Familien-Newsletter:Wie kinderfreundlich ist Italien?

Lesezeit: 2 min

Schon lange nicht mehr Realität: die italienische Großfamilie. (Foto: IMAGO/Cola Images/IMAGO/Cola Images)

Nicht besonders - allen Klischees zum Trotz. Über sinkende Geburtenraten, mangelhafte Familienpolitik und ein überhöhtes Mutterbild.

Von Elisa Britzelmeier

Dieser Text stammt aus dem Familien-Newsletter der Süddeutschen Zeitung, der jeden Freitagabend verschickt wird. Hier können Sie ihn abonnieren.

Liebe Leserin, lieber Leser,

zu den wirklich abgenudelten Italien-Klischees gehört das von la famiglia. Vielleicht haben Sie da gleich die Großfamilie vor Augen, die sich zum Mittagessen versammelt, die nonna stellt die Pasta auf den Tisch, die Kinder wuseln herum. In der italienischen Realität wird aber kaum mehr gewuselt: Es gibt zu wenig Kinder. Die Geburtenrate sinkt seit Jahren, im Frühjahr meldete das Statistikamt ein Rekordtief, 393 000 Geburten für 2022. Das sind 1,24 Kinder pro Frau (in Deutschland waren es 1,46). Und das heißt, dass Italien altert und schrumpft, wie SZ-Korrespondent Marc Beise hier schreibt.

Woran das liegt? Vor allem daran, dass Italien kein kinderfreundliches Land ist. Klar, alle sind immer sehr nett zu den bambini. Aber gleichzeitig gibt es kaum Kindergeld, kaum Elterngeld - erst recht nicht für Väter - und generell so schlechte Löhne, dass sich viele kein Kind leisten können. Oder höchstens eines. Kita-Plätze sind selten und teuer, Teilzeit-Arbeit oft nicht möglich. Als ich einer Freundin in Rom von meiner Schwangerschaft erzählte, sagte sie: "Ja, in Deutschland - da geht das natürlich."

Was auch eine Rolle spielt bei jungen Frauen wie ihr: Das völlig überhöhte italienische Mutterbild. Von Frauen wird erwartet, sich aufzuopfern, gleichzeitig werden sie allein gelassen. Wozu das im Extremfall führen kann, berichtete meine Kollegin Francesca Polistina vor einigen Monaten. Damals starb in Rom ein Neugeborenes im Krankenhaus - weil die Mutter, geschwächt von der Geburt, einschlief. Davor soll sie mehrfach um Unterstützung gebeten, diese aber nicht bekommen haben.

Die italienische Autorin Francesca Fiore sagt: "Die italienische Mutter ist immer glücklich, sie verliert nie die Geduld." Zusammen mit Sarah Malnerich analysiert Fiore auf ziemlich lustige Art den Druck, der auf Müttern lastet. Mamma di merda, Scheißmutter also, heißt ihr Instagram-Account. Meine Kollegin Annette Reuther hat die beiden getroffen, ich empfehle Ihnen diesen Text sehr. Darin geht es um vieles, das deutschen Müttern bekannt vorkommen dürfte - und um Dinge, die deutsche Mütter aus italienischer Sicht komplett falsch machen.

So viel sei verraten: Helikoptern wird in Italien rein positiv verstanden und auch demonstrativ performt. Oder wie es eine andere italienische Freundin von mir sarkastisch zusammenfasste: "Wer sich besonders große Sorgen macht, liebt besonders stark."

Ein schönes Wochenende wünscht

Elisa Britzelmeier

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