Fotoserie mit fiktiver Freundin:Allein zu zweit

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Ein Schnappschuss von Keisuke Jinushi mit Freundin in der U-Bahn. (Foto: sde / Keisuke Jinushi)

Wenn Pärchen und Familien zu Weihnachten zusammenrücken, fühlen sich viele Singles noch alleinstehender. Ein japanischer Fotograf hat seine Einsamkeit in einer Bilderserie dargestellt und sich damit eine Menge neuer Freunde gemacht.

Von Violetta Simon

Weihnachten ist die Zeit, in der die Menschen mit gutem Gewissen zuhause bleiben, nichts tun und es sich so richtig gemütlich machen. In der Pärchen sich in ihre Komfortzone zurückziehen. Und Familien mit Kindern noch näher zusammenrücken.

Mit anderen Worten: Die Zeit, in der viele Singles Fluchtgedanken hegen und überlegen, einen Last-Minute-Flug nach Möglichstweitweg oder Egalwohin zu buchen, wenn dort nicht ebenfalls der Santa-Claus-Wahnsinn mitsamt Zuckerguss und Glockenklang Einzug gehalten hätte.

Bleibt also noch die Möglichkeit, das Ganze mit Humor zu nehmen und das Beste daraus zu machen. So wie der Japaner Keisuke Jinushi: Der 28-jährige Fotograf und Blogger verarbeitete das Thema mit einer kuriosen Fotoserie auf Instagram - und erlangte damit Bekanntheit.

Die Bilder zeigen den Blogger in verschiedenen Situationen mit seiner mutmaßlichen Freundin. Typische Szenen, wie sie unter Paaren üblich sind: Kuscheln in der U-Bahn, Knutschen im Hauseingang, fürsorgliche Gesten wie das Herüberreichen einer Getränkedose und die Frage "Hast du Durst, Liebling?".

Doch Jinushi ist in Wirklichkeit allein. Dass die Frau nicht existiert, erkennt der Betrachter erst auf den zweiten Blick - dem anschließenden Making-off-Bild. Die Realität hinter den Szenen veröffentlicht der Fotograf nämlich ebenfalls in seinem Blog. Dort sieht man, dass der schwarze Schopf, der vom "Liebling" zu sehen ist, zu einer schwarzen Perücke gehört, die der Fotograf mit seiner freien Hand geschickt in Szene setzt. Auch die Hand mit den rot lackierten Fingernägeln, die Jinushi zärtlich die Marmelade von den Lippen wischt, ist seine eigene.

"Das ist Kunst"

Wie der Japaner auf die Idee mit der Fotoserie kam, die bereits im Sommer entstand, verriet er nun in einem Interview mit dem US-Sender CNN: "Manchmal gehe ich in ein Café, um die Zeit totzuschlagen", erzählt der Blogger. "Wenn ich mich umschaue, sehe ich Paare, die sich gegenseitig füttern. Das wollte ich auch!"

Und so filmt er sich dabei, wie er sich selbst mit einem Muffin füttert - seine zweite Hand mit Nagellack und Rüschenarmband verziert. Oder erstellt er einen Schnappschuss in einem Straßencafé, auf dem ein Tisch mit zwei Kaffeebechern, einer Haarspange und ein in die Kamera strahlender Jinushi zu sehen sind. Doch das Foto wird nicht von der vermeintlichen Lebensgefährtin gemacht. Sondern von dem Selbstauslöser der Kamera, die auf einem Stativ installiert wurde.

Die Kehrseite des Fotos von Keisuke Jinushi und seiner fiktiven Freundin. (Foto: sde / Keisuke Jinushi)

Die Herausforderung dabei liegt aber nicht nur in der glaubwürdigen Inszenierung der Szenen. Die Arbeit des jungen Japaners wirkt auf seine Umwelt zuweilen ziemlich irritierend. Da kann es schon mal vorkommen, dass ihn jemand fragt, was er da eigentlich tue. "Das ist Kunst", gibt er dann zur Antwort.

Diese Fotos machen glücklich

Bereits zwei Jahre zuvor habe Jinushi damit begonnen, sich auf seinem Blog mit der Kunst gefälschter Pärchenfotos auseinanderzusetzen. "Fotos von sich allein auf einer Reise zu betrachten, macht irgendwie einsam und traurig", so begründet er seine Motivation für die sogenannte "One-man-date"-Serie. Deshalb empfehle er diese Technik. "Diese Fotos zu betrachten, macht mich glücklich".

Auch seine männlichen Freunde sagen, er wirke seitdem glücklicher. Überhaupt seien die Reaktionen auf seine Arbeit durchwegs positiv, sagt Jinushi. Die meisten fänden sie interessant oder witzig, manche versuchten, seinen Stil zu kopieren, andere wünschten ihm, dass er eine Freundin finden möge.

Nur seine Großmutter sei in Tränen ausgebrochen, als sie seinen Blog gesehen habe, weil ihr Enkel auf den Fotos so mitleiderregend gewirkt habe.

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