Kunst:Vom Schild zum Bild

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Ein italienischer Künstler verwandelt stinknormale Straßenschilder in neue Bilder: ein Abbiegepfeil wird zur Pinocchio-Nase, das Kreuz im Halteverbot zu Totenkopfknochen.

Interview von Georg Cadeggianini

SZ: Seit acht Jahren bekleben Sie Verkehrsschilder . Einfach weil es witzig aussieht?

Clet Abraham: Tut es, oder? Ja, ich mag, wenn es lustig ist.

Das reicht Ihnen?

Nein, mir geht es schon auch um eine Aussage. Verkehrsschilder sind eigentlich Befehle. Sie sagen "Bleib stehen", "Bieg links ab", "Nicht halten", "Stopp", und so weiter. Ich will mit meinen Schildern mit denjenigen ins Gespräch kommen, an die sich die Befehle richten. Mit den Leuten von der Straße. Mein Schild sagt: Ja, das war mal ein "Durchfahrt verboten"-Schild. Jetzt ist darauf ein Mann zu sehen, der einen weißen Balken wegschleppt. Mein Aufkleber soll ein bisschen am sturen Befehl kratzen, ihn hinterfragen: Sieh es doch auch mal anders.

Dürfen Sie das eigentlich?

Nein.

Sie machen es aber trotzdem.

Ja, aber ich mache dabei nichts kaputt. Das sind nur Aufkleber, noch dazu welche, die man ganz leicht wieder abziehen kann. Ich zerstöre nichts. Für mich ist es auch wichtig, dass man das Verkehrsschild noch erkennt. In der italienischen Stadt Florenz, wo ich wohne, habe ich rund 1 000 Schilder bearbeitet. Die Polizisten dort kennen mich inzwischen. Ich war schon in Spanien, Belgien, Hongkong, New York, Paris, Berlin - manchmal auch auf Einladung. Weltweit sind es wahrscheinlich so um die 7000 Schilder. Ich zähle sie aber nicht.

Haben Sie schon mal Probleme bekommen?

Ja, sogar ziemlich oft. In Nürnberg hat mich ein Polizist mal mit auf die Wache genommen. Wir haben dort über Kunst und Gesetze gesprochen. Am Ende hat er mich laufen lassen, mir aber das Versprechen abgenommen, den Sticker wieder zu entfernen. Das habe ich auch gemacht. In Russland, China oder der Türkei würde ich es nicht mal versuchen: Viel zu gefährlich.

Wie entsteht ein Clet-Schild?

Neue Entwürfe sind ein langer Prozess. Das mache ich im Atelier: Das ist viel Probieren, Wegschmeißen, noch mal Probieren. Wenn ich für zwei, drei Tage in eine andere Stadt fahre, dann packe ich etwa 100 Folien ein und klebe drauflos.

Wie reagieren Passanten?

Ich arbeite nachts. Da sind nicht viele unterwegs. Und wenn, dann meistens nur junge Menschen. Die mögen meinen Ansatz. Ich bewege mich mit dem Fahrrad. Es hat die richtige Geschwindigkeit, um genug mitzubekommen - und auch schnell wieder weg zu sein. Außerdem habe ich dann immer was dabei, um an hohe Schilder ranzukommen.

Sie benutzen das Rad als Leiter?

Ich lehne es gegen das Schild und kraxele rauf. Das war am Anfang ganz schön wacklig, inzwischen bin ich geübt. Ansetzen, aufkleben, fertig. Wieder aufs Rad und ab zum nächsten Schild.

© SZ vom 01.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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