Neulich war meine Tochter (7) auf einem Geburtstag eingeladen, bei dem wir mit einer anderen Familie eine Fahrgemeinschaft gebildet haben. Nun erzählte mir meine Tochter, dass sie im anderen Auto auf einem Rucksack sitzen musste, die Freundin dagegen saß vorschriftsgemäß im Kindersitz. Ich bin darüber sehr verärgert, weil wir unser Kind dann lieber selbst abgeholt hätten. Wie soll ich das ansprechen?
Eva T. aus Frankfurt
Margit Auer: "Schwamm drüber, die Fahrt ist erledigt"
Ich darf gar nicht erzählen, wie vogelwild ich manchmal schon Kinder von A nach B transportiert habe. Am meisten Gejohle gab es, wenn meine Nichten zusammen mit meinen Söhnen im Kofferraum mitfahren durften. Darf ich das öffentlich schreiben? Vielleicht sollte ich erwähnen, dass es sich immer um sehr kurze Strecken handelte und dass ich wusste, mein Bruder würde nichts dagegen haben. Erst neulich kurvte ein junger Mann mit einem Kleinkind zwischen den Beinen auf dem Motorroller durch die Siedlung. Beide ohne Helm. Das geht überhaupt nicht, schon klar. Sie hatten aber einen Riesenspaß und uns Zuschauern auf der Terrasse hat die kleine Straßenszene auch sehr gut gefallen. In Ihrem Fall würde ich sagen: Schwamm drüber, die Fahrt ist erledigt und niemandem ist etwas passiert. Und beim nächsten Mal fragen Sie einfach: Hast du genug Kindersitze? Soll ich dir unseren dalassen?
Herbert Renz-Polster: "Ein verständlicher Ärger - aus Ihrer Perspektive"
Ja, das ist ein verständlicher Ärger - wenn man es aus Ihrer Perspektive betrachtet. Ich will aber zu bedenken geben, dass die Perspektive der Eltern der Freundin möglicherweise eine andere ist. Vielleicht ging es da wirklich ums praktische Improvisieren, und zwar so dringend, dass der Sicherheitsaspekt dann ganz hinten im Kopf eingeparkt wurde (ich kenne solche Leute). In dieser gutwilligen Interpretation landete dann ihr Kind aus praktischen Gründen auf dem Rucksack (etwa weil der vorhandene Kindersitz schon auf das andere Mädchen eingestellt war, oder aus Gewohnheit...) Vielleicht haben aber auch die Freundinnen das irgendwie so "beschlossen", und die Erinnerung daran war urplötzlich weg, als Sie mit Ihrem Zorn gezeigt haben, wie schlimm das alles war? Sonst müssten Sie ja annehmen: Die wollten, dass mein Kind statt ihrem eigenen durch die Scheibe fliegt. Deshalb würde ich das eher mit Blick auf die Zukunft klären. Also mit einem Hinweis, dass Ihnen das wichtig ist, dass Ihr Kind immer in einem Kindersitz fährt.
Collien Ulmen-Fernandes: "Sprechen Sie es an"
Am besten so, wie Sie es jetzt ansprechen: Dass Sie darüber sehr verärgert sind. Wenn es Ihnen wichtig ist, auf Verkehrssicherheit zu achten, und dafür gibt es definitiv Gründe, und Sie sich auf andere Mütter verlassen, sollten Sie Ihren Ärger ansprechen. Wobei ich Ihnen Recht geben würde, was ich aber zugleich nicht ansprechen würde, ist die Verwunderung darüber, dass man bei zwei vorhandenen Kindern und nur einem vorhandenen Kindersitz das eigene Kind dem Gastkind vorzieht. Das Gegenteil sollte der natürlich Fall sein. Wenn ein Melonenstück übrig ist, bekommt es das Gastkind. Das hat im beschriebenen Kindersitzgate nicht nur etwas mit Sicherheit zu tun, sondern auch mit Noblesse. Diese einzufordern geht allerdings nicht, man kann sie nur selbst an den Tag legen.