Familientrio:Mein Kind jobbt anstatt zu lernen

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Beliebter Schülerjob Zeitungen austragen: Wie problematisch ist es, wenn Jugendliche sich zu sehr ums Geldverdienen kümmern? (Foto: N/A)

Der 16-jährige Sohn verdient sich nebenbei Geld beim Briefe austragen oder in der Fabrik, anstatt sich aufs Abitur vorzubereiten. Sollten die Eltern eingreifen? Experten antworten.

Eine Leserin fragt:

Unser 16-jähriger Sohn ist ein mittelmäßiger Schüler. Er könnte aber besser sein, wenn er sich nicht vorrangig ums Geld kümmern würde: Er trägt Zeitungen aus, liest Zählerstände ab und will in den Ferien vier Wochen bei einem Verpacker arbeiten. Wir finden das gut, aber wie können wir ihn dazu bringen, mehr für die Schule zu machen?

Christiane A., München

Experten antworten:

Kirsten Boie:

Sie haben einen ziemlich klugen Sohn, wenn er trotz all dieser Aktivitäten in der Schule noch zurechtkommt! Ich frage mich vor allem: Warum arbeitet Ihr Sohn so viel? Spart er auf eine Weltreise, ein Auslandsjahr? Geht es um Markenklamotten? Hat er nicht das Bedürfnis, Zeit mit Freunden zu verbringen?

Sie sagen, im Grunde finden Sie sein Verhalten gut - ist das Geldverdienen für ihn also vielleicht nur die bequemere Option, etwas zu tun, das Ihnen gefällt und trotzdem angenehmer ist als Lernen? Solange diese Frage nicht geklärt ist, fällt mir die Antwort, sogar die Bewertung seines Verhaltens, schwer. Trotzdem: Eltern denken immer an die Zukunft der Kinder (die Abiturnote!) - Jugendliche an ihre Gegenwart (die Disco, die Freundin, Fußball, neue Klamotten). Ich kenne kaum Eltern, die glücklich über das schulische Lernverhalten ihrer Kinder sind, fast immer ginge mehr, selbst bei 13 Punkten gäbe es noch die Möglichkeit von 15.

Spannend ist doch, dass Ihr Sohn, anstatt irgendwelchen Freizeitvergnügungen nachzugehen, ernsthaft und verlässlich arbeitet. Dass er diese Zeit sonst mit schulischen Aufgaben verbringen würde, ist ja keineswegs sicher. Die disziplinierte Haltung, die er jetzt zeigt, wird er vermutlich im Leben beibehalten - vielleicht sogar beim Endspurt aufs Abitur.

Jesper Juul:

Sie können die Entscheidungen Ihres Sohnes nicht beeinflussen. Er scheint ein sehr entschiedener und verantwortungsbewusster junger Mann zu sein mit einer klaren, eigenen Vorstellung vom Leben. Wenn Sie glauben, zu hundert Prozent zu verstehen, warum er das alles macht, und es Ihnen möglich ist, das auch mit ganzem Herzen wertzuschätzen, bitten Sie ihn um etwas Zeit und Aufmerksamkeit und sagen ihm: "Ich schätze wirklich sehr, was du gerade alles machst, und möchte dir nur eine Sache dazu sagen: Bitte kümmere dich mehr um die Schule."

Nachdem Sie das einmal gesagt haben, wiederholen Sie es nie mehr. Ihr Sohn hat Sie gehört, und Sie haben damit einen Eindruck hinterlassen. Allerdings kann es die Art von Eindruck sein, die Sie nicht beabsichtigen. Ihre Rolle ist es, seine Entscheidungen zu unterstützen und sie nicht die ganze Zeit zu hinterfragen.

Katia Saalfrank:

Ich fürchte, gar nicht! Vielleicht schaffen Sie es aber, Ihre eigene Erwartung an Ihren Sohn zu verändern, und können so etwas Druck bei sich selbst herausnehmen? Ich kenne viele Eltern, die unter diesem Druck stehen und die Verantwortung für die schulischen Leistungen ihrer Kinder übernehmen. Sie können überlegen, ob Sie diese Rolle so weiter annehmen wollen oder mehr Verantwortung an Ihren Sohn abgeben und so Ihre eigenen Erwartungen ein Stück zurückstellen?

Wie viel Verantwortung darf Ihr Sohn für seine Aufgaben selbst tragen? Er wird voraussichtlich alle von Ihnen angestrebten Ziele grundsätzlich erreichen, auch wenn er die Prioritäten etwas anders gesetzt hat. Anders, als Sie sich das wünschen würden, und doch: Eigentlich könnten Sie sich entspannt zurücklehnen und Ihren Sohn genießen. Er ist im Augenblick dabei, zu erfahren, wie gut es sich anfühlt, Verantwortung zu übernehmen, selbständig zu werden und eigene Ziele zu entwickeln und zu verfolgen.

Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de

© SZ vom 20.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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