Die Hamburger Fotografin Ingrid von Kruse, 75, hat schon Astrid Lindgren fotografiert, Willy Brandt und Federico Fellini. Wer es vor die Linse ihrer alten Hasselblad geschafft hat, der kann also stolz auf sich sein. Für den Verlag Hoffmann und Campe sollte von Kruse kürzlich Helmut Schmidt und Peer Steinbrück beim Schachspiel ablichten: für das (leider fehlerhafte) Coverbild des Schmidt-Steinbrück-Gesprächs-Buches Zug um Zug .
SZ: Frau von Kruse, kennen Sie sich mit Schach aus?
Ingrid von Kruse: Nein. Überhaupt nicht.
SZ: So konnte Ihnen auch nicht auffallen, dass der Schachtisch, an dem Sie Herrn Steinbrück und Herrn Schmidt fotografierten, um 90 Grad gedreht ist.
Kruse: Aha. Und hat das irgendwelche Konsequenzen?
SZ: Sagen wir mal so: Es ist extrem unüblich. Gerade für einen möglichen SPD-Kanzlerkandidaten.
Kruse: Also ich habe da nichts gedreht. Ich habe nicht gespielt und auch keine Schachfiguren aufgestellt. Ich habe mir lediglich erlaubt, den Tisch ein bisschen zum Fenster hinzurücken. Da war es am hellsten. Wichtig war für mich die Sache mit dem Aschenbecher.
SZ: Aschenbecher?
Kruse: Ja. Der musste links neben Herrn Schmidt auf dem Brett stehen, daran erinnere ich mich noch genau. Das hatten mir die Damen, die ihn betreuen, so gesagt. Als ich ankam, war Schmidt noch nicht vom Mittagsschlaf zurückgekehrt, ich sollte aber alles schon mal aufstellen.
SZ: Wie erhielten Sie den Auftrag?
Kruse: Aufgrund meiner Erfahrung mit bedeutenden Zeitgenossen hatte mich der Verlag gebeten, die beiden Herren zu fotografieren.
SZ: Sie haben bereits Leonard Bernstein porträtiert, Lew Kopelew und Yehudi Menuhin.
Kruse: Bei Helmut Schmidt hatte ich zuvor auch schon zwei Sitzungen. Kennen Sie mein neues Buch "Eminent Architects"? Da habe ich die bedeutendsten internationalen Architekten porträtiert.
SZ: Wirklich?
Kruse: Das Buch erregt weltweit Interesse. Das Frankfurter Architekturmuseum macht derzeit eine Ausstellung daraus.
SZ: Na, da muss man sich ja fast entschuldigen, dass man Sie wegen eines verdrehten Schachbretts. . .
Kruse: Dass die Spieler das selbst nicht gemerkt haben!
SZ: Wie lange konnten Sie sich auf Steinbrück und Schmidt vorbereiten?
Kruse: Keine Sekunde. Der Verlag rief eine halbe Stunde vorher bei mir an, schon stand das Taxi vor der Tür. In Schmidts Haus hatte ich nur eine Stunde Zeit und musste sehen, wie ich mit den Räumlichkeiten und Stimmungen der Herren zurechtkam. Schmidt hatte nur noch an diesem Tag Zeit und Lust für das Foto. Da musste ich mich beeilen. Ich habe aber nur den Aschenbecher angefasst. Und meine alte Hasselblad.
SZ: Stinkt man nach so einem Termin nicht fürchterlich nach Zigarettenrauch?
Kruse: Als Fotografin ist es mir wichtig, dass sich der von mir Porträtierte wohl fühlt. Darf ich Sie noch was fragen?
SZ: Selbstverständlich.
Kruse: Wie legt man so ein Schachbrett denn richtig hin?
SZ: Das weiße Feld immer unten rechts, Frau von Kruse. Immer unten recht s.
Kruse: Soso. Danke.