Demografie:"Italien verschwindet"

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Schon lange nicht mehr Realität: die italienische Großfamilie. (Foto: IMAGO/Cola Images/IMAGO/Cola Images)

Historischer Tiefstand: Italien meldet immer weniger Geburten, und Multi-Milliardär Elon Musk ist prominent beunruhigt.

Von Marc Beise, Rom

Italien liegt Elon Musk besonders am Herzen. Das mag überraschen, stammt einer der reichsten Männer der Welt doch aus Südafrika und hat in Kalifornien sein Glück gemacht. Dort investierte er in aufstrebende Digitalfirmen, ehe er mit seinen Tesla-Autos eine zentrale "Alt-Industrie" das Fürchten lehrte und den Weltraum ins Visier nahm. Zuletzt hat er sich den Bloggingdienst Twitter untertan gemacht, er selbst twittert intensiv und eben auch über europäische Länder. Nur: "Italien verschwindet", so hat er es gerade gepostet, und ja, das treibt ihn um.

Anlass sind die neuesten Zahlen der italienischen Statistikbehörde Istat zur Demografie, und die haben es wirklich in sich: Die Geburten fielen erstmals seit Beginn der Aufzeichnungen unter die Schwelle von 400 000 und liegen jetzt bei knapp 393 000 im Jahr 2022. Mit 1,2 Kindern pro Frau bewegt sich Italien im internationalen Vergleich weit hinten. Das Durchschnittsalter der Italiener wird jetzt schon mit 46,6 Jahren notiert, Tendenz steigend. Die Zahl der über Hundertjährigen hat sich binnen 20 Jahren verdreifacht.

Sieben Neugeborene, aber mehr als zwölf Todesfälle pro tausend Einwohner - das killt auf Dauer Dynamik, Wachstum und Wohlstand. Die Gesamtbevölkerung ist schon länger unter die 60- und jetzt sogar unter die 59-Millionen-Grenze gerutscht: 58,85 Millionen Menschen - ein Paukenschlag. Setzt sich der Trend so fort, könnte Italien bis 2060 auf 36,9 Millionen schrumpfen.

Elon Musk beobachtet das schon länger, zuletzt hatte er dazu einen prominenten Gesprächspartner. Als er im vergangenen Sommer von Papst Franziskus zu einer besonders privilegierten Privataudienz empfangen wurde, sorgten sich die Herren sehr, hieß es später. Näheres wurde nicht bekannt gegeben, aber womöglich hat Musk gesagt: Ich könnte als Vorbild dienen, Heiliger Vater. Der 51-Jährige hat mittlerweile mindestens neun Kinder, vier davon durften ihn zum Papst begleiten.

Auch bei der damaligen Oppositionspolitikerin Giorgia Meloni von den Fratelli d' Italia fand Musk Gehör: "Wenn wir so weitermachen, werden wir eine Gesellschaft ohne Kinder haben, die zusammenbrechen wird", kommentierte sie. Nach ihrer Wahl zur Regierungschefin erklärte sie die Steigerung der Geburtenrate zur "absoluten Priorität" und machte ihre erzkatholische Parteifreundin Eugenia Roccella zur Familienministerin, deren Amtsbezeichnung wurde demonstrativ um den Zusatz "Geburten" ergänzt. Seitdem singt Roccella das Hohelied der klassischen Familie. In Reaktion auf die neuen Zahlen kündigte sie jetzt an, dass es bald mehr Kindergeld, Steuererleichterungen für Familien mit Kindern und eine Ausweitung der bezahlten Elternzeit geben solle, die dann auch Väter in Anspruch nehmen könnten.

Internationale Studien allerdings legen nahe, dass es weniger die Familienpolitik ist, die den Trend umkehren kann, sondern bestenfalls die Arbeitsmarktpolitik. Mehr Jobs, besser bezahlt und ausdrücklich auch für immer mehr Frauen und Mütter: Um diese Jobs zu schaffen, hat die neue Regierung noch kaum Anstrengungen unternommen. Und das, obwohl die Frauenerwerbsquote in Italien mit rund 50 Prozent im internationalen Vergleich dramatisch niedrig liegt.

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