Medizin und Wahnsinn (103):Hautärzte mit Doppelstrategie

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Was tun gegen gerötete, schuppende, juckende Stellen? Erhellende Erlebnisse mit Dermatologen.

Werner Bartens

Wie weich, wie glatt, wie glänzend. Mal alabasterfarben anziehend, mal teigig-furunkulös. Was für ein vielseitiges Organ die Haut doch ist. Kann sich widerborstig runzeln, die Haare aufstellen, erblassen, erröten. Salz darauf ist für manche ein erotisches Gewürz, andere bevorzugen Brausepulver oder süßen Aufstrich wie im Film "9½ Wochen".

Ganz progressive Ärzte empfehlen ihren Patienten die Doppelstrategie, das heißt Kortison-Salbe und Entspannungsübungen. (Foto: Foto: iStock)

Nur den Ärzten fällt wenig Originelles zur Haut ein. Das Dermatologie-Praktikum im Studium bestand in meiner Erinnerung daraus, 19-mal Patienten mit geröteten, schuppenden, juckenden Stellen zu sehen, auf die dann Kortisonsalbe in unterschiedlicher Dosis und Konsistenz geschmiert wurde. Die 20. Praktikumseinheit war der Besuch im Pilzlabor.

Haut als Spiegel der Seele

Seitdem hat sich bestimmt ganz viel in der Hautheilkunde getan. Nur ist das wohl noch nicht bei allen Ärzten angekommen. Sie verschreiben monoton weiter ihre Kortisonsalben. Manche haben inzwischen Artikel über "Die Haut als Spiegel der Seele" gelesen und fragen ihre Patienten deshalb, ob sie Stress haben, wenn sich neben neuen Problemen auch neue Ekzeme aufwerfen. Ganz progressive Ärzte empfehlen ihren Patienten die Doppelstrategie, das heißt Kortison-Salbe und Entspannungsübungen.

Die Hautärzte, von denen ich auf meinem gelben Sofa höre, sind anders und schon viel weiter. Ein Kollege mit ebenso zarter wie empfindlicher Haut war mit seiner Tochter beim Dermatologen. Sie hatte eine gerötete, schuppende, juckende Stelle an der Wange, er hatte eine gerötete, schuppende, juckende Stelle an der Brust. Der Hautarzt schaute sich gründlich das Kind an und holte anschließend eine kleinere kortisonhaltige Salbe aus seinem Schrank. Dann sah er sich die Brust des Kollegen an. Nach längerer Abwägung holte er eine größere kortisonhaltige Salbe aus dem Schrank.

Konstruktive Kostensenkung

Nun muss man wissen, dass der Kollege ein knallharter Recherche-Fuchs ist. Ihm fiel daher sofort auf, dass es sich bei beiden Salben um das identische Präparat handelte, nur in unterschiedlicher Packungsgröße. Man darf Ärzte in diesen Zeiten ja nicht zu sehr reizen, und deshalb fragte der Kollege vorsichtig, ob die große Packung allein nicht reichen würde. Vater und Tochter könnten sie sich ja teilen. Das leuchtete auch dem Dermatologen ein. Ein von gegenseitigem Vertrauen und konstruktiven Vorschlägen geprägtes Arzt-Patienten-Verhältnis kann wahrscheinlich den größten Beitrag zur Kostensenkung im Gesundheitswesen leisten.

Das andere erhellende Erlebnis mit Dermatologen hatte der Schwiegervater eines Kollegen. Leider hat es nicht dazu beigetragen, die Kostenexplosion in der Medizin zu dämpfen. Im Gegenteil. Der Mann litt an geröteten, schuppenden, juckenden Stellen. Er bekam kortisonhaltige Salben in diversen Dosierungen und Packungsgrößen. Einige Ärzte fragten ihn sogar, ob er Stress habe, bevor sie ihm die Kortison-Paste verordneten.

Manchmal empfahlen sie Entspannungsübungen. Der Mann hatte aber gar keinen Stress, und die Salben halfen auch nichts. Ein Arzt ließ die Haut des Patienten sogar im Pilzlabor auf seltene Kulturen untersuchen. Die Tests zogen sich hin und wurden teuer, der Mann war Selbstzahler. Experten einer Fachklinik entnahmen dem Mann eine Gewebeprobe, schrieben ein dickes Gutachten mit der Diagnose: Der Patient leidet an einer schuppenden, juckenden Hauterkrankung mit Rötungen. Einen Behandlungshinweis gaben sie leider nicht.

Nach zwei Jahren quälender Juckerei war der Mann bei einem Allgemeinmediziner. Der ließ sich die Krankengeschichte erzählen und fragte nach Medikamenten. Der Mann nahm einen teuren Blutdrucksenker. Als häufigste Nebenwirkung stand auf dem Beipackzettel: Hautveränderungen - und zwar mit geröteten, schuppenden, juckenden Stellen. Seit das Blutdruckmittel ausgetauscht wurde, sind die Stellen verschwunden.

© SZ vom 31.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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