Fußball:Nummer 10 geht

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Mesut Özil ist einer der besten deutschen Fußballer. Trotzdem ist er diese Woche aus der Nationalmannschaft ausgetreten. Wie konnte es soweit kommen?

Von Gökalp Babayiğit

Was ist eigentlich passiert?

Der deutsche Fußballnationalspieler Mesut Özil hat mit seinem Teamkameraden Ilkay Gündoğan für ein Foto posiert. In ihrer Mitte stand der Präsident der Türkei, Recep Tayyip Erdoğan. Als dieses Foto bekannt wurde, haben viele Menschen in Deutschland verärgert reagiert: Wie konnten sich Özil und Gündoğan, die zwar türkische Eltern haben, aber beide in Deutschland geboren sind, nur mit diesem Präsidenten zeigen? Einem Politiker, der in der Türkei die Menschenrechte und die Demokratie missachtet?

Viele forderten deshalb eine Entschuldigung, mindestens aber eine Erklärung von beiden Spielern. Ilkay Gündoğan erklärte daraufhin, dass er einfach nicht respektlos sein wollte. Mesut Özil aber schwieg lange zu dem Foto. Für viele zu lange. Als dann die deutsche Mannschaft bei der Fußball-WM früh ausschied, waren viele Menschen erneut wütend auf Özil. Einige beschimpften und beleidigten den Gelsenkirchener sogar wegen seiner türkischen Wurzeln. Doch andere wegen ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe oder ihres Namens zu beleidigen und auszugrenzen, ist rassistisch.

Mesut Özil hat das sehr getroffen. Vor wenigen Tagen hat er deshalb seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft bekannt gegeben. In seiner Erklärung machte er dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) schwere Vorwürfe, weil dieser ihn nicht ausreichend vor den Beleidigungen geschützt habe. Obwohl er ein sehr wichtiger Spieler ist, haben bisher nur wenige Teamkollegen etwas zu seinem Rücktritt gesagt.

Was ist an dem Foto so schlimm?

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ist ein großer Fußball-Fan. Früher spielte er selbst leidenschaftlich gern. Bei einem Besuch in London traf er im Mai Mesut Özil und Ilkay Gündoğan, die ihm je ein Trikot ihrer Vereine Arsenal London und Manchester City schenkten. Erdoğan kam das Foto mit den beiden sehr gelegen: Er befand sich gerade im Wahlkampf und wollte mit den beliebten Spielern bei den türkischen Wählern punkten. In der deutschen Bevölkerung ist Erdoğan allerdings sehr unbeliebt: Man wirft ihm vor, dass er die Demokratie in seinem Land missachtet. Außerdem beleidigt er immer wieder die deutsche Regierung und Kanzlerin Angela Merkel und lässt in seiner Heimat Tausende unschuldige Menschen einsperren: Lehrer, Richter und Polizisten, aber auch politische Gegner und deutsche Staatsbürger, darunter den deutschen Journalisten Deniz Yücel. Deshalb konnten viele nicht verstehen, wieso Özil und Gündoğan mit dem Foto einverstanden waren.

Was hat das mit Rassismus zu tun?

Viele haben Özil und Gündoğan für das Foto zu Recht kritisiert, aber leider mischten sich in die Kritik mit der Zeit immer mehr sehr verletzende Beleidigungen. Vorwürfe, die niemand je zu hören bekommen sollte. Die beiden Fußballer wurden zum Beispiel für ihre Herkunft und für die Herkunft ihrer Eltern beschimpft. Ihnen wurde ihr Deutschsein abgesprochen und empfohlen, Deutschland zu verlassen und "in ihre Heimat" zu verschwinden. Dabei sind Mesut Özil und Ilkay Gündoğan beide in Gelsenkirchen im Ruhrgebiet geboren.

Warum streiten jetzt alle darüber?

Nachdem immer mehr Leute, aber auch Medien, sehr verletzende Dinge über Özil und Gündoğan sagten, haben sich viele auf die Seite der Fußballer geschlagen. Bei dem Streit geht es aber auch um generelle Dinge: Selbst wenn die beiden mit dem Foto einen Fehler gemacht haben, dürfen sie deshalb nicht beleidigt oder ausgegrenzt werden. Sie sind genauso Deutsche wie die anderen Spieler, und alle Menschen verdienen es, respektvoll behandelt zu werden. Manche Kritiker stritten später ab, etwas Rassistisches gesagt zu haben. Doch ob etwas rassistisch ist oder nicht, können nur die Betroffenen entscheiden.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Diskussion dauert an, es geht um wichtige Fragen: Wie können wir Rassismus besser bekämpfen? Wie werden Menschen in Deutschland aufgrund ihrer ausländischen Wurzeln benachteiligt, und was kann man dagegen tun? Wie kann man diesen Menschen mehr Gehör verschaffen? Und ihnen das Gefühl geben, dass Deutschland auch ihre Heimat ist? Und was sollen und können Menschen mit ausländischen Wurzeln tun, um sich noch besser in Deutschland einzufinden und dazuzugehören? Das sind wichtige Fragen für das Zusammenleben aller Menschen - egal, wo sie herkommen. Deshalb ist es gut, dass nun darüber diskutiert wird.

© SZ vom 28.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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