Krieg:Wie kann man dem nur die Hand schütteln?

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Er hat sein eigenes Land zerstört und Hunderttausende Bürger töten lassen, mehr als 14 Millionen Menschen mussten fliehen. Zwölf Jahre lang wollte deswegen niemand etwas mit dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu tun haben. Bis jetzt.

Von Dunja Ramadan

Wer ist das?

Rechts: Tunesiens Präsident Kais Saied. Links: Baschar al-Assad, seit 23 Jahren Präsident von Syrien. Die beiden haben sich beim Gipfel der Arabischen Liga in Saudi-Arabien getroffen - Assad war zum ersten Mal seit über zehn Jahren wieder dabei.

Warum sollte man dem nicht die Hand schütteln?

Die Syrerinnen und Syrer gingen 2011 auf die Straße, weil sie in Freiheit, Würde und Demokratie leben wollten - und Assad ging brutal gegen sie vor, mit Hilfe des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Mehr als 350 000 Zivilisten sind getötet worden. Mehr als 14 Millionen Menschen mussten fliehen. Aus Protest gegen die Gewalt wurde Assad damals international isoliert.

Warum tut er das trotzdem?

Kais Saied ist nicht der Einzige, der Assads Hand geschüttelt hat. Mohammed bin Salman, Kronprinz von Saudi-Arabien, umarmte den syrischen Präsidenten sogar und begrüßte ihn mit einem Bruderkuss auf beide Wangen. Die arabischen Präsidenten nehmen ihn wieder in den Kreis der Arabischen Liga auf, weil sie nur an ihre eigenen Interessen denken. Viele von ihnen wollen zum Beispiel aus innenpolitischen Gründen die vielen syrischen Geflüchteten zurück in ihre Heimat schicken. Das geht aber nur, wenn Assad mitmacht. Andere Staaten wollen, dass der syrische Präsident den Drogenhandel eindämmt. Die meisten der arabischen Staatenlenker haben den Kontakt mit Assad sowieso nur abgebrochen, weil der internationale Druck so groß wurde. Aber eigentlich haben viele Verständnis dafür, dass man sich an die Macht klammert - koste es, was es wolle.

Wie geht es den Menschen in Syrien?

Sehr, sehr schlecht. Viele haben Freunde und Familienmitglieder verloren, die syrische Wirtschaft liegt am Boden, die Währung hat stark an Wert verloren. Die Menschen leiden unter den stark gestiegenen Preisen für Lebensmittel, 12,4 Millionen Syrer haben keinen gesicherten Zugang zu Nahrung. Das katastrophale Erdbeben im Februar hat viele Menschen auch noch obdachlos gemacht. Nur die reichen Syrer und Syrerinnen, die eng mit der Assad-Familie verbunden sind, können gut in ihrer Heimat leben. Sie gehören zur alawitischen Elite und genießen den Schutz der Regierung. Die Alawiten sind eine Minderheit im schiitischen Islam.

Was bedeutet das?

Es ist ein sehr schlechtes Signal für die Menschen in der Region. Sie haben für Demokratie, Würde und Freiheit gekämpft, sie sind im Zuge des Arabischen Frühlings im Jahr 2011 friedlich auf die Straßen geströmt - manche haben ihre Liebsten verloren, manche mussten fliehen, andere können nie wieder in ihre Heimat zurück. Und jetzt müssen sie mit ansehen, wie der Mann, der Schuld an all diesem Leid ist, ungestraft davonkommt. Das ist für viele Syrerinnen und Syrer nur schwer zu ertragen. Ein junger Mann, der noch in Syrien lebt, hat unserer Zeitung geschrieben: "Wir haben das Gefühl, von der ganzen Welt im Stich gelassen worden zu sein."

© SZ vom 27.05.2023 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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