40 Jahre Haarnetz-Erlass:Rekruten mit Rockermähne

Langhaarige Bundeswehrsoldaten waren bis zum 5. Februar 1971 undenkbar. Doch der "Haarnetz-Erlass" des Verteidigungsministeriums sorgte für Wildwuchs unterm Stahlhelm - und löste eine gesellschaftliche Debatte aus.

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(Foto: Sueddeutsche Zeitung Photo)

Langhaarige Bundeswehrsoldaten waren bis zum 5. Februar 1971 undenkbar. Doch der "Haarnetz-Erlass" des Verteidigungsministeriums sorgte für Wildwuchs unterm Stahlhelm - und löste eine gesellschaftliche Debatte aus. Die Hippie-Bewegung brachte nicht nur Schlaghosen, Batikgewänder und Jesus-Latschen in Mode - sondern auch lange Haare bei Weiblein wie Männlein. Woran sich die Gesellschaft nur langsam gewöhnte, wollte man bei der Bundeswehr auf keinen Fall akzeptieren und so erging noch 1967 ein Erlass, der "das Tragen einer schulterlangen oder sonst feminin wirkenden Haartracht" bei Soldaten untersagte.

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(Foto: 1972 Bundeswehr/Krämer)

Die Wende auf den Köpfen brachte erst der spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD): Unter Federführung des damaligen Verteidigungsministers erging am 5. Februar 1971 der sogenannte Haarnetz-Erlass für langhaarige Rekruten.

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(Foto: Sueddeutsche Zeitung Photo)

Konkret bedeutete das: Lange Haare ja, wuchernde Wallemähne nein. Wer nicht den Rasierapparat ansetzen wollte, musste Haare und Bart gepflegt halten. Und ...

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... wen das Haupthaar an der Ausübung der Plicht fürs Vaterland hinderte, dem wurde ein Haarnetz verordnet.

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(Foto: 1972 Bundeswehr/Krämer)

740.000 dieser Häkelhäubchen gab das Verteidigungsministerium in Auftrag. Ob alle ihrer Bestimmung zugeführt wurden, darf bezweifelt werden, weil ...

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(Foto: Sueddeutsche Zeitung Photo)

... bereits im darauffolgenden Jahr der Erlass wieder aufgehoben wurde. Denn es mag zwar schmuck aussehen, wenn wie auf diesem Bild unter der Tellermütze (auch Bändermütze genannt - die zwei schwalbenschwanzförmig geschnittenen Bändchen sollen ironischerweise den im Lauf der Zeit bei den Seeleuten verschwundenen Zopf symbolisieren) die Haare wehen, doch die Langhaarpracht birgt auch Risiken: So wurde die Wiederaufhebung des Erlasses offiziell damit begründet, es sei durch nasse Haare vermehrt zu erkältungsbedingten Ausfällen gekommen.

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(Foto: Sueddeutsche Zeitung Photo)

Wohl kaum jemand dürfte dieser Erklärung ins Netz gegangen sein: Denn schon zuvor hatte die Bundeswehr mit mehr oder weniger abstrusen Begründungen versucht, den ungeliebten Erlass zu kippen. So war argumentiert worden, die langen Haare seien Ausdruck mangelnder Disziplin und minderten das Abschreckungspotential der Truppe. Die Debatte rund um lange Haare und bändigende Häubchen bedeutete einen beträchtlichen Imageschaden für die Bundeswehr, die in der Öffentlichkeit als "German Hair Force" verspottet wurde.

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(Foto: Sueddeutsche Zeitung Photo)

Und heute? Zumindest Soldatinnen dürfen ihre Haare wachsen lassen, allerdings darf die Frisur "den vorschriftsmäßigen Sitz der militärischen Kopfbedeckung nicht behindern". Bei Soldaten muss das Haar so kurz geschnitten sein, dass "Ohren und Augen nicht bedeckt werden". Und "es ist so zu tragen, dass bei aufrechter Kopfhaltung Uniform- und Hemdkragen nicht berührt werden". Auch die Mundpartie ist von dieser strengen Verordnung nicht ausgenommen: "Wenn sich der Soldat einen Bart wachsen lassen will, muss er dies während seines Urlaubs tun."

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