Familientrio:In diesen Zeiten noch Camouflage tragen?

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Ist Military-Look noch angesagt, wenn in Europa Krieg herrscht? (Foto: IMAGO/Image Source)

Der Neunjährige trägt gern Flecktarn, die Mutter hält das seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine für unpassend. Was tun? Das Familientrio weiß Rat.

Mein Sohn, 9, trägt mit großer Begeisterung Camouflage-Hosen. Alle Freunde von ihm tragen die auch. Ich habe mir da eigentlich nichts groß bei gedacht, als wir die Hosen zusammen im Winter gekauft haben. Angesichts der Weltlage ist mir heute aber nicht mehr wohl dabei, wenn mein Kind wie ein Soldat in Flecktarn herumläuft. Darf ich ihm verbieten, diese Hosen weiter anzuziehen? Silke W., Dortmund

Margit Auer:

Margit Auer ist die Autorin der Kinderbuch-Bestseller-Reihe "Die Schule der magischen Tiere", die inzwischen mehr als acht Millionen Mal gedruckt und in 25 Sprachen übersetzt wurde. Sie hat drei erwachsene Söhne und lebt mitten in Bayern. (Foto: Auer)

Wer Senta Berger in "Kir Royal" gesehen hat, weiß, dass dieser Soldatenlook schon immer eine Geschmacksverirrung war. Sie ließ sich, als Freundin von Baby Schimmerlos, das blonde Haar abschneiden, färbte es dunkel und quälte sich mit breiten Ledergürteln und Militärstiefeln ab. Arme Mona alias Senta Berger. Tarnhosen sind nicht nur eine unangemessene Kleidung für Filmdiven, nein, sie sind es auch für Neunjährige. Eigentlich für jeden. Bei mir erzeugt dieses Outfit ein mulmiges Gefühl, sorry. Wer argumentiert, das wäre nun mal ein angesagter Freizeitlook, der liegt nur teilweise richtig. Eine bestimmte Haltung und ein Macho-Gehabe verbirgt sich schon dahinter. Wenn die Jungs damit geschlossen im Klassenzimmer auftauchen, kann das durchaus irritieren. Was also tun? Verbieten ist nicht angesagt, zumal Sie die Hosen selbst gekauft haben. Ich würde die Tarnhosen nach unten in den Schrank verfrachten und obenauf normale Jeans legen. Jungs nehmen doch immer das, was ganz oben liegt, oder? Sollte trotzdem die olivgrünen Hose drankommen, empfehle ich ein buntes T-Shirt dazu.

Herbert Renz-Polster:

Herbert Renz-Polster ist Kinderarzt, Wissenschaftler und Autor von Erziehungsratgebern und des Blogs "Kinder verstehen". Er hat vier erwachsene Kinder und lebt mit Frau und jüngstem Kind in Ravensburg. (Foto: Verlag)

Ein neunjähriges Kind verbindet mit dem Tragen von Camouflage-Hosen eine ganz andere Symbolik als Sie, und so wenig wie aus einem Mädchen, das gerne rosa Kleidchen trägt, später eine Anti-Feministin wird, so wenig bringt ein Junge in Camouflage-Hosen den Krieg nach Deutschland. Die Kinder spielen mit ihrem Äußeren, und es ist nicht die Aufgabe der Kinder, hier auf die Erwachsenenwelt Rücksicht zu nehmen. Natürlich dürfen und sollen Eltern ihre Kinder nett darauf hinweisen, wenn diese mit ihren Äußerungen oder bestimmten Verkleidungen mal danebenliegen und damit jemanden verunglimpfen oder kränken, aber das sehe ich hier nicht. Und natürlich können Sie mit Ihrem Sohn über Ihre Bedenken reden. Dabei sollten Sie sich aber bewusst sein, wie leicht Sie ihn damit "verkehrt" machen können. Also dass er an Ihrer Reaktion ableitet, dass er etwas furchtbar Schlimmes gemacht hat. Aus der Nummer ist dann nur mit einigen Verrenkungen rauszukommen, denn aus seiner Perspektive ist alles okay. Ach Mama, würde er wahrscheinlich sagen, wir spielen das doch nur, wir sind keine Soldaten! Und so ist es ja auch, und dabei würde ich es belassen.

Collien Ulmen-Fernandes:

Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter wohnt in Potsdam und hat den Kinderbuch-Bestseller "Lotti und Otto" und den Elternratgeber "Ich bin dann mal Mama" verfasst. (Foto: Anatol Kotte)

Worin konkret liegt Ihre Angst? Dass man Ihrem Neunjährigen eine kriegsbefürwortende Haltung unterstellen, ihn für einen Putin-Sympathisanten halten könnte, dass die Gruppe ein neunjähriges Kind als Bellizisten abstempelt? Es ist eine Hose. Auch ich trug sie mit neun, obwohl der Irak gerade Kuwait überfiel. Davon wusste ich damals jedoch nichts. Für mich war es einfach nur eine Hose. Na ja, nicht irgendeine Hose, es war meine Lieblingshose. Ich hatte sie auch in orange und lila. Ist das dann wieder okay? Auch habe ich Ketten und Ohrringe mit einem Kreuz getragen, einem christlichen Symbol, obwohl ich nicht gläubig war. Verstehen Sie mich nicht falsch. Sollte Ihr Ehemann aktuell in Armyhosen herumlaufen, fänd ich es pietätlos und schräg, auch unter rein modischen Aspekten. Ein Kind sollte all das jedoch nicht abwägen müssen.

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