Familientrio:Wer darf Papa genannt werden?

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Hat auch der neue Freund der Mutter Anrecht auf den "Titel" - oder nur der echte Vater?

Meine Ex-Freundin möchte, dass unsere Tochter, 3, ihren neuen Freund Papa nennt, und mich Papa Simon. Ich habe meiner Kleinen gesagt, dass Mamas Freund der Daniel ist und nicht ihr Papa. Meine Ex droht, wenn ich nicht akzeptiere, dass meine Tochter zu ihm Papa sagt, werde sie mir die Kleine wegnehmen - oder sich beim Jugendamt beschweren, weil ich unsere Tochter manipuliere. Aber der leibliche Vater hat doch das Recht, Papa genannt zu werden, oder?

Simon H. aus Salzburg

Margit Auer:

Mein erster Reflex beim Durchlesen der Frage: Was für ein Unsinn! Mein zweiter: Wieso macht die Ex-Freundin das? Beim dritten Lesen habe ich mal durchgerechnet, wie viele Papas das Mädchen wohl im Laufe seines Lebens noch haben wird ... und spätestens jetzt wird klar, wie unsinnig das Ganze ist. Einer Beschwerde beim Jugendamt können Sie entspannt entgegensehen. Bei dem Vorschlag der Ex-Freundin gibt es nur Verlierer. Wem ist damit geholfen, wenn der neue Freund "Papa" genannt wird? Wer fühlt sich wohl dabei? Niemand! Für Ihre Tochter ist es doof und unverständlich. Für den neuen Freund peinlich. Für Ihre Ex-Freundin ist es vielleicht irgendein Machtkampf. Ich würde auf diesen Quatsch überhaupt nicht eingehen. Machen Sie sich eine schöne Zeit, wenn Sie mit Ihrer Tochter zusammen sind. Ich bin mir sicher, sie weiß, wer ihr Papa ist.

Margit Auer ist die Autorin der Kinderbuch-Bestseller-Reihe "Die Schule der magischen Tiere", die inzwischen mehr als acht Millionen Mal gedruckt und in 25 Sprachen übersetzt wurde. Sie hat drei erwachsene Söhne und lebt mitten in Bayern. (Foto: Auer)

Herbert Renz-Polster:

Natürlich geht es Ihnen hier um mehr als nur um Namen. Sie verbinden damit das sehr emotionale Thema Beziehung. Vielleicht hilft es, hier vom Kind aus zu denken. Ihre Tochter lebt nun tagtäglich mit ihrer Mutter und einem anderen Mann, von dem Ihre Tochter nur eines erhoffen kann: dass er ein fürsorglicher, sie mit tragender und wertschätzender Mensch ist. Ein Mensch also, der das einnimmt, was landläufig als Vaterrolle bezeichnet wird. Nein, das ist keine biologische Rolle, es ist eine soziale Rolle. Aber es ist eine Vaterrolle. Mit welchem Namen Ihre Ex-Freundin und er selbst sich belegen, ist deren Sache. So wie es Ihre Sache ist, welchen Namen Sie für sich mit Ihrer Tochter aushandeln. Ihre Tochter, das ist das Schöne, ist da pragmatischer: Natürlich sind Sie weiterhin ihr Papa, ob sie nun Papa, Papa Simon, oder Pa-Si zu Ihnen sagt. Genauso ist es bei dem anderen Mann. Auch er ist aus ihrer Sicht ihr "Papa", egal wie sie ihn nennt. Worauf Sie sich auf jeden Fall verlassen können: Ihre Tochter kommt in ihrer Liebe nicht durcheinander, egal welche Namen sie verwendet. Kinder mögen einen Menschen wegen seiner Bedeutung für sie, ob er nun so heißt oder so. Und gerade weil hier Liebe im Spiel ist, darf eines von beiden Seiten nicht passieren: das Kind bei der Namensfindung in Not zu bringen - durch Sprechverbote, Korrigiererei, Petzerei oder sonstige Manipulation. Ihre Tochter braucht Begleiter mit großem Herzen.

Herbert Renz-Polster ist Kinderarzt, Wissenschaftler und Autor von Erziehungsratgebern und des Blogs "Kinder verstehen". Er hat vier erwachsene Kinder und lebt mit Frau und jüngstem Kind in Ravensburg. (Foto: Verlag)

Collien Ulmen-Fernandes:

Lieber Simon, einen rechtlichen Anspruch auf die Bezeichnung haben Sie natürlich nicht. Aber persönlich verstehen kann ich Ihre Sorge. Sie scheinen mir ein enges Verhältnis zu Ihrer Tochter zu haben und daran interessiert zu sein, dass das auch so bleibt, und das ist ja erst mal eine gute Sache - vor allem für Ihr gemeinsames Kind. Es gibt heutzutage unendlich viele Familienkonstellationen: Regenbogenfamilien, alleinstehende Mütter, alleinstehende Väter, Patchworkfamilien, Mehrgenerationenhaushalte und vieles mehr - aber egal, bei welchem Modell, das Allerwichtigste ist, die Kinder nicht zum Spielball von Eigeninteressen zu machen. Ohne die genauen Hintergründe zu kennen, erscheint es mir nicht so, dass Sie Ihre Tochter manipulieren, wenn Sie sich wünschen, dass sie den Unterschied zwischen dem neuen Freund Ihrer Exfrau und Ihnen versteht.

Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter wohnt in Potsdam und hat den Kinderbuch-Bestseller "Lotti und Otto" und den Elternratgeber "Ich bin dann mal Mama" verfasst. (Foto: Anatol Kotte)
© SZ vom 24.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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