondern deren gesamtes Sortiment jetzt schon PFC-frei ist?

Gibt es! Fjällräven zum Beispiel und dann noch ein paar kleinere: Rotauf hebt sich auch dadurch von anderen Herstellern ab, dass es seine PFC-freien Jacken in der Schweiz statt in Fernost nähen lässt. Und Paramo, ein Ableger von Nikwax, einem PFC-freien Imprägniermittel, arbeitet ganz ohne Membran und vertraut stattdessen auf eine Technik namens Direktionalität. Sie soll Wassertropfen so gut abperlen lassen und wegleiten können, dass es keine Membran braucht.

Woraus bestehen dann Membran und Imprägnierung bei einer PFC-freien Regenjacke? Alles Bienenwachs oder was?

Bienenwachs ist als Imprägnierung tatsächlich eine Option, aber vor allem für Jacken, die in der Stadt getragen werden - die Jacken werden damit wasserabweisend, aber nicht wasserdicht. PFC-freie Imprägnierungen können auch aus Paraffinen, Silikonen, Polyurethanen oder Dendrimeren bestehen. Die Membrane sind in der Regel aus Polyurethan (PU) oder aus Polyester. Sympatex ist der Markenname einer PFC-freien Polyestermembran, den man an einigen Produkten finden kann. Ökologisch völlig unbedenklich ist Polyester aber auch nicht - dazu gleich mehr.

Und diese PFC-freie Technik funktioniert?

Eine Studie von 2013 hat den entsprechenden Produkten bescheinigt, ebenso wasserabweisend zu sein wie PFC-haltige, und auch die Stiftung Warentest hat einigen PFC-freien Nachimprägnierungsmitteln eine gute Leistung bescheinigt. Sowohl Schoeffel-Lowa als auch Jack Wolfskin bieten übrigens einen PFC-freien Nachimprägnier-Service an. Und interessanterweise stellt Stiftung Warentest bei jedem Funktionsjacken-Test fest, dass für die Wasserdichtigkeit einer Jacke nicht zuletzt eines entscheidend ist: technisch hochwertige Verarbeitung, bei der zum Beispiel Nähte abgeklebt sind, damit kein Wasser eindringen kann.

Toll. Bei einigen Herstellern gibt es sogar PFC-freie Regenjacken aus recycelten Plastikflaschen! Da tut man auch noch was gegen den Plastikmüll im Meer.

Nun ja. Polyester, auch recyceltes, verliert beim Waschen mit Waschmittel winzig kleine Fasern - Mikroplastik, das ein riesiges Problem in den Weltmeeren ist. Eine gewachste oder imprägnierte Baumwolljacke ist in dieser Hinsicht unbedenklicher und hat auch noch andere Vorteile. Wer schon mal mit einer Jacke aus - sagen wir es doch, wie es ist - Plastik in den Bergen herumgestapft ist, weiß: Man wird zwar nicht von außen nass - dafür von innen, weil man schnell durchgeschwitzt ist. "Atmungsaktiv" ist im Zweifelsfall mehr ein Werbeversprechen als eine tatsächliche Eigenschaft von Kleidung. Das kann Baumwolle besser. Und selbst wenn der Regen irgendwann durch die Baumwolljacke und das Wollfleece suppt: Das Wichtigste auf einer langen Wandertour ist, dass der Schlafsack trocken bleibt. Und den kann man in eine komplett atmungspassive, PFC-freie Plastikhülle stopfen, und alles wird gut.

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